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10.11.07 / Ost-Deutsch (40): Fehlstart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

Ost-Deutsch (40):
Fehlstart
von Wolf Oschlies

Strc prst v krk“ (steck’ den Finger in den Hals) ist ein ganz normaler tschechischer Satz, der immer wieder Ausländern als Zungenbrecher offeriert wird. Er enthält keinen Vokal, was für Slawen ungewöhnlich ist, vor allem für Russen, die mit ihrer „polnoglasie“ (Voll-Lautierung) stets auf den Konsonant-Vokal-Wechsel im Wort achten. Darum macht es mir Spaß zu sehen, daß sie, wie auch Polen und Ukrainer, immer wieder wahre Konsonanten-Ungetüme aus dem Deutschen ausleihen, wie den „Fehlstart“. Der hat im Original sieben Konsonanten und zwei Vokale, von denen einer in der Leihversion „falstart“ noch entfällt. Die Wege des Sprachtransfers sind eben unerforschlich.

Nicht aber die Verwendung und Erklärung der Wörter. Der „falstart“, wissen die Polen, ist sportlichen Ursprungs, nämlich „nieprzepisowe rozpoczecie biegu przed sygnalem sedziego startowego“ (unvorschriftsmäßiges Beginnen des Laufs vor dem Signal des Startrichters). Und sportlich geht es weiter. Als zu Beginn der neuen Fußballsaison die beiden Teams von Lodz verloren, mäkelte die lokale Presse: „Falstart lodzian, jakiego nie bylo“ (Fehlstart der Lodzer, wie er noch nie da war). Daß die favorisierten Polinnen beim jüngsten Volleyball-Grand Prix kläglich versagten, war bitterer „falstart zlotek“ (Fehlstart der Goldenen). Eine restlos verbockte Premiere im Warschauer Theater „Polonia“ war im Juni ein „bardzo pouczajacy falstart“ (sehr lehrreicher Fehlstart). Daß die Danziger Dreifaltigkeitskirche im August endlich ihr Turmdach bekam, war „po dwóch falstartach“ (nach zwei Fehlstarts) kein Wunder. Und daß immer mehr Polinnen im Kindesalter schwanger werden, sah die Kirchenpresse als „macierzynski falstart“ (Mutter-Fehlstart).

Ähnlich halten es die Russen, die auch sportlich anfangen: „kazdyj iz nas chotj raz delal falstart“ (jeder von uns hat doch schon mal einen Fehlstart  gemacht), weswegen man diese nicht „strafovat“ (bestrafen) sollte. „Start“ und „falstart“ bilden eine Einheit, und jedem „falstart“ folgt ein „restart“ – werden russische Jungunternehmer seit Jahren in Ökonomieseminaren unterrichtet. Zudem trägt jeder „falstart“, wissen Ukrainer, die Strafe für den Fehlstarter in sich, denn im Grunde bezeichnet er ein von Grund auf verfehltes Unternehmen.


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