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24.11.07 / AI begann mit einer Pressekampagne / Am Dreifaltigkeitssonntag 1961 erschien Peter Benensons Artikel »Die vergessenen Gefangenen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

AI begann mit einer Pressekampagne
Am Dreifaltigkeitssonntag 1961 erschien Peter Benensons Artikel »Die vergessenen Gefangenen«
von Manuel Ruoff

Die Gründungsgeschichte von Amnesty International (AI) ist legendenumwoben. Die Geschichte von AI soll an einem Morgen im November des Jahres 1960 in einem Zug der Londoner U-Bahn begonnen haben. Peter Benenson befand sich auf dem Weg zu seinem Anwaltsbüro in Londons traditionsreichem Juristenviertel Temple und warf einen Blick in die Zeitung. Dabei stieß er auf einen Artikel über zwei portugiesische Studenten, die in ihrem Heimatland zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden waren, weil sie in einem Restaurant in Lissabon auf die Freiheit angestoßen hatten.

Dieses Erlebnis in der U-Bahn soll bei Benson den Entschluß zu einer schier beispiellosen Pressekampagne ausgelöst haben, die zwar legendär, aber nun keineswegs Legende ist. Benson gelang es, den „Observer“-Herausgeber David Astor dazu zu bewegen, ihm die Titelseite des „Weekly Review“, eines Magazinteils der Zeitung, zur Verfügung zu stellen. Der katholische Konvertit wählte den Dreifaltigkeitssonntag. Am 28. Mai 1961 erschien Bensons Artikel mit dem Titel „Die vergessenen Gefangenen“.

Nachdem der Leser für das Problem der staatlichen Verfolgung politisch Andersdenkender sensibilisiert worden ist, wird „Appeal for Amnesty“ vorgestellt: „Dieser Feldzug, der heute gestartet wird, geht auf eine Initiative einer Gruppe Londoner Rechtsanwälte, Schriftsteller und Verleger zurück, die die Überzeugung Voltaires teilen: ,Ihre Ansichten sind mir zuwider, aber ich bin bereit, mein Leben dafür zu geben, damit Sie sie uneingeschränkt äußern dürfen.‘ Wir haben eine Geschäftsstelle in London eingerichtet, die Unterlagen sammeln soll über Namen, Anzahl und Zustand der ,Gewissensgefangenen‘, wie wir sie nennen wollen … Unsere Stelle wird von Zeit zu Zeit Pressekonferenzen abhalten, um die Aufmerksamkeit auf Gewissensgefangene zu lenken, die unparteiisch aus verschiedenen Teilen der Welt ausgesucht werden. Unsere Geschäftsstelle wird sachliche Informationen vermitteln, und zwar an jede Gruppe, bestehende oder neue, in jedem Teil der Welt, die sich entschließt, an einer besonderen Bemühung zugunsten der Meinungs- und Glaubensfreiheit mitzuwirken.“

In einem Kästchen auf der selben Seite wurden noch einmal die Ziele mit „1. Unparteiisch für die Haftentlassungen jener zu arbeiten, die wegen ihrer Meinung eingesperrt sind. 2. Für sie einen fairen und öffentlichen Prozeß zu erwirken. 3. Das Asylrecht zu erweitern und politischen Flüchtlingen bei der Arbeitsbeschaffung zu helfen. 4. Eine wirksame internationale Maschinerie zu veranlassen, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu garantieren“ aufgeführt und der Leser animiert, mitzumachen oder zumindest doch weitere Informationen anzufordern.

Aufgrund des Einflusses des „Observers“ und seines Herausgebers erschien Bensons Aufruf außer in den 600000 Exemplaren der Zeitung noch in 30 weiteren Blättern der westlichen Welt. Entsprechend groß war das Echo der Leser und ihre Bereitschaft zum Mittun. Die Arbeit konnte beginnen. Als Name für die Aktion wurde ob der guten internationalen Verständlichkeit über Sprachgrenzen hinweg die Wortkombination „Amnesty International“ gewählt, als Logo die von Stacheldraht als Symbol der Unfreiheit umgebene Kerze, getreu dem Sprichwort. „Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als sich über die Dunkelheit zu beklagen.“


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