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13.10.07 / »Europa im Geiste Jesu Christi erneuern« / Vor 20 Jahren, am 16. Oktober 1987, starb Kölns Erzbischof Joseph Kardinal Höffner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-07 vom 13. Oktober 2007

»Europa im Geiste Jesu Christi erneuern«
Vor 20 Jahren, am 16. Oktober 1987, starb Kölns Erzbischof Joseph Kardinal Höffner
von Manfred Müller

Der 1906 im damals preußischen Horhausen im Westerwald geborene Bauernsohn Joseph Kardinal Höffner war 17 Jahre lang Professor, 25 Jahre Bischof, elf Jahre Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Höffner scheute sich nicht, in einer Zeit, in der von vielen Mitbürgern Werte wie Heimat, Volk, Nation, Vaterland bespöttelt, abgelehnt oder zynisch zersetzt wurden, klare Richtweisungen zu geben. Dem Bischof mißfiel sehr, daß vielerorts Vaterlandsschelte an die Stelle von Vaterlandsliebe getreten war. Wiederholt forderte er die Katholiken auf, eine Vaterlandsliebe zu praktizieren, deren Wesens Kern er als eine „sittliche Pflicht“ bezeichnete, die zu einer „lebendigen Anteilnahme am Wohl und Wehe des Volkes“ führen müsse. Vaterlandsliebe bedeute Treue auch in Zeiten von Leid und Not. Das schließe auch den Schmerz ein über die „Flecken, die das Bild, das wir von ihm, dem Vaterland, im Herzen tragen, beschmutzen“.

 Die Siedlungsgeschichte des Deutschen Ostens war Höffner von seinen Studien her wohlvertraut. 1939 veröffentlichte der junge Geistliche seine zweite theologische Dissertation unter dem Titel „Bauer und Kirche im deutschen Mittelalter“. Hier brachte er seine Kenntnisse über die deutsche Ostsiedlung (und die der Mönchsorden in diesem Zusammenhang) ein. Mit diesem Thema beschäftigte er sich auch in einer kleinen Monographie. In seiner Dissertation schrieb Höffner: „Schon im 10. Jahrhundert waren Teile der Gebiete östlich der EIbe militärisch in deutschem Besitz. Dauernd für Deutschland gewonnen wurden sie jedoch erst durch die Ansiedlung deutscher Bauern in der Zeit vom 12. bis zum 14. Jahrhundert. Politische, religiöse und wirtschaftliche Gründe wirkten bei diesem großartigen Siedlungswerk mit: Man wollte einen festen Wall gegen die slawischen Völker schaffen; damit wurde das Land auch für das Christentum gewonnen und zugleich wirtschaftlich erschlossen.“

 Mit der Vorstellung vom „festen Wall“ würde Höffner bei heutigen Historikern keine Zustimmung finden, denn dies ist eine typische Anschauungsweise des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Aber Höffners abschließendes Urteil hat auch heute Bestand: „Es war eine große, segensreiche Tat, die damals im Osten unseres Vaterlandes vollbracht wurde: weite, fruchtbare Gegenden wurden friedlich für das deutsche Volk erobert.“ Bei dem Begriff „Osten“ hatte Höffner natürlich nicht den heute amtlich verordneten Bedeutungsinhalt von „Ostdeutschland“ im Sinn, sondern er verstand darunter das Land „zwischen EIbe und Weichsel“. Nicht nur für „Altdeutschland“ , sondern auch für dieses „Kolonisationsland“ galt Höffners Feststellung: „Wie christlich und zugleich wie bodenständig und völkisch war doch die deutsche Dorfkultur des Mittelalters: das Dorfkirchlein, die Bildstöcke und Wegkreuze, der Bauernhof und die Bauernstube, das ganze Denken und Fühlen dieser christlichen deutschen Menschen!“ Hier spürt man deutlich Höffners Abwehrhaltung gegen die neuheidnischen Blut-und-Boden-Propagandisten des Jahres 1939.

 Nach dem Zweiten Weltkrieg war Höffner die Versöhnung mit dem polnischen Volk ein Herzensanliegen. Anläßlich der Pilgerreise einer deutschen Bischofsdelegation nach Polen im September 1980 sagte der Kardinal als Delegationsleiter: „Bei den Gesprächen mit unseren polnischen Mitbrüdern haben wir uns gegenseitig immer wieder darin bestärkt, daß wir nicht vergessen dürfen, was an Schrecklichem und Unmenschlichem geschehen ist, daß wir aber auch den Blick nicht ausschließlich zurückwenden dürfen. Die Aufgabe der Zukunft liegt vor uns, sie lautet: Europa im Geiste Jesu Christi erneuern.“ Es fragt sich, ob man dafür die historische Perspektive in Schieflage bringen muß. Dies war beispielsweise 1978 der Fall, als Höffner formulierte: „Millionen von Polen mußten aus dem Osten in die ihnen zugewiesenen Gebiete übersiedeln. Millionen Deutsche mußten ihre Heimat verlassen, in der ihre Väter und Vorfahren gelebt hatten.“ Zwischen den Zeilen konnte man bei Höffner in Verlautbarungen zu diesem Thema herauslesen, die Deutschen müßten auf die Ostgebiete verzichten - um einer deutsch-polnischen Freundschaft in Gegenwart und Zukunft willen. Höffner, den Güte, Hilfsbereitschaft, Sorge um das Wohl der Menschen auszeichneten, war in diesem Punkte, so wachsam er sonst war, dem Zeitgeist erlegen. Dies erstaunt um so mehr, als er entschieden die Vorstellung von einer deutschen Kollektivschuld ablehnte.


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