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10.11.07 / Die 68er: Noch heute tragen wir die Folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-07 vom 10. November 2007

»Moment mal!«
Die 68er: Noch heute tragen wir die Folgen
von Klaus Rainer Röhl

Was wird bleiben von den 68ern? Nichts Nennenswertes. Nur die Kunde, daß mit ihnen das Ende Deutschlands als Nation begann. Den Zweiten Weltkrieg gewannen die Alliierten zusammen mit dem Diktator Stalin. Aber wirklich am Boden lag das deutsche Volk nicht. Das Land, zerstückelt, abgetrennt ein Drittel, der Rest in zwei ungleiche Hälften zerteilt, wurde im Westen wieder aufgebaut in wenigen Jahren. Von den Überlebenden der großen Katastrophe, den Flüchtlingen aus den Ostprovinzen, den Heimkehrern und Müttern und Kindern, die die Bombenteppiche und Feuerstürme in den Städten überlebt hatten. Sie bauten, unter Führung von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard und unter kritischer, aber konstruktiver Mithilfe der damaligen Gewerkschaften und der SPD unter Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer und dem jungen Willy Brandt als Bürgermeister von Berlin, das Land wieder auf. Aber die Kraft der überlebenden Kriegsgeneration reichte nur noch für das Wirtschaftswunder und das Fußballwunder von Bern, für Volkswagen und Fernsehen für alle und Ferien mit Touropa und Rückkehr nach Europa, für Nato-Integration und Aufnahme in die Völkergemeinschaft. Aber die Kraft reichte nicht mehr zum Widerstand gegen die eigenen Kinder, die Kinder von Marx und Marcuse, von Adorno und Horkheimer, die ihre Eltern umerziehen wollten zu „friedlichen Menschen“ und deren Idole doch die Kriegshelden Che Guevara und Ho Tchi Minh waren und auch, was die meisten heute vergessen haben, die Massenmörder Mao und Pol Pot. Wirklich gewonnen wurde der Zweite Weltkrieg gegen die Deutschen erst von den 68ern. Sie haben den Deutschen das Deutschsein so gründlich herausoperiert, wie die Siegermächte es einst gewollt hatten, das Rückgrat gleich mit.

Die Deutschen sind so friedlich geworden, daß sie am liebsten nur noch in Ruhe gelassen werden wollen. Bloß nirgends anecken. Nationale Debatten wie der Historikerstreit finden nicht mehr statt oder werden, wie vor zwei Jahren die Diskussion über die alliierten Kriegsverbrechen und die durch Flucht, Vertreibung und Bombenterror getöteten deutschen Zivilisten, sogleich mit der „Ausschwitzkeule“ (Walser) niedergemacht. Die Tugendwächter der politischen Korrektheit bringen jede intellektuelle Debatte zum Schweigen. Die wissenschaftlichen Eliten verlassen das Land und erlangen die US-amerikanische Staatsbürgerschaft oder gehen in den fernen Osten, sogar in die Schweiz. Was bleibt, ist kleinkariert und ängstlich. Das große Kapital, die Wirtschaft versucht, so gut es geht, ihre Produktion aus dem industrie-feindlichen Deutschland ins Ausland zu verlagern, die Atomindustrie beliefert Finnland, Innovationen wie die Magnetschwebebahn gehen nach China. Arbeitsplätze „wandern ab“. Statt dessen holen wir, neuerdings auch mit Billigung von Angela Merkel, weiter unqualifizierte „Migranten“ ins Land, zu den rund sieben Millionen Ausländern, die Mehrheit davon Muslime, von denen das Gros direkt in das deutsche Sozialsystem einwandert. Oder in die Kriminalität. Die deutsche Polizei wagt nicht einmal, die Nationalität der Schwerstverbrecher zu nennen, aus Furcht, ausländerfeindlich oder gar rassistisch genannt zu werden. Polizei und Justiz können diesen Zustand nur noch verwalten – den Kampf gegen die Bandenkriminalität haben sie praktisch aufgegeben. Es war nicht alles schlecht? 1970 folgten die deutschen Studenten dem Aufruf zum Langen Marsch durch die Gesellschaft, die sie erobern und umgestalten wollten. Schon lange vor 1998 hatten sie überall im Land Erfolg. 1998 fiel den 68er Parteien das Land, nur noch schwach verteidigt von einer verbrauchten Elite, die keine Nachfolger mehr ausgebildet hatte, zu wie eine Beute, wie besiegtes Land, auf Gedeih und Verderb. Viele Jahrzehnte unter SPD-Herrschaft in Bund und Ländern und eine CDU, die nur noch aus einem einzigen Mann zu bestehen schien, hatten den Widerstand gelähmt. Der schleichende kulturelle und – es gibt kein anderes Wort dafür – ethisch-moralische Verfall des Landes hatte schon eingesetzt. Was Helmut Schmidt, der Sieger von Mogadischu, noch einfordern mochte und wofür er von seinem Parteifreund Lafontaine verhöhnt und diffamiert wurde, die preußischen Sekundärtugenden, konnte Schröder in der tiefsten wirtschaftlichen Krise des Landes nicht mehr abrufen – niemand kannte sie mehr. Was hat die Generation 68 geschaffen? Nichts. Das Land ist vernachlässigt wie seine Städte und seine zersiedelten Dörfer. Der Beton der nach dem Krieg wieder aufgebauten Häuser bröckelt. Die fabelhaft künstlichen, autofreien Stadtkerne sind von jener gesetzlich vorgeschriebenen „Kunst am Bau“ befallen, welche  die ideenlosen Nachfahren von Joseph Beuys und Fritz Wotruba für viele Zehntausende guter D-Mark aus Stahl und Beton verfertigt haben. Die Kultur wird von den Kulturbeauftragten der Städte und der Länder betrieben. Viel Betrieb, viel Wichtigtuer, wenig Widerstand im Land. Musical statt Theater, aufwendig geförderte Unterhaltung auf Staatskosten, beliebt wie Popcorn und Kino. Theater? Deutsche Klassiker werden – nicht nur von Castorf und Schlingensief – grundsätzlich „gegen den Strich gebürstet“, und das heißt, in das Gegenteil ihrer theatralischen Absicht verkehrt. Eigene Stücke dieser Generation sehen so aus wie sie selbst: schlaff. Trotz reichlicher Verwendung von Sex, Alkohol und Drogen. Sie kennen nichts anderes. Die jungen deutschen Autoren haben in ihrer Schule kaum deutsche Klassiker mehr gelesen. Statt dessen lasen sie im Deutschunterricht Günther Wallraff und seine Nachahmer. Ausnahmen bestätigen die böse Regel nur. Die „große Bewegung der Schüler und Studenten“ war angetreten, um Deutschland zu verändern. Es ist ihnen tatsächlich gelungen. Aber fragen Sie mich nicht, wie. Wie sieht denn das Land aus? Nach verordnetem Antifaschismus und politischer Korrektheit, friedlichen Demonstrationen und mörderischen Terroristen – manchmal auch friedlichen Demonstrationen für mörderische Terroristen – nach befreiten Menschen und befreienden Drogenräuschen, sozialer Gerechtigkeit und Gerechtigkeit für die Völker der Dritten Welt, nach dem tiefen Schock, den der Zusammenbruch des Kommunismus für alle Linken war. Es war wie im Märchen. Ach, wir alle, die wir dabei waren, glaubten an des Kaisers neue Kleider und bestärkten andere in dem Glauben. Aber da war nichts. War nur die Ausführung schlecht – die Idee gut? Der Kern gut? Wir wissen heute, daß der Kern hohl war wie eine taube Nuß: das perfekte monokausale System des Sozialismus, das zuerst als fehlerfrei gepriesen, später als fehlerhaft, aber veränderbar beschrieben wurde. Die Fehler würden korrigiert werden, hieß es. Fehler, die nichts zählen sollten gegen die einmalige Größe der Sache. Doch das System des Sozialismus hatte gar keinen Fehler. Es war der Fehler.

Das Land ist still – noch. Zur Stunde, da diese Zeilen geschrieben werden, regiert die Große Koalition – noch. Von der Gnade der SPD-Linken abhängig. Schon jetzt laviert Angela Merkel halbherzig zwischen den SPD-Linken und der CSU. Aber wieviel 68er steckt in der Union? Das plötzliche Wiederauftauchen der alten KPD-Sprüche von der weltweiten Ausbeutung und der Phantasien des Dr. Marcuse von der sexuellen Befreiung und der kollektiven Erziehung der Kinder auf dem SPD-Parteitag überrascht nicht. Aber der Unfug steckt leider schon tief in der CDU, wird von einer Mitgliederschicht getragen, die selber angekränkelt ist von 68ern und vieles gutheißt: Zwangs-Krippen für Kinder der Ärmeren durch Streichung des Erziehungsgelds (die Reichen ziehen ihre Kinder gerne selber auf, mit Reitpferd, Schäferhund und Küchenhilfe wie Frau von der Leyen), Ermunterung für noch mehr Scheidungen (wir stehen heute schon bei 44 Prozent), eine Mindestlohn-Kampagne, hinter der bereits ganz offen diskutiert wird über das Endziel: Grundsicherung für alle (= Geld ohne Arbeit!). Dennoch stehen die Zeichen auf Ende. Denn die Menschen können bis drei zählen. Sie sehen das Ergebnis. Immer mehr Zwang, Verbote, Verordnungen, immer weniger Geld in der Tasche. Keine Große Koalition, die noch etwas bewegt, nur große Fragezeichen, wie lange sie noch besteht. Wie lange noch? So lange, bis die Linken in der SPD den Zeitpunkt für Neuwahlen gekommen sehen. Und dann werden sie nicht einen Augenblick zögern, die alte Honeckerpartei, die jetzt Die Linke heißt, in die Regierung zu holen. Auch die Große Koalition war ein Fehler. Einen Fehler kann man machen. Wenn man ihn nicht schnell korrigiert, hat man schon den zweiten Fehler gemacht. Das sollte die Union wissen.


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