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03.11.07 / Jetzt ist Merkel gefordert / Nur ihre Führungsstärke kann Reformkurs sichern – SPD auf dem Durchmarsch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-07 vom 03. November 2007

Jetzt ist Merkel gefordert
Nur ihre Führungsstärke kann Reformkurs sichern – SPD auf dem Durchmarsch
von Klaus D. Voss

Bundeskanzlerin Angela Merkel muß jetzt um die Große Koalition kämpfen – sie ist der letzte Aktivposten, der für die Reformpolitik in Deutschland steht.

Man darf nicht jede Entscheidung vom Hamburger SPD-Parteitag für bare Münze nehmen und erwarten, daß die Wünsche der Genossen Regierungspolitik werden. Aber die gefährlichste Botschaft aus der Hansestadt an die Große Koalition ist diese: Es hat sich in der SPD kein Widerstand gegen den Durchmarsch von Parteichef Kurt Beck zum lupenreinen Partei-Populismus gerührt, als gäbe es keinen „Seeheimer Kreis“ oder andere rational denkende Zirkel in der Partei. Wo blieb der „Sozialdemokrat mit Bodenhaftung“?

Das werden ungemütliche Zeiten für die Kanzlerin, zumal ihre Mitstreiter in der Union vor dem gleichen Dilemma wie die Sozialdemokraten stehen: Sie müssen sich ab Januar in wichtigen Landtagswahlen dem Votum der Wähler stellen. In Hamburg, Hessen und später im Jahr in Bayern muß die Union absolute Mehrheiten verteidigen, in Niedersachsen ihre Vormacht halten. Das wird nicht leicht werden gegen SPD-Herausforderer, die alle Register der Volksbeglückung ziehen können; der Hamburger Parteitag hat den Genossen freie Hand gegeben. Wie lange die CDU- und CSU-Politiker im Landtagswahlkampf die reine Lehre der Reformpolitik vertreten wollen, bleibt offen.

Beck und seine Mitstreiter haben aus der Agenda 2010 eine Agenda 2008 gemacht: Nicht mehr das unpopuläre Kurshalten für den Wiederaufstieg der Wirtschaftsnation Deutschland ist Vorgabe, sondern der tiefe Griff in die Staatskasse. Die SPD will ihre Rückkehr an die Spitze einer Bundesregierung mit öffentlichen Mitteln finanzieren, wie gehabt.

Die verlängerte Auszahlung von Arbeitslosengeld an Ältere wird zum Beispiel nach den Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit mindestens eine, vermutlich sogar 2,9 Milliarden Euro kosten. Das neue SPD-Steckenpferd Pendlerpauschale ist noch nicht beziffert, der Verzicht auf die teilweise Bahn-Privatisierung schon: 3,6 Milliarden Euro Finanzierungsbedarf müssen gedeckt werden.

Wahlkampfreif sind schon die nächsten Versprechen: Mindestlohn, die Abkehr von der Rentensanierung unter dem Stichwort „Rente mit 67“, die Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge.

Sozialforscher können der Union vorrechnen, daß sie auf Dauer keine guten Wahlchancen gegen eine Füllhorn-Politik hat: Schon jetzt leben 40 Prozent der Deutschen von Geld aus dem sozialen Transfer. Spätestens 2019 wird nach dieser Entwicklung die Mehrheit der Deutschen Transfer-Empfänger sein – was das für die Wahlchancen von verantwortungsbezogenen Realpolitikern bedeutet, kann man leicht ausrechnen.

Angela Merkel muß sich jetzt in einer neuen Führungsrolle bewähren. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid sehen allerdings 56 Prozent der Bundesbürger die Stärken der Bundeskanzlerin in der außenpolitischen Repräsentanz, für lediglich 19 Prozent der Bürger ist sie die Garantin des Reformkurses. Jetzt kommt es wirklich auf die Kanzlerin an.


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