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10.11.07 / Eisenbahn war nicht immer Staatssache / In Preußen wurden die ersten Strecken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Eisenbahn war nicht immer Staatssache
In Preußen wurden die ersten Strecken von privaten Unternehmen gebaut und betrieben
von Manuel Ruoff

Obwohl der starke Staat als typisch preußisch gilt, wurde der Aufbau des Eisenbahnnetzes Preußens nicht etwa vom Staat, sondern von Privaten begonnen. Gemeinhin wird angenommen, daß die Infrastruktur eine typische Aufgabe des Staates sei, weil nur dieser zu den dafür notwendigen außerordentlich hohen Investitionen in der Lage sei. Aber es waren gerade diese hohen Investitionen, die den preußischen Staat lange abschreckten. Für den Aufbau eines Netzes aus eigenen Mitteln fehlten dem Königreich die finanziellen Mittel, und für die Aufnahme von Krediten benötigte der König gemäß dem Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820 die Zustimmung der Stände. Die Einberufung einer Ständeversammlung versuchte der König jedoch nach Möglichkeit zu vermeiden. Erst Friedrich Wilhelm IV., der 1840 den Thron bestieg, fand sich – und das auch erst nach langem Zögern – bereit, einen Vereinigten Landtag einzuberufen. Da der Souverän dem Landtag jedoch kaum Rechte gewährte, revanchierte dieser sich damit, daß er dem Monarchen beziehungsweise dessen Regierung die Zustimmung zur Aufnahme von Krediten für den Eisenbahnbau verweigerte.

So war die erste sich der Maschinenkraft bedienende Eisenbahn, die 1838 eröffnete Berlin-Potsdamer Eisenbahn, eine private. Abgesehen von den geschilderten finanziellen Schwierigkeiten des Königs scheint Friedrich Wilhelm III. auch der rechte Sinn für die Bedeutung dieses neuen Verkehrsmittels gefehlt zu haben. So soll er anläßlich der Eröffnung gesagt haben, er könne sich keine große Seligkeit davon versprechen, ein paar Stunden früher von Berlin in Potsdam zu sein.

Erst als infolge der 48er Revolution die Regierung parlamentsfreundlicher wurde, billigte das Parlament die für den Eisenbahnbau erforderlichen Kredite. Entsprechend dem Klischee vom Primat des Militärs in Preußen wurde die erste staatliche Eisenbahn in Preußen auf Wunsch der Militärs gebaut, die Ostbahn. 1851 wurde der erste, 145 Kilometer lange Streckenabschnitt in Betrieb genommen. 1867 war die 740 Kilometer lange Ostbahn von der Landeshauptstadt Berlin über Danzig, Königsberg, Insterburg bis Eydtkuhnen an der preußisch-russischen Grenze fertiggestellt. Der Ostbahn, deren Streckennetz durch Parallel- und Abkürzungsstrecken bis 1880 auf über 2200 Kilometer anwuchs, folgten in Preußen weitere Staatsbahnen, aber sie blieb doch die bedeutendste.

Da das Königreich Preußen erst nach den Privaten mit dem Eisenbahnbau begonnen hatte, andererseits aber wie andere Staaten auch Einfluß auf das das Staatsterritorium erschließende Eisenbahnnetz haben wollte, versuchte es, im großen Stil bereits existierende Privatbahnen durch Aufkauf oder Staatsvertrag in seine Verfügungsgewalt zu bringen. Hervorzuheben ist hier vor allem der Zeitraum zwischen 1880 und 1888, in dem die Finanzsituation es dem Königreich ermöglichte, die meisten der noch bestehenden Privatbahnen in seinen Besitz zu bringen. Einen Sonderfall stellten die 1866 durch den gewonnen Deutschen Krieg erworbenen Gebiete dar. Hier brauchte der preußische Staat nur die vorhandenen Staatsbahnen zu übernehmen.

Die preußische Staatsbahn gab es übrigens nie. Bis zur Schaffung der späteren Reichsbahn gab es vielmehr diverse preußische Staatsbahnen, deren verbindendes Element der Besitz durch den preußischen Staat war.


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