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06.10.07 / Isolation als Selbstschutz / Ein Dorf versucht, die Spanische Grippe abzuwehren - ohne Erfolg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Isolation als Selbstschutz
Ein Dorf versucht, die Spanische Grippe abzuwehren - ohne Erfolg

Einerseits ist es schön, wenn Autoren ihre Charaktere vorstellen und sich Zeit nehmen, ihre Geschichte zu entwickeln. Man kann es allerdings auch übertreiben. Dies hat nämlich dazu geführt, daß Thomas Mullens Roman „Die Stadt am Ende der Welt“ unverdientermaßen Wochen lang einsam auf einem Sessel der Rezensentin verharrte, bis sie sich wieder des Buches annahm. Dabei ist die Geschichte, die der Autor erzählt, spannend. Und ab dem Moment, in dem die Handlung beginnt, beweist Thomas Mullen auch, daß er, der Situation angepaßt, die richtigen Worte findet und die passende Atmosphäre schafft, doch bis dahin sind 250 der 478 Seiten vergangen.

Es geht um die Spanische Grippe, die während des Ersten Weltkrieges vor allem die USA fest in ihrem Griff hatte. „Tief in den Wäldern des Staates Washington liegt die kleine Holzfällerstadt Commonwealth. Charles Worthy hat sich mit der Gründung dieser Stadt und ihren gesellschaftlichen Idealen jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung einen Lebenstraum erfüllt.“ Um die gut 500 Bewohner des Ortes vor Ansteckung zu schützen, beschließt er, den Ort unter Quarantäne zu stellen. An der einzigen Zufahrtsstraße werden Wachtposten abgestellt, die jeden Besucher abweisen sollen. Doch nicht jeder läßt sich abweisen. Nach einem tödlichen Zwischenfall muß der erst 16jährige Phillip eine Entscheidung auf Leben und Tod fällen. Er entscheidet sich für das Leben und wählt damit aus Versehen doch den Tod, denn die Bewohner Commonwealths verunsichert der in die Nähe der Stadt gelassene Soldat. Als dann doch die Grippe im Ort ausbricht, unter der der Soldat nachweislich nicht leidet, wird er bezichtigt, deutscher Agent zu sein.

In dem Ort beginnt das große Leiden und Sterben, das Thomas Mullen hervorragend bedrohlich schildert. Die bedrückende Atmosphäre, die Angst vor Ansteckung und dem daraus resultierenden Wegfall jeglicher Nachbarschaftshilfe schnüren dem Leser die Kehle zu. Mitten in die familiären Tragödien, die sich abspielen, platzt dann auch noch eine Razzia aus dem Nachbarort, die Drückeberger ohne jegliche Rücksicht auf die im Ort grassierende Grippe zum Militärdienst abholt. Auch hier wird der 16jährige, frisch verliebte Philipp zum Zünglein an der Waage. Bel

Thomas Mullen: „Die Stadt am Ende der Welt“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, geb., 478 Seiten, 21 Euro, Best.-Nr. 6372


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