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24.11.07 / Ein Prinz zwischen Liebe und Pflicht / Aus Gründen der Staatsräson durfte der spätere Kaiser Wilhelm I. seine große Liebe Elisa Radziwill nicht heiraten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-07 vom 24. November 2007

Ein Prinz zwischen Liebe und Pflicht
Aus Gründen der Staatsräson durfte der spätere Kaiser Wilhelm I. seine große Liebe Elisa Radziwill nicht heiraten
von Karel Chemnitz

Im Sommer 1826 soll für Preußen-Prinz Wilhelm eine Welt zusammengebrochen sein. Aus der Traum von einer Liebesheirat! König Friedrich Wilhelm III. hat ein „Machtwort“ gesprochen. Nach „reiflicher Überlegung“ hätten „eigene Überzeugung und Pflichtgefühl“ zu dieser Entscheidung geführt, läßt er dem 30jährigen Sohn übermitteln. Die Interessen des Hauses Hohenzollern müßten unverletzt erhalten bleiben. Es gebe keinen Zweifel, so der König, daß „die Sache hiermit als völlig erschöpft und beendet betrachtet werden muß ...“

„Die Sache“ ist eine junge Frau – die Prinzessin Elisa Radziwill. Zu diesem Zeitpunkt Anfang 20 und nicht unattraktiv. Caroline von Rochow schreibt jedenfalls: „Ohne schön oder nur ausgezeichnet zu sein, war sie es wohl auch nicht an Geist, Verstand oder Festigkeit des Charakters. Aber es lag in ihrem ganzen Wesen soviel Grazie der Seele, ein solches Wohlwollen, Freundlichkeit, eine solche Anmut, daß sie gewiß bei jedem, der sie gekannt, das schönste Andenken hinterlassen hat.“

Bei Prinz Wilhelm soll es schon 1817 „gefunkt“ haben. Bei einer wohl eher freundschaftlichen Umarmung der damals knapp 14jährigen, wie sich aus Tagebuch-Notizen vermuten läßt. „Ihr liebliches Äußere und ihr sanftes einfaches Wesen zogen mich unendlich an; ich fühlte, daß sie mir nicht gleichgültig war.“ Wilhelm kannte das Mädchen von klein auf. Nach dem frühen Tod der Mutter, der legendären Preußen-Königin Luise, vermutete Vater Friedrich Wilhelm III. bei den Radziwills das geeignete Umfeld für die Erziehung seiner Sprößlinge. Heute würde man respektlos von einem „Nobel-Internat“ sprechen, denn neben den sieben eigenen Kindern nahm sich Luise Radziwill auch der illegitimen Kinder des gefallenen Prinzen Louis Ferdinand sowie der sieben „Königskinder“ an. Fürst Anton Radziwill war ein reicher polnischer Adliger. Nach dem Wiener Kongreß hatte ihn der König zum Generalgouverneur von Posen gemacht. Wahrscheinlich auch zum Dank, daß die Radziwills das Königspaar auf der Flucht vor den Truppen Napoleons bei sich aufnahmen. 

Luise Radziwill selbst stammte aus dem preußischen Königshaus. Sie war eine Tochter von Prinz Ferdinand, dem jüngsten Bruder von Friedrich dem Großen.

Angesichts der Romanze des zweitältesten Prinzen schwante dem Hof Unangenehmes. Minister  Seyn-Wittgenstein-Hohenstein ließ ein Gutachten erstellen, ob eine solche Ehe überhaupt legitim sei. Experten meinten „Nein“. Andere Expertisen kamen zu anderen Aussagen. Fast ein Jahrzehnt dauerte die hochadlige Liebelei: Trennung und Wiederfinden, Liebesbriefe und Geständnisse. Wilhelm wußte sich offenbar zu trösten. Mit Emilie von Bronckhausen oder mit der Gräfin Oriola. Und seine Beziehungen zu Tänzerinnen, Schauspielerinnen und Sängerinnen waren nicht nur platonischer Natur. Das Auf und Ab hatte einen guten Grund, war doch die Erbfolge im Haus Hohenzollern in „Gefahr“. Solange Kronprinz Fritz – später König Friedrich Wilhelm IV. – nicht mit einem Thronfolger aufwarten konnte, lag die Verantwortung bei dem zweitgeborenen Wilhelm. Deshalb war die Frage nach der Legitimität der Ehe zwischen Wilhelm und Elisa „höchst politisch“. Alle Familienmitglieder hätten sich einem Thron-Nachfolger aus dieser Verbindung unterordnen müssen. So war man schon auf den Gedanken gekommen, mit einer Adoption Elisas gesellschaftliche Stellung zu erhöhen. Doch der „Vater-Kandidat“, der russische Zar, lehnte ab. Widerstand kam übrigens auch aus Thüringen. Wilhelms jüngerer Bruder Karl sollte nämlich eine Prinzessin aus Sachsen-Weimar-Eisenach heiraten. Deren Mutter, die Großherzogin Maria Pawlowna, wollte nun nicht zulassen, daß ihre Tochter, eine Enkelin des russischen Zaren, hinter der Tochter eines polnischen Adligen zurückstehen mußte. Nun also hatte der König seinem Lieblingssohn in die Grenzen verwiesen. In einem Retour-Schreiben akzeptierte der Sohn die Entscheidung und dankte „für die unzähligen Beweise Ihrer Gnade, Liebe und Langmut“.

Das war genau der Stoff für Hohenzollern-Legenden. Eine eher tragisch-komische Liebesgeschichte wurde zur Staatsaffäre. Der Kandidat auf die Königskrone verzichtet aus Staatsräson auf sein persönliches Glück. Am nächsten Tage trafen sich Vater und Sohn auf der Pfaueninsel auf dem Berliner Wannsee. „Mit starrem, tiefem ernsten Blick sah er mich an, zog mich an seine Brust, und die heißesten Tränen flossen von beiden Seiten“, hielt der Prinz für die Nachwelt fest. Der Verzicht erfolge „in frommer Demut und völliger Ergebenheit in den Willen des Höchsten“ und „in stummer und frommer Überzeugung, daß Gottes Wege nicht die unsern sind“. Der König wußte die Haltung der jungen Frau zu schätzen. Er verlieh ihr den Luisen-Orden. Eine Auszeichnung für Damen, die sich um das preußische Vaterland verdient gemacht haben.

Die Erbfolge blieb indes im Hause Hohenzollern ein Problem. Aus der Ehe des Kronprinzen ging kein Stammhalter hervor. So heiratete der Zweitgeborene Wilhelm standesgemäß eine Thüringer Prinzessin. Seine Ehefrau Augusta wird an seiner Seite Königin und Kaiserin, doch mit Liebe hat die Ehe wohl wenig zu tun. Prinz Wilhelm trifft seine Jugendliebe nach wie vor bei Hofe. Später zieht sich Elisa schwerkrank nach Freienwalde östlich von Berlin zurück. Dort ist die nicht einmal 31jährige Prinzessin am 29. September 1834 an Schwindsucht gestorben. Ihr Bild stand bis zum Tod des Kaisers  auf dessen Schreibtisch!


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