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06.10.07 / Über Nacht wurde sie zum Leinwandstar / Vor 70 Jahren starb die Schauspielerin Renate Müller - Ihr Leben war nicht nur glücklich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Über Nacht wurde sie zum Leinwandstar
Vor 70 Jahren starb die Schauspielerin Renate Müller - Ihr Leben war nicht nur glücklich
von U. Klöckner-Draga

Ich bin ja heut’ so glücklich, so glücklich, so glücklich, ich fühl’ mich augenblicklich so glück- lich wie noch nie ...“ hieß der Erfolgsschlager, den Renate Müller in dem Tonfilm „Die Privatsekretärin“ 1930 sang. Mit diesem Film wurde aus der bekannten Bühnenschauspielerin über Nacht ein neuer deutscher Leinwandstar.

Die am 26. April 1906 als Tochter eines Chefredakteurs in München geborene Renate Müller wollte ursprünglich Opernsängerin werden. Nach Gesangs- und Schauspielunterricht, zunächst in Danzig, ab 1924 in der Max-Reinhardt-Schauspielschule in Berlin, folgten Engagements an allen renommierten Bühnen Berlins. 1929 verpflichtete sie Leopold Jessner an das Preußische Staatstheater, wo sie unter anderem an der Seite von Alexander Granach, Gustav Knuth und Lotte Lenja ihren künstlerischen Durchbruch erreichte. Starregisseur Reinhold Schünzel holte sie im selben Jahr zum Film. Ihr Debüt in „Peter der Matrose“ fand in der Filmbranche Anklang, auch das deutsche Publikum wurde in insgesamt drei Stummfilmen auf die blonde Schauspielerin aufmerksam.

Den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm schaffte Renate Müller mühelos. Die UFA verpflichtete sie zunächst für drei Tonfilme. „Liebling der Götter“ an der Seite von Oscar-Preisträger Emil Jannings und „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ als Partnerin von Otto Gebühr katapultierten sie in die erste Riege der UFA-Stars. Doch erst mit dem Film „Die Privatsekretärin“ wurde Renate Müller weltweit berühmt, denn der Streifen wurde 1931 in einer englischen Version mit ihr in der Hauptrolle in London nachgedreht.

Mit ihrer attraktiven, sympathischen Ausstrahlung, dem selbstbewußten Spiel und dem strahlenden Lächeln, verkörperte sie die junge moderne Frau ihrer Zeit und überwand mit ihrer Leinwandpräsenz Ländergrenzen. Zurück in Deutschland, rissen sich nun die Filmfirmen um den neuen Star. Ihre Darstellungen in „Der kleine Seitensprung“, „Mädchen zum Heiraten“, „Wenn die Liebe Mode macht“, „Saison in Kairo“, „Walzerkrieg“, „Die englische Heirat“ und ganz besonders in dem Transvestiten-Ulk „Viktor und Viktoria“ enthüllten ihr komödiantisches Talent in überzeugender Weise. Die Filme selbst waren ein Nichts an Handlung und dienten lediglich der Unterhaltung. Für die Produktionsfirmen war eine sprechende und singende Renate Müller Garantie für volle Kassen, denn sie besaß die Fähigkeit, die menschlichen Schwächen und Stärken der emanzipierten, berufstätigen Frau menschlich und authentisch näherzubringen zu einer Zeit, als die meisten weiblichen Filmstars - noch geprägt von der Stummfilmzeit - eher manieriert und exaltiert spielten.

Renate Müller, die in ihren Filmen glückliche Menschen so überzeugend verkörpern konnte, hatte in ihrem privaten Leben wenig Glück. Krankheit, Drogen und Alkohol zogen sie wie eine nicht aufzuhaltende Lawine in den Abgrund.

Nachdem die Nazis in Deutschland 1933 die Macht ergriffen hatten, geriet Renate Müller ins Fadenkreuz der Geheimen Staatspolizei. Ihre Tätigkeiten und Aktionen wurden überwacht. Warum? Der „Schirmherr des deutschen Films“ Dr. Joseph Goebbels hatte Renate Müller, die als leibhaftig gewordenes Rassenideal - blond, blauäugig, fraulich schön - galt, zunächst ausersehen, sie mit dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler zu verkuppeln. Renate hatte kein Interesse und lehnte weitere Einladungen ab. Die Gestapo fand den Grund für ihre Weigerung heraus: Renate Müller hatte ein Verhältnis mit einem Juden. Außerdem pflegte sie Kontakte zu ihren homosexuellen Freunden. Minister Goebbels wollte sie daraufhin aus der Reichsfilmkammer ausschließen, was einem Arbeitsverbot gleichkam. Nur ihre Popularität konnte das verhindern. Bald aber begannen die Schikanen. Erst wurden geplante Filme mit ihr nicht mehr realisiert, oder ihre Rolle wurde mit einer linientreuen Kollegin umbesetzt. Nachdem ihr Freund 1934 in die Emigration gegangen war, wurde der seelische Druck immer belastender: Ihre Post wurde kontrolliert, Telefonate wurden abgehört und ihre Bankkonten überwacht. Trotzdem traf sie sich in aller Heimlichkeit weiterhin mit ihrem Geliebten in London, Paris oder in der Schweiz. Doch das Spitzel- und Überwachungssystem der Nazis war perfekt und die Ermittlungsakte „Renate Müller“ füllte sich an.

Es verging nun kaum eine Woche, in der sich Renate Müller nicht über eine Behinderung in ihrem Alltag ärgern mußte. Aus der robusten jungen Schauspielerin wurde mit der Zeit ein nervöses, wenig widerstandsfähiges Geschöpf. Jetzt hatte Goebbels sie da, wo er sie haben wollte und setzte sie in einen Propagandafilm ein: „Togger“ (1937). Die Berg- und Talfahrt ihrer Seele wurde während der Aufnahmen mit Alkohol und Tabletten betäubt. Nur mit Mühe konnte sie die Dreharbeiten beenden.

Das Einzige, was Renate Müller sich in ihren letzten Lebensmonaten noch bewahren konnte, war die Freiheit der Gedanken und der Gefühle. Die Hetzjagd endete am 7. Oktober 1937 - mit ihrem Tod. Renate war erst 31 Jahre alt.

Mit Gesichts-, Kopf- und Knieverletzungen war sie 14 Tage zuvor in eine Berliner Klinik eingeliefert und operiert worden. Betrunken war sie aus einem Fenster ihrer Villa gefallen, wo sie von ihrer Freundin Sybille Schmitz schwerverletzt gefunden wurde. Renate Müller starb nach einem epileptischen Anfall an einem Gehirnschlag.

Renate Müller Foto: UFA


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