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13.10.07 / »Ostpreußen im Zeitalter Napoleons« / Vor vollem Haus bot das Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen im Ostheim viel Wissenswertes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

»Ostpreußen im Zeitalter Napoleons«
Vor vollem Haus bot das Geschichtsseminar der Landsmannschaft Ostpreußen im Ostheim viel Wissenswertes

Ostpreußen im Zeitalter Napoleons“ lautete der Titel des Geschichtsseminars, zu dem die Landsmannschaft Ostpreußen (LO) für den 28. bis 30. September ins Ostheim nach Bad Pyrmont geladen hatte. Da mehr als 60 Personen Interesse bekundet hatten, konnten leider nicht alle, die wollten, an der vom Bundesgeschäftsführer der LO Dr. Sebastian Husen geleiteten Veranstaltung teilnehmen.

 Zur Einführung in die Thematik begann das Seminar am Freitagabend mit der Vorführung eines kulturellen Leckerbissens, der in Ostpreußen um die Befreiungskriege spielt, der Verfilmung von Hermann Sudermanns Klassiker „Der Katzensteg“ mit Jan Niklas, Hanna Schygulla, Paul Dahlke, Matthias Ponnier, Heinz Moog, Charles Regnier, Heinz Meier, Claudia Rieschel und Christina Steiner aus dem Jahre 1975.

 Derart thematisch eingestimmt, konnten am Sonnabend die Vorträge beginnen. Den Anfang machte Dr. Wieslaw Roman Gogan vom Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen mit einem Referat über „Napoleon in Ostpreußen und die Schlacht bei Pr. Eylau“ vom 7. und 8. Februar 1807. Geschickt unterstützte der Vortragende seine Einführung in die etwas trockene militärgeschichtliche Materie durch vielfältiges Kartenmaterial. Im Anschluß an die Ausführungen entspann sich eine kontroverse Diskussion, ob die Vorteile bei der gemeinhin als unentschieden geltenden Schlacht eher bei den Franzosen oder bei den Russen und Preußen lagen. Der Referent verwies darauf, daß die Russen und Preußen mehr Tote und Verwundete zu beklagen hatten - nämlich 26000 gegenüber 19000 bei den Franzosen - und sie nach der Schlacht ihren Rückzug fortsetzen. Er leitete daraus den Schluß ab, daß man eher von einem Vorteil für die Franzosen zu sprechen habe. Hingegen wurde aus der Zuhörerschaft darauf hingewiesen, daß die angegriffenen Russen und Preußen das Schlachtfeld hätten behaupten können und dieses für die Beurteilung des Schlachtenausganges entscheidend sei.

 Es folgte ein Vortrag von Horst Mertineit über den Frieden von Tilsit. Der Tilsiter Stadtvertreter nutzte die Gelegenheit, um von den Jubiläumsfeierlichkeiten in Tilsit einschließlich der dortigen wissenschaftlichen Tagung zu dem Thema lebendig zu berichten. Viel hatte er zu erzählen, denn schließlich war er als Vertreter der deutschen Tilsiter dabeigewesen. Nach dem eher wissenschaftlichen Vortrag Gogans bot Mertineits freie Rede, die sich wie bei diesem Mann üblich durch trockenen Humor und herrliche Selbstironie auszeichnete, eine reizvolle Abwechslung.

 Nach dem Mittagessen führte Dr. Stefan Hartmann mit viel Empathie und Sympathie in die Biographie Königin Luises ein. Darüber hinaus bot der Archivdirektor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz einen Einblick in die Entwicklung und Veränderung des Mythos um die Königin über die Jahrhunderte. Seine These, daß sich die Königin in ihrer Aufgabe als Landesmutter verzehrt habe und ihr früher Tod darauf zurückzuführen sei, nämlich auf totale Erschöpfung, blieb nicht unwidersprochen. So wies Dr. Heinrich Lange darauf hin, daß bei einer Obduktion der Leiche ein Polyp im Herzen entdecktwurde und sich ein Lungenflügel als zerstört erwiesen hat. Das Ergebnis war eine interessante Diskussion über die Frage, inwieweit Luises unermüdlicher Einsatz für Staat und Volk ihr Leben verkürzt hat und ungünstige Lebensumstände dazu führen können, daß eine bereits vorhandene Krankheit tödlich verläuft.

 Der nachfolgende Referent, Dr. Manuel Ruoff, begann seine Ausführungen mit einem Vergleich zwischen dem heutigen Engagement Deutschlands als Juniorpartner der USA in Afghanistan mit dem Engagement Preußens als Juniorpartner Frankreichs in Rußland vor 195 Jahren. Der PAZ-Redakteur beschrieb dann den allmählichen Seitenwechsel Preußens weg von Frankreich hin zu Rußland, wobei „die Konvention von Tauroggen und die Erhebung der ostpreußischen Landstände“ einen Schwerpunkt darstellten. Während Hartmann in seinem vorausgegangenen Vortrag beklagt hatte, daß in der NS-Zeit ein zu negatives Bild vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. gezeichnet worden sei, um dessen Frau um so strahlender erscheinen zu lassen, hielt Ruoff in seinem Referat nun dem König vor, nach der Konvention von Tauroggen und der Erhebung der ostpreußischen Landstände zu lange am Bündnis mit Napoleon festgehalten zu haben. Das Ergebnis war eine angeregte Diskussion darüber, wie das Verhalten Friedrich Wilhelms zu beurteilen ist.

 Nachdem bis dahin vornehmlich vom französischen Kaiser, dem russischen Zaren, dem preußischen Königspaar sowie diversen Staatsmännern und Generälen die Rede gewesen war, setzte Ruth Geede dem allen nach dem Abendbrot den alltagsgeschichtlichen i-Punkt auf. Sie hatte es sich zum Ziel gesetzt, zu beschreiben, wie die Masse, das einfache Volk die napoleonische Zeit in Ostpreußen erlebt und erlitten hat. Dabei konnte die begnadete Erzählerin aus der Geschichte ihrer eigenen Familie schöpfen. Geschickt band die Mutter der ostpreußischen Familie dabei Lesungen aus eigenen, aber auch aus Werken anderer ostpreußischer Literaten ein. Nach geschlagenen zweieinhalb Stunden mußte Husen als Seminarleiter diesem Höhepunkt des Seminars aus Rücksicht auf die Gesundheit der Vortragenden und die Aufnahmefähigkeit der Zuhörerschaft leider ein Ende setzen.

 Am Sonntagvormittag standen zwei Biographien auf dem Programm. Den Anfang machte ein Vortrag von Sabine Siegert über Theodor Gottlieb von Hippel, und zwar nicht über den von 1741 bis 1796 lebenden Kommunalpolitiker und Schriftsteller, den sogenannten Älteren, sondern über dessen Neffen, den von 1775 bis 1843 lebenden preußischen Beamten, Staatsmann und Publizisten, den sogenannten Jüngeren. Obwohl Staatsrat im Kabinett von Staatskanzler Karl von Hardenberg und später Regierungspräsident in Marienwerder, trat er nie so hervor wie die leitenden Persönlichkeiten, doch gehört er nichtsdestoweniger in den Kreis der Männer hinein, die wie Alexander zu Dohna-Schlobitten, Theodor von Schön und Hans Jakob von Auerswald in Ostpreußen die eigentlichen Führer der Bewegung waren, und ward von ihnen als Gleicher, als Freund gekannt und geschätzt. Ihm wird sogar nachgesagt, daß es in der Franzosenzeit keinen gegeben habe, der sich ihm an Opferwilligkeit und rastloser Arbeitsfreudigkeit voranstellen ließe. Hippels Thematisierung im Rahmen des Seminars rechtfertigt allein schon sein berühmtes Werk, der Aufruf des preußischen Königs vom 17. März 1813 „An mein Volk“. Besondere Lebendigkeit gewann Siegerts Vortrag durch ihre emotionale Bindung zu ihrem Thema; preußisch-bescheiden mit verlegenem Lächeln „outete“ sie sich als einer von Hippels direkten Nachfahren.

 Den Schlußpunkt setzte Dr. Heinrich Lange mit einem Vortrag über den „Heerführer Graf Bülow v. Dennewitz und sein Dotationsgut Schloß Grünhoff“. Friedrich Wilhelm Freiherr von Bülow, Graf von Dennewitz kam 1755 auf dem in der Altmark gelegenen Familiengut Falkenberg zur Welt. 1793 wurde er als Major zum militärischen Begleiter des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen ernannt. 1795 wurde er zur ostpreußischen Füsiliergarde versetzt und erhielt 1797 ein Bataillon. Am Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 nahm er unter Anton Wilhelm von L’Estocq teil. Er kämpfte bei Thorn und bei Danzig und diente sowohl unter Gebhard Leberecht von Blücher als auch unter Ludwig Yorck von Wartenburg. 1812 machte man ihn als Vertreter Yorcks zum stellvertretenden Generalgouverneur von Ost- und Westpreußen. 1813 besiegte er gemeinsam mit Bogislav Friedrich Emanuel von Tauentzien in der Schlacht bei Dennewitz den legendären französischen Marschall Michel Ney und fügte den Franzosen derart beträchtliche Verluste bei, daß Berlin endgültig gerettet war, daher der Titel Graf von Dennewitz. 1815 war er nach Napoleons Rückkehr in der Entscheidungsschlacht von Belle-Alliance ein wichtiger Faktor zum endgültigen Sieg über den Kaiser der Franzosen. 1816 kehrte Bülow auf seinen Posten als Kommandierender General von Ost- und Westpreußen nach Königsberg zurück. Dort verstarb er noch im selben Jahr an den Folgen einer Erkältung.

 Nach dem Mittagessen hieß es dann leider Abschiednehmen. Es ist der Landsmannschaft Ostpreußen nur zu wünschen, daß ihr Bundesgeschäftsführer als Organisator ihrer Geschichtsseminare auch beim nächsten Mal bei der Wahl des Themas und der Zusammenstellung des Programmes wieder ein so glückliches Händchen hat wie diesmal, auf das auch dann mindestens so viele Anmeldungen vorliegen wie Plätze. E.B.


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