20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.10.07 / Einmal ans Ende der Welt und zurück / Timbuktu: Abenteuerbericht über eine Reise in die geheimnisvolle Stadt der Wüste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Einmal ans Ende der Welt und zurück
Timbuktu: Abenteuerbericht über eine Reise in die geheimnisvolle Stadt der Wüste
von Thomas Winzker

Neben dem Lufttransport gibt es auch noch zwei andere Möglichkeiten von Bamako, Malis Hauptstadt, nach Timbuktu zu gelangen, doch aus Gründen niedrigen Wasserstands und mangelnder Zeit sind wir gezwungen, auf Fluß-Piroge und Jeep zu verzichten und zu versuchen, einen der drei wöchentlichen Flüge mit Air Mali in die Stadt des geheimnisvollen Volks der Tuareg zu ergattern. Die Buchung in Bamako ist wahrlich eine Herausforderung. Denn Reservierungen sind kaum und wenn, dann nur kurzfristig möglich, weil funktionierende Computersysteme zu Air Mali noch nicht vorgedrungen sind. „Kreditkarte?“ „Non Monsieur, je suis désolée“, sagt da die Dame, die auf dem Kopf einen ganzen Turm bunt bedruckter Stoffe trägt, bedauernd lächelnd: Bezahlt wird nur in bar. Gut. Die Tickets, noch handschriftlich ausgefüllt, halten wir schließlich in der Hand und sind dankbar: Timbuktu ist uns sicher, nichts mehr kann jetzt dazwischen kommen. Oder? Im hübsch am Niger gelegenen Hotel Mandé bestelle ich vollmundig ein Zimmer im Hotel Bouctou. Das klingt hübsch, und ebenso hübsch scheint es im Ort zu liegen. Stutzig hätte mich nur machen sollen, daß der Rezeptionist mir den Hörer in die Hand drückt, er verstünde seinen Landsmann nicht. Freundlich reiche ich kurz darauf das Telefon zurück - Alles klar, Zimmer gebucht! - und lege triumphierend noch einen drauf: Wir werden sogar von einem Shuttle abgeholt!

Tags drauf stehen wir um vier Uhr morgens mit leichtem Gepäck vor dem Hotel parat, doch leider versäumt es der bestellte Fahrer, den Termin zu so früher Stunde wahrzunehmen. Und die Rezeption ist noch nicht besetzt! Doch Glück im Unglück muß man haben. Auch ein anderer Hotelgast, offensichtlich ein Hochoffizieller des Landes, muß zum Flughafen. Gnädigerweise nimmt er uns mit. Schließlich sitzen wir, man glaubt es kaum, nach den vielen Stunden Wartens und mehreren Zurückweisungen vor dem Einstieg - weil ein Formblatt nicht ausgefüllt und die Steuer nicht bezahlt war - in dem Flugzeug, das, wie man erzählt, in Rußland ausgemustert wurde. Aha, daher die Gardinen vor den Fenstern …

Gespannt blicken wir durch die trüben Scheiben, als wir nach überraschend ruhigem Flug endlich landen - auf einer Sandpiste. Freudig stellen wir fest, daß sogar der „Shuttle“ für uns bereit steht, ein roter VW-Käfer, den wir allerdings erst anschieben müssen, weil er keine Zündung mehr hat. Von wegen Shuttle: Zu spät merken wir, daß wir Gaunern aufgesessen sind, die ein Vermögen für die kurze Strecke von wenigen Kilometern verlangen. Ringsum ist eben Wüste, da steigen die Preise. Die erste Niederlage haben wir hinter uns, als wir das Hotel Bouctou betreten, das nicht eben einladend wirkt. Aber was soll’s: Hauptsache ein Zimmer ist vorbereitet, um den dringend benötigten Schlaf nachzuholen. „Reservierung? Nein, sicher nicht. Das Haus ist ausgebucht! Die Paris-Dakar Rallye, vous comprenez?!“ Uns schwant Schlimmes, als wir dies erfahren. Die Wüsten-Rallye war nicht eingeplant … Die Alternative ist das angeblich beste Haus am Platz, das Hotel Azalai, am jenseitigen Rand der Sandpfanne gelegen. Tatsächlich hätte man dort ein Plätzchen, doch nur im Büro, zwei Matratzen auf dem Boden. Und das für das Doppelte des üblichen Zimmerpreises. „Paris-Dakar-Rallye! Das kostet eben …“, lautet die schnöde Antwort der hochnäsigen Empfangsdame. Wir sind empört … und beißen in den sauren Apfel. Zurück im Bouctou erzählen wir dann vom Erfolg bei der Konkurrenz - und plötzlich gibt’s auch hier für uns ein Zimmer. Gerne durchqueren wir ein weiteres Mal die Sandpfanne, ignorieren erneut zahllose Tuareg-Kinder, „Chameaux, chameaux!“ - plärrend ohne Unterlaß ihre Kamele anpreisen -, und sagen im Hotel Azalai lustvoll ab.

Mittlerweile ist es Abend, und wir haben von der Stadt noch nichts gesehen. „Morgen ist auch noch ein Tag!“, sinnieren wir bei Bier, Kebab und farbenfrohem Sonnenuntergang auf der Terrasse mit pittoreskem Blick in die weite Wüste. Am nächsten Tag ist unsere Hauptaufgabe zunächst, den Flug nach Bamako bestätigen zu lassen, besichtigt wird später. Doch als Air Mali -, Repräsentant Monsieur Doucouré sein Büro endlich öffnet, ist es sogleich von verletzten Rennfahrern belagert. Hartnäckig beharren wir in böser Vorahnung darauf, so etwas wie einen Rückbestätigungsstempel auf die Tickets zu bekommen. Doch Monsieur Doucouré weigert sich hartnäckig. Er würde sich schon an unsere Gesichter erinnern.

Endlich Zeit für die schönen Seiten der Wüstenstadtlegende, im Schlepptau zehn Kinder, an deren fröhliches Geplapper wir uns langsam gewöhnen. Sie führen uns zu der stimmungsvollen Moschee Sankore und zur kleinen Sidi Yahia Moschee, beide aus dem 15. Jahrhundert, sowie zu der größten, der Djinger-ber-Moschee aus dem 14. Jahrhundert. Mit ihren bizarren Lehmtürmen sind alle drei eindrucksvolle Paradebeispiele für die Sahel-Architektur. Und alle drei sind wie das gesamte Stadtbild der eindeutige Beweis, daß das goldene Zeitalter der Stadt der Vergangenheit angehört. Nur die massiven Holztüren mit ihren prachtvollen und kostbaren Beschlägen zeugen noch von den großen Tagen des einstigen Zentrums islamischen Wissens. Das hat großen Reiz, befand wohl auch Heinrich Barth, der deutsche Entdeckungsreisende, der hier seine Spuren hinterlassen hat, als er im 19. Jahrhundert eines der Bürgerhäuser bezog, um seine Studien zu betreiben. Beim kalten Bier stellen wir abends fest, daß es sich lohnt, herzukommen. Erklären können wir das nicht, es muß die Atmosphäre des Geheimnisvollen sein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die blau-schwarz gewandeten Tuaregs, die uns neugierig und unnahbar zugleich beobachten. Die Medikamente, die wir ihnen anbieten, weil einer ihrer Männer krank ist, nehmen sie gerne, und endlich hellen sich ihre Mienen auf, und sie werden gesprächig. Sogar den tiefschwarzen Schech, eine Art Turban, der nur die Augen freiläßt, legen sie nun vor uns ab.

Der Tag des Abflugs ist gekommen, so bangen wir zumindest, denn nur so ist es uns möglich, den Flug von Bamako nach Europa zu erreichen. Lange vor der Zeit sind wir am Flugplatz, warten in der Baracke, die die Abflughalle sein soll, zunächst vergeblich. Sollte der Flug nicht in zwei Stunden gehen? Ein Holländer klärt uns auf, der Flug habe Verspätung, wie viel, sei ungewiß. Die Stunden des Wartens ziehen sich, neun Uhr, zehn, elf, zwölf. Die Baracke hat sich langsam mit Ausländern gefüllt, Malinesen sind noch keine zu sehen. Die haben eben einen besseren Draht zu Monsieur Doucouré! Und plötzlich ist er da, Monsieur Doucouré, der Meister des malischen Flugverkehrs. Gewissenhaft breitet er seine Unterlagen aus, weist Fragen gewohnt unwirsch ab. Wann und wohin eine Maschine gehen wird, liegt eben in den Händen Allahs, und auch woher das Flugzeug kommen soll. Als die Maschine zum Einstieg bereit ist, schlägt wieder das unerbittliche System Timbuktus zu. Der Bürgermeister, im langen Boubou gewandet, übernimmt selbst das Reglement des Bordens: Zum Schluß die ausländischen Männer. Doch längst nicht alle, denn auch jetzt trifft der Bürgermeister seine Wahl: Wer zuvor gedrängelt hat, wird vom Transport ausgeschlossen. Auch so kann man das Problem überbuchter Maschinen lösen!

Man kommt wohl nur einmal im Leben nach Timbuktu, denken wir, als wir erleichtert in die Sessel sinken und uns hinter den Gardinen zurücklehnen. Doch dies eine Mal brennt sich tief in die Erinnerung ein. Nein, wir bereuen den Besuch ganz sicher nicht - trotz allem. Als wir abheben, werfen wir selig einen letzten Blick zurück auf die Wüstenstadt und freuen uns auf zuhause - unser Zuhause in Bamako! Wer hätte das gedacht …

Dieser Anblick ist nur wenigen Europäern vergönnt: Die Reise zur Moschee in Timbuktu ist extrem beschwerlich. Foto: Ricore


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren