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24.11.07 / Auftakt zu neuer Gewalt / Wahl im Kosovo: Während der Wahlsieger die Unabhängigkeit fordert, leidet die Bevölkerung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

Auftakt zu neuer Gewalt
Wahl im Kosovo: Während der Wahlsieger die Unabhängigkeit fordert, leidet die Bevölkerung
von Wolf Oschlies

Wenn im Kosovo alles schlimmer werden muß, bevor es besser werden kann, dann haben die Wahlen am 17. November ihren Zweck erfüllt: Hashim Thaci, vorbestrafter Mörder und skrupellosester Terrorist der UCK, und seine „Demokratische Partei“ (PDK) haben mit weitem Vorsprung gesiegt, was das denkbar schlechteste Resultat ist. Bereits im Februar 2005 hat der BND ihn in einem Geheimbericht als „Schlüsselfigur krimineller Netzwerke“ bezeichnet, der „engste Verflechtungen zwischen Politik, Wirtschaft und international operierenden Strukturen der organisierten Kriminalität im Kosovo“ beaufsichtigt und „kein Interesse am Aufbau einer funktionierenden staatlichen Ordnung“ hat. Wenige Tage vor der Wahl hat eine Gruppe unabhängiger albanischer Experten Thaci und weitere 62 kosovarische Spitzenpolitiker der Veruntreuung von Millionen Euro internationaler Finanzhilfen beschuldigt, was außer Drohungen gegen die Ankläger keinerlei Wirkung hatte.

Auf die PDK entfielen rund 35 Prozent, auf die „Demokratische Liga“ (LDK) des verstorbenen Ibrahim Rugova 22, auf die LDK-Splittergruppe „Demokratische Liga Dardaniens“ (LDD) zehn, auf die „Allianz für die Zukunft“ (AAK) des vor dem Haager Tribunal stehenden Kriegsverbrechers Ramush Haradinaj ebenfalls zehn und 13 auf die „Allianz für ein neues Kosovo“ (AKR) des Bexhet Pacolli, der von der Schweiz aus mit undurchsichtigen Geschäften in Rußland und der GUS ein Millionenvermögen anhäufte. Alle diese Parteien fordern die sofortige Unabhängigkeit des Kosovo, für die sich die internationale Gemeinschaft (ausgenommen die USA) immer weniger erwärmen mag. Dennoch pries Joachim Rücker, deutscher Chef der internationalen Übergangsverwaltung des Kosovo (UNMIK), die Wahl als „Beweis für die Reife der kosovarischen Demokratie, wozu ein Glückwunsch für die Menschen angebracht ist“. Dieses Lob

Rückers konnten auf einer Pressekonferenz am Tag nach der Wahl nicht einmal albanische Journalisten verstehen, die bohrend nachfragten, ob eine Wahl mit einem „Rekordtief“ an Wahlbeteiligung, etwa 40 Prozent, überhaupt Legitimität für Politiker vermittele.

Der schwäbische Provinzbürgermeister Rücker hatte die Wahlen in engster Nähe zum 10. Dezember terminiert, an welchem Tag UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen Abschlußbericht zu den Kosovo-Statusverhandlungen erwartet. Dazu hatte die „Troika“ – USA, Rußland, EU – den Kosovaren seit Monaten goldene Brücken gebaut, um sie von ihrem Unabhängigkeitsbegehren abzubringen, zuletzt mit dem sogenannten „Hongkong-Modell“ („ein Staat, zwei Systeme“), aber es war vergeblich. Man werde „unmittelbar nach dem 10. Dezember“ die Unabhängigkeit proklamieren, hatte Thaci noch in der Wahlnacht verkündet. Das war Unsinn, denn vor Mitte Januar 2008 wird das neue Parlament nicht konstituiert sein. Viel wichtiger ist, was allein die Korrespondentin des Russischen Fernsehens aus dem Kosovo meldete: Die Menschen interessieren sich kaum für die Unabhängigkeit, da  ihnen Arbeitslosigkeit, Armut und ökonomische Misere weit mehr unter die Haut gehen; weil die Parteien nichts für die Menschen tun, haben die Menschen die Parteien nicht gewählt, daher die extrem niedrige Wahlbeteiligung.

2002 haben albanische Wirtschaftsforscher um Shkelzen Maliqi einen „Frühwarnbericht“ zur Lage im Kosovo publiziert: Arbeitslosigkeit bei 80 Prozent, Analphabetismus hoch, Lebensstandard im Keller, Außenhandelsbilanz hoch defizitär, fremde Investoren Fehlanzeige, durch Rückzug internationaler Organisationen Verlust von 50000 Jobs. Anfang Oktober 2007 hat eine Studie des luxemburgischen Außenministeriums belegt, daß die Verhältnisse noch schlimmer geworden sind und etwa 64 Prozent der Kosovaren an oder unter der Armutsgrenze (1,42 Euro pro Person / Tag) leben. Seit acht Jahren steht eine Volkszählung aus, niemand weiß, wie viele Menschen im Kosovo leben, es gibt keine Daten zu Alters- und Erwerbsstruktur, die die Basis für eine konstruktive Politik wären. Die aber wollen die Kosovo-Politiker nicht, da ihre „Interessen“ beim Drogenhandel liegen, der vom Kosovo aus 70 Prozent des europäischen „Marktes“ beliefert, beim Waffenschmuggel (über 700000 illegale Waffen im Umlauf) und vor allem beim Menschenhandel, wo das Kosovo ein „Monopol“ in Europa hält. So besagen es Berichte von UNMIK und OSZE, die die Ineffizienz der Justiz und Gleichgültigkeit der Politik für solche Untaten verantwortlich machen.

Vor früheren Kosovo-Wahlen wurden ausländische Journalisten gewarnt, daß es im Kosovo lebensgefährlich sei, irgendeine slawische Sprache zu sprechen. Heute ist die Aggressivität, die UCK-Nachfolger wie die „Albanische Nationalarmee“ (AKSh) in der Region verbreiten, überall bekannt. Vor wenigen Wochen hat sich die AKSh in Nord-Makedonien eine blutige Niederlage eingehandelt, fortan wird sie im Kosovo ihr Unwesen treiben – in Konkurrenz zu den Terror- und Geheimdiensten der großen Parteien, etwa „Sigurimi i Atdheut“ (Sicherheit des Vaterlands) von Rugovas LDK, der jetzt Präsident Sejdiu vorsteht. Nach der Wahl wird hier ein Waffenstillstand eintreten, da die Todfeinde Thaci und Sejdiu eine große Koalition eingehen müssen.

Dieses Kosovo in die Unabhängigkeit zu entlassen, wäre nicht nur ein Verstoß gegen das Völkerrecht, konkret gegen die UN-Resolution 1244 von 1999 (die das Kosovo als Teil Serbiens mit „substantieller Autonomie“ definiert); es wäre auch eine Belastung für die EU, die bald die UN im Kosovo ablösen soll – womit neue Milliardenlasten, die dort wirkungslos verschwinden, auf die Europäer zukommen.

Foto: Rekordtief bei der Wahlbeteiligung: Die arme Bevölkerung wird von anderen Sorgen geplagt.


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