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27.10.07 / Ost-Deutsch (38): Kleinod

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Ost-Deutsch (38):
Kleinod
von Wolf Oschlies

Mit folgendem Prager Werbespruch habe ich meine Studenten in die tschechische Sprache, Gastronomie und Geschichte eingeführt: „Krusovice – klenot mezi ceskymi pivy z pivaren cisare Rudolfa II.“, das heißt „Krusovice – Kleinod unter den tschechischen Bieren aus der Brauerei von Kaiser Rudolf II.“. Rudolf war ein unglücklicher Herrscher, machte Prag aber ab 1600 richtig „golden“ – ihm verdankt die Stadt ihre zahllosen „klenoty“, die sprachlich deutschen Ursprungs sind: Das mittelhochdeutsche „kleinot“ ist ein Kunstwort aus klein (für zierlich) und ot (für Besitz) und bezeichnet mitunter größte Schätze, etwa die deutschen „Reichskleinodien“, die vom 8. bis 14. Jahrhundert datieren. Da Böhmen und Ungarn, obschon habsburgisch, eigene Königreiche waren, wurde der Begriff auch hier früh heimisch, am glanzvollsten in den „Presporske korunovacne klenoty“, den „Preßburger Krönungskleinodien“, wie diese in Bratislava, vordem Habsburger Krönungsstadt Preßburg, bis heute ehrfurchtsvoll heißen. Andere „Klenoty“ finden sich in der Ausstellung „Klenoty davnej minulosti Slovenska“ (Kleinodien aus ältester Vergangenheit der Slowakei), die noch bis Dezember 2007 läuft. 

Auf dem Prager Hradschin werden „Ceske korunovacni klenoty“ (Böhmische Krönungskleinodien) aufbewahrt, auch bloß dort gezeigt, was sehr selten geschieht – im ganzen 20. Jahrhundert nur neunmal, zuletzt im Oktober 1998. Dafür birst die ganze Stadt vor „klenoty“, wie längst jeder bessere Schmuck heißt. Auf Ladenschildern prangt das neue Wort „Klenotnictvi“, das dem slowakischen „klenotnictvo“ entspricht und so schwer wie das Adjektiv „klenotnicky“ zu übersetzen ist – das deutsche Kleinod lebt jedenfalls in allen.

Natürlich auch im polnischen „klejnot“, mit dem die Polen freizügigst umgehen: Das vom Sejm 1573 verfügte Toleranzedikt firmiert nur als „klejnot wolnego sumnienia“ (Kleinod der Gewissensfreiheit), die Salzgrube Wieliczka bei Krakau, auch von Goethe besucht, ist ein „Klejnot Rzeczypospolitej“ (Kleinod der Republik), Meditation ist für ihre Anhänger ein „klejnot spelniajacy wszelkie zyczenia“ (Kleinod, das alle Wünsche erfüllt). Selbst ein guter Fußballer kann ein „klejnot dla reprezentacji“ sein, ein Kleinod für die Nationalmannschaft.


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