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20.10.07 / Brandherd Nordirak / Die türkische Armee steht kurz vor der Invasion in das Nachbarland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-07 vom 20. Oktober 2007

Brandherd Nordirak
Die türkische Armee steht kurz vor der Invasion in das Nachbarland
von Mariano Albrecht

Die Stimmung zwischen den USA und der Türkei ist auf dem Tiefpunkt. In dieser Woche stimmt das türkische Parlament darüber ab, ob die Streitkräfte im Kampf gegen die kurdische PKK in den Nordirak einmarschieren dürfen. Die Übergriffe der Kurden-Guerilla in den letzten Wochen hatten die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan und Premierminister Abdullah Gül dem massiven Druck der Armeespitze um General Yasar Büyükanit ausgesetzt. Die plötzliche Entscheidung dürfte dem Parlament leicht gefallen sein. Das Verhältnis zum Nato-Verbündeten USA ist angeschlagen. Seit Tagen schnauben Militär und nationalistische Opposition vor Wut über die vom amerikanischen Kongreß verabschiedete Resolution, die den Mord an 1,5 Millionen Armeniern im Zweiten Weltkrieg auf türkischem Gebiet als Genozid einstuft. Ankara drohte mit der Schließung der Militärbasis Incirlik, die die US-Truppen im Irak versorgt.

In der Vergangenheit hatte die Türkei immer wieder die USA und die irakische Regierung aufgefordert, gegen die kurdischen Rebellen vorzugehen. Da jedoch die Kurdenprovinzen im Nord-irak als verhältnismäßig ruhig gelten, hatten die USA auf eine Einmischung verzichtet und die Türken zur Ruhe ermahnt. In den letzten Wochen starben durch Überfälle der PKK auf türkischem Gebiet 30 Menschen, davon kamen 13 türkische Soldaten in der Provinz Sirnak ums Leben. Der Region droht ein Flächenbrand.

Bisher hatte sich das türkische Militär auf die Verfolgung von Rebellen bis hinter die Grenze beschränkt, was bereits Beunruhigung bei den Verbündeten auslöste. Mit einem direkten Einmarsch und der Besetzung von irakischem Territorium droht die Türkei, Teilnehmer am Irak-Krieg zu werden und die weitgehend von Kriegshandlungen verschonte Region in den Konflikt einzubeziehen. Doch Ankara stellt eigene Belange über internationale Interessen.

Offizielles Ziel der Militäraktionen sind die militärischen Stützpunkte der PKK, von denen aus rund 3500 Rebellen operieren. Bereits in der vergangen Woche hatte die türkischen Armee angefangen, Dörfer im Nachbarland zu beschießen. Die Tageszeitung „Hürriyet“ meldete, daß rund 200 Geschosse auf irakischem Gebiet eingeschlagen seien. An der Grenze zum Irak hat die türkische Armee mittlerweile 60000 Soldaten in Stellung gebracht. Doch geht es der Türkei nicht nur um versprengte Stützpunkte von Terroristen.

Bereits im Jahr 2003 wagte sich ein schwerbewaffnetes Spezialkommando in den Nordirak. Im Gepäck: Karten der Erdölstadt Kirkuk, C4-Sprengstoff und Scharfschützengewehre. US-Truppen erwischten die Einheit, es kam zum Eklat zwischen den USA und der Türkei. Es wird vermutet, daß man es auf wichtige Einrichtungen in Kirkuk und den Gouverneur abgesehen hatte. Die Autonome Region ist der Türkei ein Dorn im Auge. Sie fürchtet, daß ein Kurdenstaat oder eine weitgehende kurdische Autonomie im Nordirak auch den Selbstbestimmungsforderungen der Kurden in der Türkei wieder Auftrieb verleihen und die Einheit des türkischen Staates gefährden würde. Außerdem müßte die Türkei dann den alten Anspruch auf die Ölquellen von Kirkuk und Mosul für immer begraben.
Mit einer ständigen Operation auf irakischem Gebiet wären auch Angriffe auf wichtige Wirtschaftseinrichtungen der Kurden möglich. Ein neuer Krisenherd könnte entstehen, und das ist weder im Interesse der irakischen Regierung noch der USA.

Auch von Seiten der EU kommen Warnungen an die Türkei. EU-Chefdiplomat Javier Solana warnte in der vergangenen Woche: „Alles was die Sicherheitslage im Irak noch komplizierter macht, ist nicht willkommen.“

Mit dem wahrscheinlichen Einmarsch katapultiert sich die Türkei auch aus den Beitrittsverhandlungen zur EU.

Eine Kröte, die die islamisch-konservative Regierung in Ankara schlucken muß.
Die islamisch-konservative Regierung treibt Reformen und Verfassungsänderungen im Land voran, um bei den Beitrittsverhandlungen weiterzukommen. Dies findet bei den Oberkommandierenden der Streitkräfte nicht unbedingt Gefallen.

Büyükanit malt den Türken Schreckensbilder von Fremdbestimmung und einer gespaltenen Nation an die Wand. „Die türkischen Streitkräfte sind das Ziel systematischer und voreingenommener Angriffe aus dem Inland wie aus dem Ausland“, sagte Büyükanit in einer Rede vor Kadetten in Istanbul.

Die Verschärfung des Konflikts an der irakischen Grenze ist willkommen, die Eskalation mit den USA kommt gelegen beim Aufbau des „Feindbildes Westen“.

Indes ist die irakische Regierung um Schadensbegrenzung bemüht. In einem kürzlich geschlossenen Sicherheitsabkommen zwischen dem Irak und der Türkei wurden türkische Einsätze auf irakischem Gebiet trotz Drängens aus Ankara nicht genehmigt.

Mit ihrem Vorstoß setzt sich die Türkei einmal mehr über diplomatische Abkommen hinweg. Aus dem US-Außenministerium nehmen die Warnungen an die türkische Regierung derweil nicht ab. Mit Blick auf die eigenen Interessen ist ein konsequentes Einschreiten der Amerikaner aber eher unwahrscheinlich.

Diese Aufnahme vom 9. Oktober beweist: Die Türkei bringt Panzer an ihrer Grenze zum Irak in Stellung. Foto: AP


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