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10.11.07 / Totgesagte leben länger / Vor kurzem machte sich alle Welt über Kurt Beck lustig, doch nun kann er der Union gefährlich werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Totgesagte leben länger
Vor kurzem machte sich alle Welt über Kurt Beck lustig, doch nun kann er der Union gefährlich werden
von Hans Heckel

Totgeschriebene stehen manchmal schneller wieder auf, als es sich ihre Gegenspieler vorstellen können: Erst Monate ist es her, daß SPD-Chef Kurt Beck mit bitteren Spottnamen überzogen und als Provinzler verhöhnt wurde, den niemand ernst nehme – am wenigsten die mächtigen SPD-Minister in Berlin. Ihm gegenüber stand die strahlende Kanzlerin, die – in den Umfragen weit vor ihrer eigenen Partei und erst recht vor Beck und seiner abgeschlagenen SPD rangierend – scheinbar unberührt von allem Koalitionsgezänk die Zuneigung der Deutschen genoß.

Seit kurzem indes mehren sich die Anzeichen für eine schleichende Wende. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend konnten sich die Sozialdemokraten gegenüber Oktober von 27 auf 30 Prozent verbessern. Die drei Punkte gingen zwar nicht auf Kosten der Union, die weiterhin bei 40 Prozent verharrt, sondern zu Lasten von Grünen (von zehn auf acht Prozent) und Linken (von elf auf zehn). Aber immerhin haben die Sozialdemokraten offenbar Erfolg mit ihrer Strategie, der Gysi-Lafontaine-Truppe linkspopulistisch in die Parade zu fahren. Zudem wird links der Mitte honoriert, daß sich die SPD vor dem jüngsten Koalitionsgipfel lautstark von der Union abgesetzt hat: Wähler, die aus Unzufriedenheit über die blasse Figur der SPD im schwarz-roten Bündnis zu den Grünen gegangen sind, haben den Weg zurück zu den Sozialdemokraten gefunden.

Was die Zufriedenheit der Deutschen mit ihren Spitzenpolitikern angeht, so liegt Angela Merkel zwar nach wie vor an der Spitze, hat aber an Zustimmung eingebüßt. Kurt Beck hingegen konnte sich, obschon er immer noch hinter Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) auf Rang sechs steht, verbessern.

Alles in allem kann der Taktiker Kurt Beck zufrieden sein: Der negative Trend, der über etliche Monate wie eine Bleiplatte auf der SPD und seiner Person lastete, ist gebrochen. Allein das sollte für die Kanzlerin Anlaß zur Sorge sein, auch wenn die derzeitigen Werte noch nicht dramatisch klingen.

Was bislang als Merkels großes Plus erschien, könnte sich alsbald als größte Schwäche der Kanzlerin erweisen: Streitigkeiten innerhalb der Union, der Koalition oder selbst auf internationaler Ebene ließ sie durch ruhiges Abwarten und / oder stille Hintergrunddiplomatie gleichsam auslaufen, statt energisch Stellung zu beziehen. Dieses Vorgehen schrieben ihr die Deutschen bislang als Geschicklichkeit im Umgang mit den Streithähnen gut und genossen die Aura der Besonnenheit, die von Merkel ausging. Daß die inhaltlichen Resultate dieser Politik eher mager ausfielen, wurde von der öffentlichen Meinung im Lande achselzuckend zur Kenntnis genommen. Nur wenige kreideten der Regierungschefin Führungsschwäche oder mangelnde inhaltliche Konzeption an. Das ändert sich jedoch, und zwar bis in die Kreise einst enger politischer Freunde. Jüngst erregte die Titelgeschichte des US-Nachrichtenmagazins „Newsweek“ in Deutschland Aufmerksamkeit. In einer ganzen Reihe von Beiträgen wird Merkel hier eben jenes Defizit an Führung und inhaltlicher Standfestigkeit vorgehalten. Interessant war, daß es sich beinahe ausschließlich um Texte deutscher Autoren handelte. Einer von ihnen: der ehemalige „FAZ“-Herausgeber und heutige „Bild“-Kolumnist Hugo Müller-Vogg. Noch 2004 veröffentlichte Müller-Vogg einen Gesprächsband mit Merkel, in dem diese ausführlich zu Wort kam. Der Journalist tat der CDU-Chefin einen großen Gefallen mit dem Buch, bot ihr ein wunderbares Podium. Müller-Voggs „Newsweek“-Artikel über Merkel steht nun unter dem Überschrift: „Ihr politischer Kompaß ist kaputt.“ Er bezeichnet die einst Hofierte als „Möchtegern-Reformerin“, der es nur mehr um die bloße Macht gehe. Deutschland sei unter ihrer Regentschaft nicht weitergekommen, so der frühere Merkel-Förderer. Hier geht ein enger politischer Freund unverhohlen auf Distanz – für jedermann das Signal, daß es eng wird.

In der Union selbst nabeln sich die Ministerpräsidenten, nicht nur die mit Wahlen im Nacken, von der Parteichefin ab. Ob beim Mindestlohn (Rüttgers) oder der Kilometerpauschale (Wulff) sind sie bemüht, ihr „soziales Profil“ zu schärfen. Damit erschweren sie es der Kanzlerin zusätzlich, gegenüber den linken Forderungen aus der SPD Stärke zu zeigen.

Wenn kommenden Montag die Spitzen der Koalitionsparteien erneut zusammentreten, muß Merkel beweisen, inwieweit sie entgegen allen Unkenrufen zu entschlossener Führung imstande ist. Noch vor dem mit Vertagung geendeten schwarz-roten Gipfel vergangenes Wochenende mahnte sie in der „Welt am Sonntag“, man dürfe „das Erreichte nicht aufs Spiel setzen“. Und in Richtung der SPD und führender Parteifreunde fügte sie hinzu: „Nicht alles, was auf den ersten Blick gut ankommt, ist auch gut für Deutschland – nämlich für Arbeitsplätze, für Wachstum, für solide Finanzen.“ Überfällige Worte – doch erst in einer Woche wird sich abzeichnen, ob es sich hier um das ersehnte Machtwort handelt oder bloß um ein Pfeifen im Walde. Auf Zeit spielen kann Angela Merkel nicht mehr, denn die rennt ihr davon – direkt in die Arme von Kurt Beck.

Foto: Tritt Beck aus dem Schatten der Kanzlerin? Derzeit sind ihre Umfragewerte noch deutlich besser.


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