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27.10.07 / Eine Freundschaft ungleicher Geister / Gut 30 Jahre lang war Joseph von Eichendorff Mitstreiter an der Seite Theodor von Schöns

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-07 vom 27. Oktober 2007

Eine Freundschaft ungleicher Geister
Gut 30 Jahre lang war Joseph von Eichendorff Mitstreiter an der Seite Theodor von Schöns
von Walter T. Rix

Aus der schicksalhaften Begegnung des katholischen Romantikers Joseph von Eichendorff und des aufgeklärten Kantianers Theodor von Schön erwuchs bei aller Gegensätzlichkeit eine langjährige und fruchtbare Freundschaft. Beide erkannten, daß bei gegenseitiger Wertschätzung gerade in den unterschiedlichen Ansichten die Möglichkeit der geistigen Bereicherung und Horizonterweiterung lag. Nachdem Eichendorff im November 1819 eine unbezahlte Assessorenstelle in Breslau angetreten hatte, wurde der damalige preußische Minister für Kirchen-, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Karl Freiherr von Stein zum Altenstein, auf ihn aufmerksam und betraute ihn im Dezember 1820 mit den Geschäften eines katholischen Konsistorial- und Schulrats in Danzig. Der schlesische Dichter gelangte auf diese Weise in eine Provinz, die, nach den Worten des Ministers Altenstein, „des Lichts der Erkenntnis und der Erwärmung für alles Gute teilweise noch sehr bedürftig ist“. Unmittelbarer Dienstvorgesetzter wurde für ihn damit der damalige Oberpräsident von Westpreußen, Theodor von Schön, ab 1824 auch Oberpräsident von West- und Ostpreußen. Hieraus ergab sich eine Beziehung, die sich zu einer immer inniger werdenden Geistesfreundschaft wandelte. Schöns Bezeichnung „Herzensfreund“ ist Ausdruck dieser Wertschätzung. Gerne hätte er den schlesischen Dichter als seinen Biographen gesehen.

Praktisch 30 Jahre lang war Eichendorff an der Seite Schöns nicht nur Freund, sondern auch aktiver Mitstreiter und, wie es insbesondere in Berlin empfunden wurde, Parteigänger. Ausgedehnte dienstliche Inspektionsfahrten brachten sie eng zusammen. Schön weist dem schlesischen Dichter kein festes Dezernat zu, sondern ernennt ihn zu seinem „ständigen Korreferenten“, was zu einem fortlaufenden gemeinsamen Reiseleben zwischen Danzig und Marienwerder führt. 1824 veranlaßte Schön, daß der Dichter nach Königsberg übersiedelt. Da sich Eichendorff hier „an der Schneegrenze“ und in „sibirischer Verbannung“, wie er sich auszudrücken pflegte, völlig isoliert fühlte, schloß er sich Schön um so enger an und wurde häufiger Gast in dessen Herrenhaus Preußisch-Arnau.

Zunächst sorgte Schön für eine Verbesserung der finanziellen Situation. So schrieb er an Minister Altenstein: „Seine häusliche Lage ist sehr beschränkt; ich kann pflichtgemäß versichern, daß er bei seinen Verhältnissen als Familienvater mit den ihm bewilligten Diäten von 2 Reichstalern an diesem so überaus theuren Orte nicht auszukommen vermag und daß er sich deshalb in dringender Verlegenheit findet.“ Mit der Ernennung zum Regierungsrat im September 1821 wurde Eichendorffs Jahresgehalt dann auf 1200 Taler festgesetzt. Der frisch Ernannte bedankt sich bei Schön mit den Worten: „... unschätzbar ist mir das Glück, unter Eurer Exzellenz Befehlen und das Ganze klar erfassender und begeisterter Leitung an das Werk gehen zu können.“ Schön seinerseits äußert gegenüber Minister Altenstein seine Befriedigung, in Eichendorff „einen so unterrichteten, klarsehenden und wie ich fast schon fest glaube, guten Mann zum Gehülfen“ zu erhalten.

Schöns Regierungszeit und Eichendorffs Dienstzeit fallen nicht nur in eigenartiger Weise zusammen, sondern sie verbinden sich auch durch einen gleichsinnigen Geist, der in vielfachem Widerspruch zur Berliner Politik steht. Schön quittiert nach langwierigen Auseinandersetzungen 1842 seinen Dienst und zieht sich auf sein Gut Preußisch-Arnau zurück. Eichendorff scheidet zwei Jahre später aus dem Staatsdienst aus, als ihm deutlich wird, daß der preußische Reformgeist endgültig den starren Restaurationsbestrebungen unterliegt. Die Freundschaft der beiden fällt damit in eine äußerst bewegte Zeit, fernab von jeglichem Aktenstaub. Sie ist geprägt von der Auseinandersetzung mit dem von Napoleon entfachten Geist, dem Neubau des preußischen Staates und der Verfassungsfrage, dem Konfessionsstreit und dem Verhältnis zu Rußland.

So wie die deutsche Romantik wesentlich mehr ist als Waldesrauschen und Posthornklang, so ist Eichendorff alles andere als ein verknöcherter Beamter, der sich hinter seinen Aktenbergen verschanzt. Vielmehr erweist er sich als politisch außerordentlich wacher Geist, der unbeirrt seine Meinung vertritt. Er verkörpert damit den Typus des Beamten nach dem Herzen Schöns, der gebildet und im Urteil eigenständig, das geistige Fundament des neuen Preußen darstellen sollte. Daß beide damit laufend aneckten, ist offensichtlich und kommt insbesondere in Schöns Kampf sowohl gegen den preußischen Adel und den Anspruch des Militärs als auch gegen die Erstarrung der Verwaltung zum Ausdruck. Als Eichendorff seine Satire „Krieg den Philistern“ (1824) schreibt, inspiriert durch Clemens von Brentanos „Philistersatire“, kam auf 49 Bürger ein Beamter. Die Satire zielt in wenig schmeichelhafter Weise auf die kleingeistige Mentalität der damaligen Staatsdiener. Schön liest sie voller Begeisterung und schreibt 1824 an seine Frau: „Grüße Eichendorff und sage ihm, sein Philisterkrieg gefalle hier wohl, aber die rechte Wärme dafür wäre nicht da. Das mag die Philisterei hier selbst machen. Diese ist in kleinen Städten immer mächtig.“

Auf eine harte Probe wurde die Freundschaft durch den Fürstbischof von Ermland, Joseph Wilhelm Prinz von Hohenzollern-Hechingen, gestellt. Mit seinen Vorstellungen von der Neuordnung des katholischen Lebens insbesondere in Westpreußen geriet er immer wieder mit Schön heftig aneinander.

Der Fürstbischof versucht beständig, Eichendorff auf seine Seite zu ziehen. Es entwickelt sich so etwas wie ein Kampf um dessen Seele, der sogar die Formen von persönlicher Eifersucht annimmt. Fast schmollend beklagt sich der Bischof, daß Eichendorff „oft leider abwesend [ist], da er der beständige Reisegefährte des Herrn von Schön ist“.

Obgleich Eichendorff als Katholik die Kantianische Vernunftvergötterung bei Schön manchmal unheimlich findet, ist seine Treue zum protestantischen Aufklärer jedoch unverbrüchlich.

In der Wiederherstellung der Marienburg 1817 bis 1842 verbinden sich romantischer und liberaler Geist. Ihre von Schön betriebene Restauration, nachdem Max von Schenkendorff den Boden bereits geistig vorbereitet hatte, ist gleichermaßen Ausdruck des romantischen Volksbegriffes wie auch die Verkörperung des vom Königsberger Liberalismus entlehnten Begriffes der Nation. Sie vollzieht sich parallel zu der nach den Freiheitskriegen entstehenden Denkmalsbewegung und der Volksliedbewegung, vertreten durch Achim von Arnim und Clemens von Brentano, und ist ein östliches Gegenstück zu dem im Entstehen begriffenen Kölner Dom. Schön, der nach seinem Abgang am 3. Juni 1842 durch König Friedrich Wilhelm IV. mit dem Titel ‚Burggraf von Marienburg‘ ausgezeichnet wird, wertet die Wiedergeburt der Marienburg als Symbol eines zwar aus der Tradition erwachsenen, so doch völlig neuen Preußens. Als der preußische Kronprinz, der spätere Friedrich Wilhelm IV., die Marienburg besucht, wird ihm das Gedicht „Der Liedsprecher“ vorgetragen, ein von Eichendorff auf Wunsch von Schön verfaßtes panegyrisches Werk. 1843 legt Eichendorff seine umfangreiche Schrift „Die Wiederherstellung des Schlosses der deutschen Ordensritter zu Marienburg“ vor, eine Hommage an den Wiedererbauer Schön, in der er darauf hinweist, daß dieser die Marienburg „gleichsam neu gegründet“ habe.

1830 erscheint Eichendorffs Historiendrama „Der letzte Held von Marienburg“, welches das Schicksal des letzten Hochmeisters Heinrich von Plauen thematisiert. Hier berühren sich der Dichter und Schön sogar gedanklich in der Dichtung: Das Stück ist kein Heldengesang und es versteht die historische Aufgabe des Ordens im Sinne des christlichen Kreuzes.

Aber unter dem Einfluß von Schön geht die Schlußvision Plauens über die christliche Heilsgeschichte hinaus, indem sich das christliche Kreuz mit dem politischen Eisernen Kreuz verbindet, ein in der Zeit Metternichs gewagter Schluß:

Die Helden all’

aus ihren Gräbern geh’n;

Die richten schweigend

auf den stillen Höh’n

Ein wunderbares Kreuz empor

von Eisen

In der gewitterschwarzen

Einsamkeit. –

Da geht ein Schauer

durch das Volk der Preußen

Und noch einmal gedenkt’s

der großen Zeit.

Die Spuren Schöns im Werk des schlesischen Dichters sind vielfältig. 1825 erscheint in der Berliner Zeitschrift „Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz“ Eichendorffs „Trinklied“. In ihm finden sich nach Ansicht der Zeitgenossen Schön und der spätere preußische Finanzminister Eduard Heinrich von Flottwell wieder. Schön verleiht dem Lied den neuen Titel „In der Höh. Tafellied“ und ruht nicht eher, bis es nach der Vorstudie „Der neue Troubadour“ 1826 als Anhang zu der zwischen 1821 und 1825 in Danzig und Königsberg fertiggestellten Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erscheint.

Die Freundschaft dieser beiden unterschiedlichen Geister ist für uns auch ein Vermächtnis, lehrt ihr Beispiel doch, daß trotz aller konträrer Positionen, und daran mangelt es in unserem politischen Gemeinwesen nicht, wechselseitiges Verständnis und gegenseitige Anerkennung zu geistigem Reichtum und neuen Horizonten führen können. Materieller Ausdruck dieser Freundschaft ist das Herrenhaus Preußisch-Arnau, dem Eichendorff als häufiger Gast eng verbunden war.

Noch steht dieses Herrenhaus und wie durch ein Wunder ist das Gastzimmer in seiner ursprünglichen Form erhalten. Seit 1992 bemüht sich das „Kuratorium Arnau e.V.“ erfolgreich um den Wiederaufbau der Arnauer Katharinenkirche. Es würde gerne auch das Vermächtnis von Schön und Eichendorff sichern, aber dazu bedarf es weiterer Hilfe.

 

Joseph von Eichendorff

Joseph von Eichendorff wurde am 10. März 1788 als zweiter Sohn der Familie in Lubowitz bei Ratibor in Oberschlesien geboren. Das 1858 im Tudorstil umgebaute Schloß war ein repräsentativer Landsitz mit einem herrlichen Blick über das Hügelland an der Oder mit seinen weiten Feldern und endlosen Wäldern. Obwohl es der Familie finanziell nicht übermäßig gut ging, wurden Joseph und sein älterer Bruder Wilhelm nach Breslau auf das Königlich Katholische Gymnasium geschickt, wo sie eine gute Ausbildung erhielten. Theater- und Opernbesuche, aber auch lange Wanderungen gaben den jungen Männern weiterführende Eindrücke. Erste Gedichte entstanden in dieser Zeit.

Nach einem Studienjahr in Breslau schreiben sich die Brüder in der Universität Halle ein, um Jura zu studieren. Wanderungen und Reisen bis hoch zur Ostsee und in den Harz bereichern das Studentenleben, das jedoch abrupt endet, als Napoleon Halle besetzt und die Universität schließen läßt. Joseph und Wilhelm gehen nach Heidelberg, wo der junge Dichter neben Jura auch klassische Sprachen studiert. Erste Gedichte werden veröffentlicht, allerdings noch unter seinem Pseudonym Florens.

1810 legen die Brüder in Wien ihre juristischen Examina ab. Wilhelm entscheidet sich schließlich für den österreichischen Staatsdienst, während Joseph nach Preußen zurückkehrt.

Das aufregende Leben des Schlesiers, der sich zu einem der bekanntesten deutschen Dichter entwickeln sollte, kann man bis ins Detail nachverfolgen bei der Lektüre der Biographie von Günther Schiwy, die jetzt in zweiter Auflage als Sonderausgabe erschienen ist (C.H. Beck Verlag, München 2007, 734 Seiten mit 54 Abb., bedruckter Pappband, 19,90 Euro). Zugleich ist das Buch ein „großartiges Panoramabild der Epoche Eichendorffs“ (Klaus Harpprecht).          o-n

 

Neuerscheinungen und eine Ausstellung zum 150. Todestag des Dichters

Am 26. November jährt sich der Todestag des wohl bedeutendsten Dichters der deutschen Romantik zum 150. Mal. Seine Gedichte, die von berühmten Komponisten wie Robert Schumann, Franz Liszt oder Felix Mendelssohn-Bartholdy vertont wurden, sind noch heute bekannt und beliebt. Man denke nur an „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“ aus dem „Taugenichts“ oder die Verse „Mondnacht“ mit der Zeile „Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküßt“. Was Caspar David Fried-rich für die Malerei war, das war Eichendorff für die Poesie. Der Magier des Wortes, der mit einem Zauberwort die Welt zum Singen bringt, hat bis heute nicht an Kraft verloren.

Ausgewählte Lyrik Eichendorffs hat Joseph Kiermeier-Debre für den Deutschen Taschenbuch Verlag zusammengestellt und in dem Band „Schläft ein Lied in allen Dingen“ (272 Seiten, brosch., 7,50 Euro) veröffentlicht. Ein Buch zum Auffrischen des einst Gelernten und zur Entdeckung bisher nicht so bekannter Verse Eichendorffs.

Vom wechselvollen Leben des Dichters, seinen Freundschaften und Liebesbeziehungen erzählt Veronika Beci lebendig und einfühlsam in ihrer Eichendorff-Biographie (Artemis & Winkler im Patmos Verlag, Düsseldorf 2007, 280 Seiten, zahlr. Abb., geb. mit Schutzumschlag, 24,90 Euro).

Mit einer Ausstellung und einem vielseitigen Begleitprogramm gedenkt das Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter-Heisterbacherrott, des Dichters. Textproben werden ergänzt durch historische und aktuelle Illustrationen sowie Hörbeispiele. Dienstags bis sonnabends von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr, bis 2. Dezember.   os

Foto: Herrenhaus Preußisch-Arnau bei Königsberg: Dort war Eichendorff oft Gast Theodor von Schöns. Im Rahmen eines Symposiums über den mittelalterlichen Heilsspiegel am Beispiel der St.-Katharinen-Kirche in Arnau, das an diesem Wochenende in Königsberg stattfindet, führt Walter T. Rix Historiker und Kunstgeschichtler durch das Herrenhaus und erläutert die Beziehung des schlesischen Dichters zu Arnau und zu Theodor von Schön.


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