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06.10.07 / Spätwirkungen des Tilsiter Frieden / Seminar der Academia Baltica in Königsbergs Deutsch-Russischem Haus begab sich auf Spurensuche

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Spätwirkungen des Tilsiter Frieden
Seminar der Academia Baltica in Königsbergs Deutsch-Russischem Haus begab sich auf Spurensuche
von Hans Dzieran

Den Abschluß des Tilsiter Friedens hat die Lübecker Academia Baltica zum Anlaß genommen, um im Rahmen eines Seminars der Frage nachzugehen, welche Rolle der Tilsiter Frieden im kollektiven Gedächtnis der Deutschen spielte und welche Bedeutung er heute für die in Ostpreußen lebenden Russen hat. Die deutsch-russische Veranstaltung unter der Leitung von Dr. Christian Pletzing fand im idyllisch gelegenen Deutsch-Russischen Haus am Königsberger Kupferteich statt. 70 Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland, dem Königsberger Gebiet, Litauen und Frankreich waren der Einladung gefolgt.

Zwei Monate zuvor war es schon einmal um die Auswirkungen des Friedensschlusses von 1807 gegangen - auf einer wissenschaftlichen Konferenz, die russische Institutionen im Tilsiter Hotel Rossija unter das Thema „Der Tilsiter Frieden als Prototyp des Europäischen Hauses“ gestellt hatten. Auf dieser Konferenz wurde das Tilsiter Vertragswerk von den dort versammelten Historikern und Politologen vor allem hinsichtlich der russischen Kompromißbereitschaft als Sieg der Diplomatie gewertet und generell seine unterstellte Vorbildwirkung für eine Einigung Europas herausgestellt. Dort seien die Grundlagen europäischer Politik gelegt worden.

Hier nun, auf dem viertägigen deutsch-russischen Seminar, ging es um mehr. Das Vortragsprogramm spannte einen weiten Bogen von der Suche nach geschichtlichen Spuren im Gedächtnis der Preußen, Russen und Franzosen über Erinnerungen an historische Orte wie Tilsit und Personen wie Königin Luise und Max von Schenkendorf hin zur aktuellen Dimension des Geschehens vor 200 Jahren. Dabei war die Frage von Interesse, wie das historische Erbe auf die heutigen Bewohner wirkt und einen Begegnungsraum schafft für Russen, Litauer, Deutsche und andere.

Die kriegerischen Ereignisse auf ostpreußischem Boden und der napoleonische Triumph wurden in Vorträgen von Boris Adamow, Georgij Ignatow und Maria Schultz sehr anschaulich dargestellt. Es gibt zahlreiche Erinnerungsstätten, Gedenktafeln, Schauvorführungen in historischen Uniformen und Vereine für Regionalforschung, die sich des Themas annehmen. Auch im russischen Schulunterricht wird die Geschichte wachgehalten. In der Diskussion wurde von den deutschen Teilnehmern mit Erstaunen festgestellt, wie intensiv man sich des preußischen Erbes annimmt und wie man unter dem Gesichtspunkt der patriotischen Erziehung die russisch-preußische Waffenbrüderschaft schätzt. Bei einer Exkursion nach Tilsit konnten sich die Teilnehmer im dortigen Stadtgeschichtlichen Museum ein Bild davon machen.

Zur Verarbeitung und Behandlung des Themas in der Geschichtsschreibung, Belletristik und Malerei Frankreichs referierte Olivier Mathieu. Wegen der europäischen Dimension des Tilsiter Friedens war vor allem die russische Seite bemüht, eine Brücke zur Gegenwart zu schlagen. Wladimir Michailow, Vertreter der Hamburger Handelskammer in Königsberg, vermittelte den Zuhörern das etwas euphorische Bild eines dynamischen wirtschaftlichen Aufschwungs im Königsberger Gebiet im allgemeinen und in der Gebietshauptstadt im besonderen. Nach seinen Worten gibt es bereits 380 Unternehmen mit deutscher Beteiligung und eine Fülle von Projekten, die von ihm begleitet werden. Die Bundesrepublik Deutschland sei der größte Handelspartner, wenngleich es auf dem Gebiet der Investitionen nur Rang 4 einnehme. Hier werde noch mehr Engagement von deutscher Seite erhofft. Der Konsul der Bundesrepublik, Dr. Guido Hertz, bekräftigte in seinen Ausführungen, daß Moskau das Gebiet wegen seiner globalen Konstellation als vorgeschobenen Wirtschaftsfaktor für Europa betrachte und der politische Wille vorhanden sei, diese Situation entsprechend zu nutzen.

Diese Auffassung teilte auch Peter Wunsch, der Leiter des Deutsch-Russischen Hauses, der den Teilnehmern nahelegte, viele noch vorhandene Probleme im Kontext des derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungsstadiums zu sehen und nicht nur mit deutscher Brille zu betrachten. Ihm wurde besonderer Dank zuteil für die einwandfreie Organisation des Seminarablaufs, für die Betreuung der Teilnehmer und für den simultanen Übersetzungsdienst.

Das rege Interesse und die Debattierfreudigkeit aller Teilnehmer wurde abschließend von Dr. Pletzing nicht ohne Grund als sehr erfreulich gewürdigt. Die Themen waren gut gewählt und boten viele Ansätze zum weiteren Nachdenken - ein Grund mehr, die interessante Thematik auch bei künftigen Vorhaben zu berücksichtigen.


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