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27.10.07 / Streit um Flughafen-Namen / SPD will, daß »Berlin-Brandenburg International« nach Willy Brandt benannt wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Streit um Flughafen-Namen
SPD will, daß »Berlin-Brandenburg International« nach Willy Brandt benannt wird
von Markus Schleusener

Es wird wieder viel über Willy Brandt geredet dieser Tage. Vor 50 Jahren wurde der Sozialdemokrat ins Amt des Berliner Bürgermeisters gewählt. Im Roten Rathaus gab es deswegen sogar eine rührselige Feier.

Zudem wurde kürzlich des 15. Todestages des ehemaligen Bundeskanzlers gedacht: Altkanzler Gerhard Schröder begrüßte in der nach Willy Brandt benannten SPD-Parteizentrale am Halleschen Tor in Kreuzberg 200 betagte Genossen, um des Verstorbenen zu gedenken.

Und abermals war Klaus Wowereit dabei, um an seinen Vorgänger als Regierender Bürgermeister zu erinnern und von „der guten alten Zeit“ zu schwärmen. „Das hat es in der SPD nie wieder gegeben“, sagte er. Wowereit selbst ist 1972 – noch keine 20 Jahre alt – genau auf dem Höhepunkt der Willy-Begeisterung Genosse geworden.

Es ist kein Wunder, daß gerade in dieser für Sozialdemokraten schwierigen Zeit so oft an Willy Brandt erinnert wird. Bei der Union läuft es nicht anders. Auf dem Deutschlandtag der Jungen Union hat Angela Merkel am vergangenen Sonnabend ja auch an „die gesamte Geschichte der CDU“ erinnert. An Konrad Adenauer und die Westbindung, an Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft, an Helmut Kohl und die deutsche Einheit. Parteien brauchen so etwas. Sie denken an ihre glorreiche Vergangenheit, um sich Mut für die Zukunft zu machen.

Aber ist es nicht kleinlich, wenn öffentliche Gebäude für ihren Parteienkult herhalten müssen?

In Berlin ist just in dem Moment, in dem die Tempelhof-Befürworter ein Volksbegehren gegen die Schließung des innerstädtischen Flughafens eingeläutet haben, ein Streit über den Namen des neuen Großflughafens ausgebrochen.

Bislang heißt er im allgemeinen Sprachgebrauch Berlin-Schönefeld und im Investorendeutsch Berlin-Brandenburg International. Das klingt so sehr nach Osten, daß Wowereit und Co. nur von „BBI“ reden, was die Sache auch nicht besser macht. Die bislang übliche Abkürzung SFX für Berlin-Schönefeld kann sich auch niemand merken.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die Namensdiskussion einsetzen würde. Den Auftakt machte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Michael Müller, mit dem Vorstoß: Nennen wir ihn Willy-Brandt-Flughafen! Er wärmte damit einen drei Jahre alten Vorschlag von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) wieder auf. Wowereit stimmte seinem Genossen sofort lautstark zu. Haben die beiden gedacht, daß niemand sich trauen würde, ihnen zu widersprechen? Weil Willy Brandt eine solche Ikone sei? Natürlich kam es anders: Sven Petke, der stellvertretende CDU-Chef aus Brandenburg, schlug „Flughafen der deutschen Einheit“ vor – was vor allem für ausländische Gäste ein ungewohnter Zungenbrecher wäre.

Petkes Berliner Parteifreund Friedbert Pflüger begnügte sich nicht mit nur einem Vorschlag. Er kam gleich mit Dreien: Albert Einstein, Marlene Dietrich und Claus Schenk Graf von Stauffenberg hält er (zumindest in der Summe) offenbar für würdig genug, es mit Willy Brandt aufnehmen zu können. Pflüger scheint großen Wert darauf zu legen, einen Namenspatron mit Bezug zur NS-Zeit zu nehmen, sonst hätte er ja auch jemanden aus einer anderen Epoche vorschlagen können. (Einstein und Dietrich waren Exilanten wie Brandt, und Stauffenbergs Schicksal ist von dem Hitlers ja auch nicht zu trennen.)

Martin Lindner wollte da nicht abseits stehen und brachte Gustav Stresemann ins Gespräch, der heute zwar nur noch historisch bewanderten Zeitgenossen ein Begriff ist, aber Liberaler war, was ihn für den FDP-Fraktionschef zu qualifizieren scheint. Stresemann war Außenminister in der Weimarer Republik und gilt als der herausragendste politische Kopf jener Ära.

Was für ein Sinneswandel: Noch im Januar hatte die FDP gefordert, den Namen zu verkaufen – zu Gunsten der „geschröpften Steuerzahler“ versteht sich. Es wird ja auch über den Verkauf des Namens für das Olympiastadion diskutiert. Andere Städte haben eine Allianz-Arena (München) oder eine HSH-Nordbank-Arena (Hamburg); das heißt, die Werbewirtschaft zahlt ihnen im Gegenzug viel Geld.

Jetzt wurde es dem SPD-Fraktionschef zu bunt: Der Namensstreit sei erbärmlich, donnerte Michael Müller – so als hätte er so gar nichts damit zu tun. Willy Brandt sei schließlich „eine hochgeachtete Persönlichkeit, Weltbürger und Friedensnobelpreisträger“ gewesen. 

Das Boulevardblatt „BZ“ befragte darauf eine Reihe von Prominenten, die Willy Brandt sehr gut aussehen ließen. Gefolgt von der Dietrich und dem Erfinder der Relativitätstheorie. Der „Tagesspiegel“ dagegen erkundigte sich bei seinen Lesern nach deren Vorlieben. Und siehe da: Sie tendieren spontan zu einem ganz anderen Namensgeber, nämlich Otto Lilienthal, für den auch die Grünen zu haben sind. Der Flugpionier ist aber schon der Namenspatron des Flughafens Berlin-Tegel, der zugemacht wird, wenn der neue Großflugplatz eines fernen Tages – im Gespräch ist das Jahr 2011 – eröffnet hat.

Daß Tegel nach Lilienthal benannt ist, weiß indes kaum jemand, was zeigt, wie unbedeutend solche Namenszusätze sein können. Nur im Falle des New Yorker Flughafens ist vielen auch das Kürzel „JFK“ ein Begriff, wobei nicht einmal alle wissen, daß es für John Fitzgerald Kennedy, den 1963 ermordeten US-Präsidenten, steht.

Foto: Noch ist Berlins neuer Großflughafen eine Großbaustelle. Doch der Streit um einen einprägsameren Namen als „BBI“ geht schon los.


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