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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-07 vom 20. Oktober 2007
Die Stadt K. Die in jüngster Zeit mit teils hochklassigen Fotoausstellungen bedachte Hauptstadt wird dieser Tage um eine kleine Exposition bereichert, die vielleicht weniger durch handwerkliche Klasse als vielmehr durch ihre Motivwahl besticht. Der Berliner Künstler Andreas Bromba zeigt derzeit in Berlin-Mitte 40 Fotos aus Königsberg (bis 4. November). Seit fast 15 Jahren beschäftigt er sich mit der Region, in die er gleich nach der Öffnung des Sperrgebiets „Kaliningrader Oblast“ gereist war. Dort hat er mit der Zeit nicht nur viele Freunde gewonnen, sondern mit seinen – sowohl farbigen wie schwarzweißen – Aufnahmen verschiedene „Gesichter“ der „Stadt K.“ eingefangen. Alle Bilder eint, unvollständiges Mosaik der „nur eine(n) Seele“ Königsbergs zu sein. Ausdruck dessen ist nicht zuletzt der Name selbst. Nachdem sich 2005 / 2006 ausgerechnet zwei Jahrestage überlagert hatten – das Jubiläum 750 Jahre Hanse- und Residenzstadt Königsberg und der 60. Jahrestag des 4. Juli 1946, an dem der sowjetische Diktator Stalin die Stadt nach seinem Parteigenossen Michail Kalinin benannt hatte – nähert sich heute die jüngere Generation der Geschichte ihrer Stadt durch die Wortschöpfung „Kenig City“ oder kurz „Kenig“. Kennzeichnend für diesen, gleichsam identitären Prozeß ist die Spurensuche der Menschen in „K.“. Obwohl zumeist russischer Herkunft, vermögen doch die wenigsten von ihnen ein Nationalgefühl zu empfinden. Indem sie oftmals durch archäologische Arbeiten vor ihrem Haus auf die vorgängige Zeit stoßen, „werden sie zu Königsbergern“, so Bromba über seine Erfahrungen. Ungleich größer sind da die Erlebnisse des ersten deutschen Generalkonsuls im heutigen Kaliningrad, Dr. Cornelius Sommer, der sich am Eröffnungsabend besonders von der Schwarzweiß-Serie beeindruckt zeigte. Diese sagt in ihrem bleiernen Grau mehr über die Düsternis einer Zeit, als es Worte wohl könnten. Symbolkräftig etwa ist das Bild „Lenin hinter Gittern“, wo hinter Fahnenmasten die drohend dunkle Silhouette des Sowjetgründers aufscheint. Zeugnis von der bizarren Existenz zwischen den Zeiten sind auch die fußballspielenden Jungs aus dem Jahr 2002: „Eine Kindheit zwischen Brandenburger Tor und Plattenbau“. Von uneinholbarer Trostlosigkeit ist dagegen der endgültig wirkende Bruch auf dem Bild von der „Berliner Brücke“, die von der Wehrmacht auf dem Rückzug an mehreren Stellen gesprengt worden war. Skurril wirkt derweil die Aufnahme „Neues Wohnen mit Kuh“. Letztere grast auf einem winzigen Grasfleck, hinter sich die monströse Ödnis eines Plattenbaus und eine Art Trafohäuschen mit Grafitti-Zeichen: das Wort „Nirvana“ ebenso wie ein kantiges „97“, das einem Hakenkreuz ähnelt. Vom Begründer des transzendentalen Idealismus, Immanuel Kant, der Zeit seines Lebens Königsberg nie verlassen hatte, kündet vor allem das Grabmal am Dom. Und auch von Friedrich Schiller, der besonders von der Sittenlehre Kants beeinflußt war, zeugt heute noch eine Statue aus deutscher Zeit. Auch wenn dem Lebensweg Kants in den Bildern kaum weiter nachgespürt wird,
evozieren die Impressionen Brombas doch seine berühmten vier Fragen – „Was kann
ich wissen?“, „Was soll ich tun?“, „Was darf ich hoffen?“ und „Was ist der
Mensch?“ –, die vielleicht nirgends so direkt zutreffen wie hier. Sinnbildlich
wird dies immer wieder an jenen Stellen, wo Ideologie in das Stadtbild
eingreift. Beispielhaft hierfür ist das Bild von der Christi-Erlöser-Kirche,
einer Kopie des Moskauer „Originals“, das von Stalin einst gesprengt und unter
Putin wieder aufgebaut wurde. Auf dem Hansaplatz von Königsberg, der zu
Sowjetzeiten in „Siegesplatz“ umbenannt wurde, hatte einst Lenin gethront, der
heute, entsorgt am Südbahnhof, Kalinin gegenübersteht. Die völlig deplazierte
Erlöser-Kirche ist indes nicht so unmotiviert, wie es scheinen mag. Obwohl diese
Kopie des Moskauer Baus kleiner ist als das Vorbild, sind ihre Türme doch größer
als der Deutsche Dom. Das aber hilft ihr nicht, denn die Leute von „Kenig“
nehmen den Bau nicht ernst, sagt Bromba. Das wichtigste und emotional
Bewegendste sagt eine Freundin des Künstlers, die zur Vernissage aus Königsberg
angereist ist. Sie habe in einem deutschen Haus gewohnt, sei in eine deutsche
Schule gegangen – und als sie Deutschland besuchte, habe sie sich zum ersten Mal
„zu Hause“ gefühlt, sagt sie, und: „So fühlen alle Königsberger“. Die Tränen,
die manchem Besucher in die Augen treten, verklären die Bilder, deren Preise
zwischen 400 und 700 Euro liegen, nur für einen Augenblick. |
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