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06.10.07 / Stauffenbergs Dichter / Der Protagonist des 20. Juli 1944 ließ sich von Stefan George inspirieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Stauffenbergs Dichter
Der Protagonist des 20. Juli 1944 ließ sich von Stefan George inspirieren

Geheimes Deutschland? Mit der befremdlichen Formel kann das „öffentliche Deutschland“ nichts anfangen.

Die politische Klasse der Bundesrepublik wird sich hüten, geistige Alternativen zum „freiesten Staat der deutschen Geschichte“ in Erwägung zu ziehen. Koryphäen des Parteienstaates wie Markus Meckel oder Claudia Roth sowie Politbeamte im NRW-Verfassungsschutz halten das Geheime Deutschland vermutlich für den Decknamen einer Bande von „Rechten“ in Sachsen-Anhalt oder sonstwo in „Ostdeutschland“.

Mit Stauffenberg verhält es sich etwas anders. Die Deutsche Bahn AG hat einen Intercity-Zug nach ihm benannt. Und: Tom Cruise spielt den Hitler-Attentäter. Der Anhänger von Scientology, einer den amerikanischen Erfolgstraum zu rabiater Zweckrationalität steigernden Wahnwelt, agiert als deutscher Heros.

Ihm ist zu verdanken, daß die deutsche Tragödie des 20. Juli 1944 zum global bekannten Ereignis werden könnte. Vorstellbar, daß der Stauffenberg-Darsteller in der Hollywood-Version das Poem „Der Widerchrist“ rezitiert und im Kino Name des Dichters Stefan George aufscheint ...

Der Dichterheros Stefan George faszinierte einst - zusammen mit Hölderlin, Nietzsche, Rilke, Walter Flex und Ernst Jünger - die deutsche Jugendbewegung, die idealistisch-patriotisch, sozial- und nationalromantisch gestimmten Generationen vor und nach dem Ersten Weltkrieg: „Du geist der heiligen jugend unsres volks“, heißt es in „Der Stern des Bundes“ (1914). Bei den bündischen „Neupfadfindern“ gelangten die Brüder Stauffenberg (die Zwillingsbrüder Alexander und Berthold sowie der jüngere Claus) zur Verehrung Georges. 1922/23 wurden sie dem Dichter vorgestellt und gehörten alsbald zum inneren Kreis der um den „Meister“ gescharten Jünger. Seinen letzten Gedichtband „Das Neue Reich“ (1928) mit dem zentralen Poem „Geheimes Deutschland“ (erstmals 1922) widmete George Berthold Stauffenberg. Noch im Juli 1944, in den Tagen vor dem Attentat, arbeiteten Claus und Berthold sowie der Freund Rudolf Fahrner an der Endredaktion des von Alexander verfaßten Poems „Der Tod des Meisters“.

Die enge Beziehung der Brüder Stauffenberg zu Person und Werk Georges bildet den biographischen Rahmen des Buches von Manfred Riedel. Es beginnt mit eindringlichen Szenen aus dem Jahre 1945. Nach seiner Befreiung erfuhr Alexander vom Tode seiner Frau, die bei dem Versuch, ihn mit einem Flugzeug aus dem KZ Schönberg bei Straubing herauszuholen, von englischen Jägern abgeschossen wurde.

Riedel entfaltet ein leidenschaftliches Plädoyer für den Dichter und Seher des „Geheimen Deutschland“. Als Philosoph unternimmt er es, anhand umfassender Gedichtinterpretationen die Aktualität der von Hölderlin und Nietzsche inspirierten Gedankenwelt Georges - eine Synthese von Hellas und Germanien, von heidnischer Antike und Christentum - zu demonstrieren. Bedacht, einige vor dem Hintergrund Weimars und der Kränkung durch Versailles entstandenen, von völkisch-nationalem Pathos durchdrungenen Gedichte vor politisch korrekten Zeitgenossen zu schützen, deklariert er einen Text wie „Der Dichter in der Zeit der Wirren“ (1921), der recht eindeutig einen nationalen Retter beschwört, zum „Nachkriegs-Poem eines Unpolitischen“. Ein solches Verfahren lädt zu Kritik ein. Dessen ungeachtet gelingt es Riedel, die vergessene „Grundvision eines geheimen europäischen Deutschland“ sichtbar zu machen. In vehementem Widerspruch zum Zeitgeist hofft er, diese Vision könne in Deutschland und Europa, das in Gefahr stehe, im Zeichen der Globalisierung vom „westlichen Kapitalismus aufgelöst“ zu werden, als Fundus eines neuen Patriotismus dienen.

In Aufmachung, Stil und Inhalt sichtlich nicht für ein Massenpublikum geschrieben, bildet Riedels Buch im Stauffenberg-Gedenkjahr 2007 den Kontrast zum Medienrummel um Tom Cruise.

Ungeachtet der vom „hohen Ton“ Georges getragenen Diktion sowie einiger Ungenauigkeiten lohnt die Lektüre, weil - im Unterschied zur George-Biographie von Thomas Karlauf in der „FAZ“ - das Pathos der „deutschen Erhebung“ (Stauffenberg) und der Schmerz über das Scheitern der Selbstbefreiung in jeder Zeile hervortritt. Riedel erinnert an den von Stauffenberg angeregten „Schwur“, der die Verschwörer zum Zusammenhalt gegen die mögliche Besetzung Deutschlands verpflichtete: „Wir glauben an die Zukunft der Deutschen. Wir wissen im Deutschen die Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen ...“ Herbert Ammon

Manfred Riedel: „Geheimes Deutschland - Stefan George und die Brüder Stauffenberg“, Böhlau, Köln 2006, 267 Seiten, 24,90 Euro, Best.-Nr. 6374


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