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06.10.07 / Die Insel Helgoland ehrt ihren Sohn / Der Dichter James Krüss oder das wiedergefundene Lächeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Die Insel Helgoland ehrt ihren Sohn
Der Dichter James Krüss oder das wiedergefundene Lächeln
von Uta Buhr

Irgendwo ins grüne Meer hat ein Gott mit leichtem Pinsel, lächelnd, wie von ungefähr, einen Fleck getupft: die Insel.“ So beginnt die „Historie von der schönen Insel Helgoland“ des gebürtigen „Hallunders“ James Krüss. Diese in Versform geschriebene, mit zauberhaften Skizzen vom Autor selbst bebilderte Chronik stammt aus den Schicksalsjahren 1945-

46, als der rote Felsen völlig zerstört und bar jeglichen menschlichen Lebens war. Die 2500 Insulaner waren in alle Winde zerstreut, und die britische Luftwaffe nutzte Helgoland als Übungsplatz für Bombenabwürfe, die das Gesicht der Insel drastisch veränderten.

Erni Rickmers, James Krüss’ jüngere Schwester, erinnert sich noch lebhaft an jene schreckliche Zeit: „Mein Bruder erlebte das Kriegs-ende fern der Insel. Er war noch 1944 zur Luftwaffe eingezogen worden. Nach der Kapitulation versuchte er, nach Helgoland zurück-zukehren. Irgendwie muß er verdrängt haben, daß es sein Zuhause nicht mehr gab.“ Er ließ sich nach einer Ausbildung zum Volksschullehrer schließlich in München nieder. Dort freundete er sich mit

Erich Kästner an, der sein schriftstellerisches Talent sofort erkannte. „Aber zuvor“, unterbricht sich Erni Rickmers, „wäre James fast noch im Gefängnis gelandet.“ Der Grund war ein offener Brief, den er 1949 im Alter von 23 Jahren an den britischen Hochkommissar schrieb. Hierin führt er eine scharfe, elegante Klinge gegen dessen Absichten, Helgoland auf immer unbewohnbar zu machen. In dem Brief weist selbstbewußt darauf hin, daß es auf Helgoland im 19. Jahrhundert schon wohltätige Einrichtungen für Witwen und Waisen gegeben habe, „als englische Kinder noch in Bergwerken arbeiteten“. Die wutentbrannte Reaktion aus England folgte auf dem Fuße: „We shall blow up that devil island!“ Doch es kam - Gott sei Dank - ganz anders. Bereits 1952 nahmen die Helgoländer ihre Insel wieder in Besitz. Ohne den mutigen Einsatz von James Krüss und seiner Mitstreiter wäre dies vielleicht nicht geschehen. Haben die Insulaner diese Tat dem berühmten Sohn gedankt, wollen wir von Erni Rick-mers wissen. Die lächelt wehmütig: „Sie wissen doch - der Prophet gilt nichts in seinem Vaterland.“

James Krüss ging seinen eigenen Weg. Sein erstes Buch „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ erschien im Jahre 1965 und etablierte seinen Ruf als einfühlsamer Kinderbuchautor. Doch richtig berühmt wurde er vier Jahre später, als er innerhalb der geheiligten „Tagesschau“ Passagen aus seinem Werk „Mein Urgroßvater und ich“ vorlesen durfte! In sein vielleicht bekanntestes Buch „Timm Thaler oder das verkaufte Lachen“ flossen Kindheitserinnerungen aus Besuchen bei seiner Tante Marina in Övelgönne ein. An die 160 Bücher hat Krüss im Laufe seines Lebens verfaßt, darunter „Der wohltemperierte Leierkasten“, „Alle Kinder dieser Welt“ und „Meyers Buch vom Menschen und seiner Erde“. Im Jahre 1989 erschienen die „Sonntagmorgen Geschichten“. Nie hat der Mann mit dem ansteckenden Lachen seine Vision von einer besseren Welt aus den Augen verloren, auch in seinen zahlreichen Hörspielen, Gedichten und Schlagertexten nicht. 1966 zog es James Krüss auf die spanische Insel Gran Canaria. In seiner Wahlheimat ist er im Spätsommer 1997 gestorben. Seine Asche aber wurde auf seinem geliebten Helgoland verstreut. Jetzt endlich erweist man ihm dort die Ehre mit einem

James-Krüss-Museum. In einer grellbunt bemalten Hummerbude auf einem neu geschaffenen Museumshof wird das umfangreiche Werk von James Krüss präsentiert. Marika Richters, eine der Mitarbeiterinnen des Museums, berät die Besucher freundlich und kompetent. Schirmherrin des kleinen Musentempels ist Kirsten Rick-mers-Liebau, die Nichte des Schriftstellers. Sie ist gleichzeitig Sprecherin der Krüss-Erbengemeinschaft und hegt noch große Pläne für die Zukunft: Sie will unter anderem Künstler nach Helgoland locken und mit ihnen Kreativ-Workshops für Kinder organisieren.

Der Start war vielversprechend: Der bekannte Hamburger Schauspieler Uwe Friedrichsen las vor einem begeisterten Publikum aus der „Geschichte von Jan Janssen und der schönen Lady Violet“, und sein Kollege Friedhelm Ptok brachte launige Krüss-Gedichte zu Gehör.

Auch Erni Rickmers ist zufrieden. Der Prophet gilt eben doch in seinem Vaterland: „Spät zwar, doch lieber spät als nie!“ Dieser charmanten Dame, die ihrem Bruder äußerlich sehr ähnlich ist, verdanken die Helgoländer so manches. Die Insel benötigte nach ihrer „Wiedergeburt“ dringend Unterkünfte für Feriengäste.

Erni krempelte die Ärmel hoch und beteiligte sich maßgeblich am Aufbau des Hotels „Rickmers’ Insulaner“, das seither von Touristen aus nah und fern geschätzt wird. Und dies nicht zuletzt wegen des weitläufigen, terrassenartig angelegten Gartens hinter dem Haus. Ihr Sohn Detlev gestaltete den „Insulaner“ gerade mit viel Liebe zum Detail um. In einer Reihe von Zimmern fühlt der Gast sich wie in einer komfortablen Schiffskabine.

Rickmers Junior hat noch viele innovative Ideen zum Nutzen und Frommen der Insel. „Der Detlev ist auf seine Art ein Visionär“, erkennen viele Helgoländer neidlos an, „genau wie sein Onkel James.“

Das James-Krüss-Museum vor der Nordseehalle ist von dienstags bis sonntags von 11 bis 15 Uhr geöffnet.

Foto: Erinnerung an einen Dichter: Im James-Krüss-Museum auf Helgoland wird der Sohn der Insel geehrt.

 

Rechtzeitig zum 10. Todesjahr ist jetzt im Kölner Boje Verlag ein Buch erschienen, das großen und kleinen Krüss-Fans zur Freude gereichen wird. Die Herausgeberin Renate Raecke hat in „Das große James-Krüss-Buch - Ein Eisbär ist kein Pinguin“ (176 Seiten mit über 100 farbigen Illustrationen von Verena Ballhaus, Halbleinen, 19,90 Euro) eine Vielzahl von bekannten und nicht so bekannten Geschichten und Versen des Hallunders James Krüss zusammengestellt. „Jedes Kind muß einmal erwachsen werden. Und jeder Erwachsene war einmal ein Kind. Wir wollen sie also für beide gleichzeitg erzählen“, hat Krüss einmal in seinem Buch „Die glücklichen Inseln hinter dem Winde“ geschrieben. Und mit meisterhaftem Sprachtalent ist es ihm gelungen, Gedichte und Geschichten aufzuschreiben, die zeitlos sind und die nicht nur Kindern gefallen. Bei ihm sind die „ulkigen Leute“ eben nicht nur ulkig. Man liest von Tieren, die weise sind, von großen und kleinen Menschen, die ihre Eigenarten haben. Ein besonderes Lesevergnügen. SiS


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