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20.10.07 / Eine Frage der Ehre / Ein Nationalspieler, gefangen zwischen Anspruch und den Zwängen der Realität / Von Florian Möbius

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-07 vom 20. Oktober 2007

Eine Frage der Ehre
Ein Nationalspieler, gefangen zwischen Anspruch und den Zwängen der Realität
Von Florian Möbius

Ein Spieler bittet seinen Trainer, für das kommende Auswärtsspiel nicht aufgestellt zu werden. Führt er dann noch persönliche Gründe an, ist an dieser Situation nichts Ungewöhnliches. Tut dieses aber ein Spieler, seines Zeichens gebürtiger Iraner, der deutschen Nationalmannschaft vor einem Länderspiel gegen Israel, bekommt das ganze – wie sagt der Schwabe: ein besonderes Geschmäckle.

Was war geschehen? Die deutsche Nationalmannschaft U 21 bestritt am 12. Oktober, im Rahmen der Qualifikation zur Europameisterschaft 2009, ein Qualifikationsspiel gegen Israel in Tel Aviv. Vier Tage vor dem anstehenden Spiel bat Ashkan Dejagah den Trainer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Dieter Eilts aus persönlicher Rücksichtnahme auf Familienangehörige im Iran, nicht für das EM-Qualifikationsspiel der U 21 am Freitag in Israel berücksichtigt zu werden.

Ein Wunsch, der von dem U 21-Spieler nicht näher begründet wurde. Durch sein unglückliches Verhalten setzt sich Dejagah, der mit 16 Jahren zu seinem iranischen auch den deutschen Paß bekam, dem Verdacht aus, aus politischen Motiven dieses Spiel abgesagt zu haben. Hat doch der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad allen iranischen Sportlern verboten, gegen Athleten aus Israel oder in Israel anzutreten. Diese Tatsache läßt durchaus Platz für Spekulationen und die 

Frage: Welchem Land fühlt Ashkan Dejagah sich verbunden?

Was folgte, war eine typische mediale Welle der politischen Empörung, die sich durch das Land wälzte. Mit markigen Worten meldeten sich da Bundespolitiker zu Wort. So zum Beispiel der Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag, Peter Dankert (SPD): „Wenn man in der Nationalmannschaft spielen will, muß man sich an Spielregeln halten und kann nicht einfach sein eigenes inakzeptables Süppchen kochen“. Ronald Pofalla, CDU-Generalsekratär, sieht den Fall ähnlich gelagert: „Die deutschen Nationalmannschaften, egal in welcher Sportart, sind immer auch Repräsentanten unseres Landes. Wer Deutschland im Nationaldreß vertritt, ob gebürtiger Deutscher oder Zugewanderter, muß sich zu unserer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft bekennen. Wer dies aus persönlichen oder politischen Gründen nicht will, muß das Trikot der Nationalmannschaft abgeben.“ Dieser Aussage schloß sich Bundesinnenminister Schäuble an: „Es muß ja keiner in der Nationalmannschaft spielen“.

Daß die Sorgen des jungen Nationalspielers um seine noch im Iran lebenden Verwandten nicht ganz unbegründet sind, bestätigt Johannes Reissner, Iran-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: „Das iranische System ist unberechenbar. Es arbeitet mit Verunsicherung. Das übt viel mehr Druck aus als jede Regel.“

Etwas, was gerade deutsche Politikern noch aus jüngster Vergangenheit wissen sollten. Wie viele Bewohner der DDR haben den Staat, in dem sie lebten, nicht verlassen, aus Angst vor Repressalien des Systems gegen ihre Angehörigen?!

Natürlich muß Dejagah ein bißchen mehr machen, als sich hinzustellen und zu sagen: „Ich spiele aus persönlichen Gründen nicht.“ Die Menschen dieser Nation dürfen von einem Nationalspieler schon erwarten, daß sich dieser erklärt. Schließlich gehört er zu den Besten des Landes in seiner Sportart und repräsentiert dieses Land.

So sieht es auch Theo Zwanziger, Präsident des DFB. Dieser wird nach seiner Rückkehr aus Israel das Gespräch mit U 21-Nationalspieler Ashkan Dejagah suchen. „Seine geistige Haltung wird entscheidend für seine Zukunft beim DFB sein. Identifiziert er sich wirklich mit dem, was im Iran stattfindet? Wir wissen, was wir von einem deutschen Nationalspieler zu erwarten haben. Jegliche Form von Diskriminierung und Antisemitismus hat keinen Platz im deutschen Fußball. Ich will, auch wenn sich im Moment jeder zu Wort meldet, mir erstmal ein Bild von der Argumentation des Spielers machen. Man muß Dejagah die Chance geben, seine Entscheidung noch einmal zu überdenken“, sagte Zwanziger. An diesem Gespräch sollen auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, der stellvertretende DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach, U 21-Trainer Dieter Eilts und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff teilnehmen.

Als unrühmlich kann man das Verhalten all derjenigen bezeichnen, die, ohne Kenntnis der genauen Umstände, von einem jungen Sportler fordern, Angehörige zu gefährden.
Sollte sich aber herausstellen, daß Ashkan Dejagah sich die iranische Politik zu eigen macht oder aber sich nur die Möglichkeit offenhalten will, in Zukunft für den Iran zu kicken, dann kann – nein dann muß – die Endscheidung lauten: Raus aus der Nationalmannschaft!

 

Zeitzeugen

Paul Breitner – Der 1951 in Kolbermoor geborene Fußballweltmeister von 1974 forderte vor der Weltmeisterschaft von 1978, bei der Übergabe des Weltmeisterschaftspokals „Argentiniens Generalen den Handschlag“ zu verweigern.

Lukas Podolski – Der Stürmer wurde 1985 in der Volksrepublik Polen geboren. Der gebürtige Gleiwitzer kam 1987 mit seiner Familie als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Den Zivildienst leistete der Spitzensportler 2005 im Olympia-Stützpunkt Köln-Bonn-Leverkusen ab, wo seine Wochenarbeitszeit 15 Stunden betrug. 2006 engagierte er sich als Botschafter für die Fußballweltmeisterschaft der Menschen mit Behinderung. Zur Zeit verdient der Kicker sein Geld beim FC Bayern München.

Kevin Kuranyi – Der Angriffsspieler des FC Schalke 04 kam 1982 in Rio de Janeiro zur Welt. Er ist in Panama aufgewachsen und besitzt deshalb neben der deutschen auch die brasilianische und die panamaische Staatsangehörigkeit. Seine Familie stammt väterlicherseits aus Ungarn, wie auch sein Name ein ungarischer ist. So wurde sein Großvater väterlicherseits in Budapest geboren. Sein Vater wuchs in der Bundesrepublik Deutschland auf und wanderte dann ins Land des Zuckerhutes aus. Durch einen Transfer von Las Promesas Panama zum VfB Stuttgart kam er nach Deutschland.

Uwe Seeler – Seit Fritz Walters Tod ist der 1936 in Hamburg geborene ehemalige Mittelstürmer der älteste Ehrenspielführer der deutschen Fußballnationalmannschaft. Wie der Weltmeisterkapitän von 1954 blieb auch der Vizeweltmeisterkapitän von 1966 seinem Verein, dem HSV, sein Leben lang treu.

Jürgen Sparwasser – Der 1948 in Halberstadt geborene Mittelfeldspieler schoß während der Fußballweltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik Deutschland das Siegtor zum 1:0 gegen den Gastgeber und späteren Weltmeister. Es blieb das einzige Spiel zwischen den beiden deutschen Nationalmannschaften. Der Spieler des 1. FC Magdeburg bestritt 53 Länderspiele für die DDR. 1988 kehrte der Sportler von einer Reise in die Bundesrepublik nicht zurück.


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