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24.11.07 / Eine Art Kuhhandel / Wird Polens Zustimmung zum Zentrum gegen Vertreibungen erkauft?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

Eine Art Kuhhandel
Wird Polens Zustimmung zum Zentrum gegen Vertreibungen erkauft?
von Klaus D. Voss

Die neue polnische Regierung unter Donald Tusk hat ihre Ziele weit gesteckt. Will sie in Europa vorankommen, muß sie zunächst die offenen Fragen im Umgang mit Deutschland klären – an Berlin führt kein Weg vorbei. Kein leichtes Unterfangen, denn Tusks Amtsvorgänger Jaroslaw Kaczynski hatte die Beziehungen mit aller Leibeskraft belastet.

Anfang Dezember wird Tusk auf Antrittsvisite in Berlin Farbe bekennen müssen. Die Bundesregierung hat inzwischen in den polnischen Medien lanciert, wie sie sich Schritte zu einer möglichen Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen vorstellt. Punkt eins: Polen soll seinen Widerstand gegen das geplante Zentrum gegen Vertreibungen aufgeben und könnte dafür mit einer eigenen Gedenkstätte entlohnt werden. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann, Berichterstatter der CDU-Fraktion für Polen, brachte einen Gedanken ins Spiel, den das Magazin „Newsweek Polska“ sofort im Land verbreitete – auf Schloß Colditz im sächsischen Muldetal könnte im Gegenzug eine Gedenkstätte für den polnischen Widerstand im Zweiten Weltkrieg eingerichtet werden.

Das Schloß spielt insoweit eine herausgehobene Rolle, weil es ab 1939 als Hochsicherheitsgefangenenlager für Offiziere (Oflag IVc) diente und dort auch 140 polnische Offiziere untergebracht waren. In den alliierten Kriegsbeschreibungen wurden besonders die zahlreichen Ausbruchsversuche („The Colditz Story“) glorifiziert.

Den Streit um die deutschen Kulturgüter in Polen will die Bundesregierung auf ausgesprochen pragmatische Weise angehen: Sie will vertagen. Wellmann brachte gegenüber „Newsweek Polska“ den Gedanken ins Spiel, ein internationales Beratergremium zu berufen: mit Wladyslaw Bartoszewski, Zbigniew Brzezinski, Vaclav Havel und Richard von Weizsäcker.

Eher zielführend könnte der inoffizielle Vorschlag sein, den Streit um die russisch-deutsche Erdgaspipeline zu entschärfen. Polen soll den Gedanken aufnehmen, mit einer Stichleitung an das deutsche Gasnetz angebunden zu werden, um mehr Versorgungssicherheit zu erhalten.

Polen benötigt dringend die Unterstützung Deutschlands in der EU, um das ehrgeizigste Ziel der Regierung Donald Tusk angehen zu können: „Die Polen sollen nicht mehr emigrieren müssen“, hatte die Tusk-Bürgerplattform PO im Wahlkampf versprochen. Aber ohne verläßliche Beziehungen zum Nachbarn Deutschland wird Warschau seine sehr ehrgeizigen Wachstumsziele in der Wirtschaft nicht umsetzen können – der Flurschaden aus der kurzen Kaczynski-Ära bestimmt noch das Klima zwischen den Ländern.

Ob die Regierungsmannschaft von Tusk die Erwartungen in den Nachbarländern ganz erfüllen kann, ist noch offen. Die Bandbreite reicht vom neuen Außenminister Radoslaw Sikorski, einem streng angelsächsisch ausgerichteten Weltbürger, bis zu Waldemar Pawlak, den Chef des Koalitionspartners PSL (Bauernpartei). Wirtschaftsminister Pawlak hatte schon verschiedene Bündnisse ausprobiert, auch mit den polnischen Altkommunisten. Er gilt bei seinen Landsleuten als „flexibler Charakter“, was in Polen keine Auszeichnung ist.


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