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27.10.07 / Weiter auf dem Weg ins Chaos / Pakistan: Wilde Spekulationen nach dem Anschlag auf Benazir Bhutto

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Weiter auf dem Weg ins Chaos
Pakistan: Wilde Spekulationen nach dem Anschlag auf Benazir Bhutto
von R. G. Kerschhofer

Der verheerende Terroranschlag in der Nacht auf Freitag letzter Woche überschattete den triumphalen Empfang für die aus dem Exil nach Karatschi heimgekehrte Ex-Ministerpräsidentin Benasir Bhutto. Der Anschlag, der wie ein Attentatsversuch auf Bhutto aussieht, löste trotz der Morddrohungen, die angeblich oder wirklich von El-Kaida kamen, wilde Spekulationen über die wahren Urheber und Ziele aus. Und auch der „triumphale Empfang“ ist zu relativieren. Denn in einem großen Land mit leicht fanatisierbaren Bevölkerungsmassen ist es nicht schwer, Hunderttausende für oder gegen irgendwen auf die Straße zu bringen. Karatschi ist zudem die Hauptstadt des Teilstaates Sind, der Machtbasis des Bhutto-Klans.

Dabei war alles so schön eingefädelt: Durch eine Machtteilung zwischen Bhutto und Präsident Muscharraf sollte dessen Regime „demokratisch legitimiert“ werden. Muscharraf versprach, bei einer Wiederwahl die Armee-Führung abzugeben – er ernannte bereits einen Stellvertreter mit Nachfolgerecht – und Bhutto sollte Ministerpräsidentin werden. Doch der Plan hat einige Schönheitsfehler – vor allem daß er die Handschrift der US-Regierung trägt. Das heizt die antiamerikanische Stimmung weiter an, bringt Extremisten neuen Zulauf und diskreditiert sowohl Muscharraf als auch Bhutto. Muscharraf wird ohnehin bereits als „Bushs Schoßhund“ verhöhnt.

Schönheitsfehler ist auch, daß Bhuttos Rückkehr durch ein „Versöhnungsdekret“ Muscharrafs ermöglicht wurde, mit welchem anhängige Korruptionsklagen fallengelassen werden. Das Dekret ist so formuliert, daß alle Amtsträger zwischen 1986 und 1999 davon profitieren – ausgenommen der Chef der oppositionellen Muslim-Liga Nawas Scharif, der nicht ins Kalkül paßt. Daß dieser, als er am 10. September aus dem Exil zurückkehren wollte, postwendend wieder nach Saudi-Arabien abgeschoben wurde, war eigentlich recht human, denn man hätte ihn wegen zahlreicher Delikte inhaftieren können. Oder noch schlimmer, ihm die Einreise gestatten und ihn Attentaten aussetzen können.

Es gibt aber weitere Komplikationen: Gegen das „Versöhnungsdekret“ ist eine Beschwerde beim höchsten Gericht anhängig. Was geschieht, wenn es aufgehoben werden sollte – wird sich dann Bhutto verhaften lassen oder wieder ins Ausland absetzen? Außerdem war Bhutto bereits zwei Perioden lang Ministerpräsidentin – für eine dritte Amtsperiode müßte die Verfassung geändert werden. Kleinigkeiten.

Auch für Muscharraf ist noch nicht alles gelaufen. Bei der Präsidentenwahl vom 6. Oktober gaben ihm zwar 672 der 1170 Mitglieder des Wahlgremiums ihre Stimme – die meisten anderen hatten die Wahl boykottiert. Doch umstritten ist, ob Muscharraf in der Doppelrolle als Staatsoberhaupt und Armee-Chef überhaupt hätte kandidieren dürfen. Die vom Verfassungsgericht für 17. Oktober angekündigte Entscheidung steht weiterhin aus, und es bleibt also offen, ob Muscharraf wirklich am 15. November neu angelobt wird und unmittelbar danach allgemeine Wahlen ausschreibt. Falls das Gericht gegen Muscharraf entscheidet, wird damit gerechnet, daß er das Kriegsrecht ausruft. Damit wären auch die Parlamentswahlen hinfällig.

Der fremdgesteuerte Pakt zwischen Muscharraf und Bhutto hat die beiden keineswegs zu Freunden gemacht. Die Morddrohungen gegen Bhutto im Namen von El-Kaida könnten daher – mit oder ohne Wissen des Präsidenten – auch vom Geheimdienst stammen, um Bhutto Angst zu machen. Man weiß ja, daß El-Kaida solche Ansagen nie dementieren würde, weil sie doch zum eigenen Prestige beitragen.

Bhuttos Ehemann beschuldigt den Geheimdienst sogar, hinter dem Anschlag in Karatschi zu stehen. Die Logik dahinter wäre, Bhuttos „mutwillige Rückkehr“ für den hohen Blutzoll verantwortlich zu machen. Umgekehrt gibt es Anschuldigungen, der Anschlag sei von Bhutto inszeniert worden, um mit dem Glorienschein einer Beinahe-Märtyrerin in den Wahlkampf gehen zu können. Diese These stützt sich darauf, daß sich Bhutto unmittelbar vor den Explosionen ins Innere ihres gepanzerten Fahrzeugs zurückzog und eben deshalb nicht selber zu Schaden kam.

Daß die USA längst Mißtrauen gegenüber Muscharraf hegen und ein Doppelspiel betreiben, zeigte sich unter anderem in der klaren Bevorzugung Indiens in Atom-Fragen. Beobachter meinen, daß das Hauptinteresse der USA nur mehr darin besteht, irgendwie Kontrolle über die pakistanischen Atomwaffen zu erlangen. Dann könnte man das Land getrost ins Chaos fallen lassen – was nebenher zum Schaden Chinas und des Iran wäre.


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