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06.10.07 / Als sich die Fesseln der Sklaverei lösten / Museen Englands thematisieren die Abschaffung des Menschenhandels, die vor 200 Jahren beschlossen wurde

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-07 vom 06. Oktober 2007

Als sich die Fesseln der Sklaverei lösten
Museen Englands thematisieren die Abschaffung des Menschenhandels, die vor 200 Jahren beschlossen wurde
von Klaus J. Groth

Niemand verschleppte so viele Menschen in die Sklaverei wie die Engländer. Das ist eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Insel. Niemand setzte sich nachdrücklicher für die Abschaffung der Sklaverei ein. Das ist eines der hellsten Kapitel in der Geschichte. Vor 200 Jahren wurde es geschrieben. In diesem Jahr erinnert sich England daran. Mit der Eröffnung neuer Museen.

Auf St. Barthelemy (St. Barts) wächst kein Zuckerrohr. Die Bevölkerung ist überwiegend weiß. Auf St. Kitts wächst Zuckerrohr. Die Bevölkerung ist überwiegend schwarz. Beide Inseln liegen in der Karibik, nur einen Tagestörn mit dem Segelboot von einander entfernt. Und doch ist es, als trennten Welten St. Bart von St. Kitts. Das machte der Zucker. St. Kitts brauchte viele schwarze Arbeiter für seine Zuckerrohrplantagen. St. Barts benötigte allenfalls ein paar schwarze Hausdiener. Und so können die Leute auf St. Barts heute auf Vorfahren aus der Normandie und der Bretagne verweisen. Die Leute von St. Kitts wissen nicht so genau, woher ihre Vorfahren kamen, jedenfalls von irgendwo im westlichen Afrika, soviel steht fest. Von dort hat man sie als Sklaven nach St. Kitts und auf die vielen anderen Inseln der Karibik verschleppt. Überall dorthin, wo Zuckerrohr wächst. St. Kitts war die erste Insel der Karibik unter britischer Verwaltung (ab 1738), die Sklaven aus Afrika auf die Zuckerrohrfelder holte.

Mit St. Kitts begann eines der schwärzesten Kapitel in der Geschichte der Sklaverei. Und zugleich eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Englands. Niemand stieg so massiv in den Menschenhandel ein wie die Briten. Vier Millionen Sklaven wurden auf englischen Schiffen in Richtung Neue Welt verfrachtet - in Ketten gelegt, an Balken gebunden oder von der eigenen Schwäche gefesselt.

Die Häfen Liverpool und Bristol - strategisch für diesen Zweck günstiger gelegen - liefen London den Rang als Umschlagplatz für Menschenware ab. Insbesondere Liverpool - zuvor ein klägliches Fischerdorf - wuchs dank des transatlantischen Handels zum Welthafen. Von Liverpool gingen die Frachtsegler ab in Richtung Afrika, beladen mit Kleidern, Musketen oder Pflügen. Kamen sie zurück, waren die Frachträume voll gepfercht mit gegen diese Lieferungen getauschten Sklaven. Aus der Karibik, Nord- und Südamerika kommend, machten zugleich Segler in Liverpool fest, beladen mit Zucker, Baumwolle und Kaffee. Legten sie wieder ab, waren ihre Schiffsbäuche gefüllt mit menschlicher Fracht für die Plantagen in Übersee. Liverpool ist mit diesen Dreiecksgeschäften reich geworden. 60 Prozent des britischen und 40 Prozent des europäischen Sklavenhandels gingen über Liverpool. Das in diesem Jahr zum 200. Jahrestag des Gesetzes zur Abschaffung der Sklaverei in Liverpool eingeweihte „International Slavery Museum“ soll an diese dunkle Seite der Geschichte erinnern.

Die Schufterei der Sklaven in Übersee bescherte Europa - insbesondere England - bis dahin in dieser Fülle unbekannte Genüsse. Binnen kurzer Zeit wurden die Briten Zuckerschlecker. Nirgendwo war der Verbrauch der zuvor nahezu unerschwinglichen Süßigkeit größer. Tabak und Kaffee verschönerten den Alltag. Alles das waren Produkte, die nur mit dem Einsatz schwarzer Sklaven preisgünstig auf den Markt zu bringen waren.

Die Produzenten auf den westindischen Inseln der Karibik und in den spanischen Kolonien waren die ersten, die den ökonomischen Vorteil von Sklaven erkannten. Und sie wurden beliefert. Auf Jamaika, Barbados und Trinidad lebte 1790 eine Bevölkerung von 524000 Sklaven, für die französischen westindischen Besitzungen wurden 643000 Sklaven verzeichnet. In den Besitzungen anderer Mächte wie Spanien, den Niederlanden und Dänemark gab es ebenso viele Sklaven.

Der Nachschub riß nicht ab. Ein Sklavenleben währte in der Regel nicht lange. Mit 1,7 Millionen Sklaven sorgten die Engländer zwischen 1600 und 1800 für eine florierende Wirtschaft in den westindischen Besitzungen. Setzt man diese Zahl in Relation zu den auf den Inseln lebenden Sklaven, so wird deutlich, wie groß der Verlust an Menschen gewesen ist.

In den Norden des amerikanischen Kontinents kam die Sklaverei eher durch einen unglücklichen

Zufall. Ein niederländisches Schiff mit schwarzen Sklaven an Bord war in einem Sturm von seinem Kurs zu einer karibischen Insel abgekommen und in Jamestown (Virginia) gelandet. Kurzerhand bot der Kapitän seine menschliche Fracht zum Verkauf an, ehe sie ihm verkam. Am 20. August 1619 konnte er sie erfolgreich losschlagen. Skrupel irgendwelcher Art plagten weder Verkäufer noch Käufer.

Erst zwei Jahrhunderte später versuchte sich mancher moralisch mit dem Hinweis zu retten, die englischen und anderen europäischen Kauf- und Seeleute hätten schließlich nur für die Logistik gesorgt, indem sie die Schiffe stellten. Die wahren Menschenjäger, das seien Araber und schwarze Fürsten gewesen, sie erst hätten verläßlich für frischen Nachschub gesorgt. (Das stimmt. Nur sollte man der Vollständigkeit halber hinzufügen, daß auch auf dem Sklavenmarkt das Angebot nur bei entsprechender Nachfrage funktioniert.)

Mit dem Slave Trade Act vom 25. März 1807 beendete Großbritannien seinen Sklavenhandel. Ein langer, heftiger Streit war dem vorausgegangen. Er wurde vor allem von den Quäkern unter dem Wortführer William Wilberforce ausgefochten. Deren moralische Argumente erwiesen sich als durchschlagender als die ökonomischen der Kaufleute - zumal die Erträge des überseeischen Investments ohnehin gerade schwächelten.

Dennoch: Allen Beteiligten war bewußt, daß ein einseitiger Verzicht auf den Einsatz von Sklaven auf den Plantagen Großbritanniens wirtschaftlich ins Aus drängen würde. Deshalb setzten die Engländer einen beispiellosen Feldzug gegen den Sklavenhandel in Gang. Er wurde mit moralischen Argumenten geführt, hatte aber die Erhaltung der wirtschaftlichen Vormachtstellung zum Ziel. Dänemark und die USA verboten den Sklavenhandel zum gleichen Zeitpunkt. Kleinere Nationen wie Schweden und Holland folgten bald. Spanien, Portugal, Brasilien und Frankreich sträubten sich. Erst nach dem Erlaß von Schulden in Höhe von mehreren Millionen Pfund untersagten 1853 auch die iberischen Länder den Sklavenhandel. Brasilien wurde mit der Androhung einer britischen Seeblockade zur Raison gebracht.

In Frankreich allerdings, wo sich deutlich früher als in England eine Bewegung gegen die Sklaverei etabliert hatte, mochte man die britische Einmischung gar nicht. Von den Engländern wollte man sich nicht bevormunden lassen. Darum dauerte es noch beinahe 50 Jahre, ehe auch die Franzosen den Sklavenhandel aufgaben.

Auch auf diesen Kampf gegen die Sklaverei wird die größte Ausstellung dieses Jahres hinweisen. Sie wird am 10. November eröffnet und ist „London, Zucker und Sklaverei“ betitelt. Die Ausstellungsräume im Londoner Museum in Docklands waren ehedem ein Zuckerlager.

Bild: Sklavenmarkt in Havanna: Ein Händler offeriert Plantagenbesitzern seine „Ware“. Foto: pa


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