23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.12.07 / Jenseits der Realität / Kroatien nach der Wahl: Wende oder Weiterwursteln?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-07 vom 01. Dezember 2007

Jenseits der Realität
Kroatien nach der Wahl: Wende oder Weiterwursteln?
von Wolf Oschlies

Zum sechsten Mal seit Kroatiens Unabhängigkeit waren vergangenen Sonntag rund vier Millionen Bürger aufgerufen, die 160 Abgeordneten des „Sabor“ , des Parlaments, zu küren. Auch diese Wahl war wieder von einem längst bekannten Betrugsskandal belastet: „Diaspora-Kroaten“, darunter 400000 in Bosnien, also Bürger eines fremden Staates, haben mitgestimmt, was der Soziologe Slavo Kukic von der Kroatischen Universität Mostar als einmalige Manipulation rügte: „Wo in der Welt werden sonst noch Wahlkämpfe im fremden Land geführt, als ob es das eigene wäre?“

Ivo Sanader ist seit 2000 Führer der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ), die der frühere Präsident Franjo Tudjman gegründet hatte und die nach seinem Tod 1999 eine Wahlniederlage erlebte. Sanader reformierte die HDZ und führte sie 2003 zurück zur Macht.

Am Sonntag verkündete er vier Stunden nach Wahlende den erneuten Sieg der HDZ. Auch ein Glückwunsch von Angela Merkel lag bereits vor, obwohl die HDZ mit 60 Mandaten nur drei Sitze mehr als die oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) hat und auf Koalitionäre angewiesen ist, wenn sie ihre Macht bis 2011 behalten will. Volkspartei (HNS, sieben Mandate) und Demokraten Istriens (IDS, drei Sitze) gehen mit der SDP, aus der „Diaspora“ kann die HDZ noch fünf Mandate bekommen, weitere acht von Bauernpartei und Liberalen. Doch die verlangen ein Verbot des Grundstückverkaufs „an Ausländer“ und die Ausrufung einer kroatischen „Zone“ in der Adria, was beides nicht zu den EU-Ambitionen der HDZ paßt. Bleiben die rund 15 Mandate von Rentnerpartei, Rechten und ethnischen Minderheiten. Die kommenden Wochen stehen im Zeichen anstrengender Verhandlungen, wie SDP-Chef Zoran Milanovic bereits in der Wahlnacht ankündigte.   

Rund um die Wahl profilierte sich vor allem der einzige Politiker, der mit ihr formal nichts zu tun hatte: Staatspräsident Stipe Mesic. Schon in seiner Rede am 17. Oktober, mit der der Wahlkampf begann, warnte er vor einer Politik hohler Phrasen, unerfüllbarer Versprechen und nationalistischer Isolation, was so eindeutig gegen die HDZ ging, daß er Sanaders Partei nicht mehr namentlich erwähnen mußte.

Später rügte Mesic Sanaders Wirtschaftspolitik: „Kroatien ist ein Land, das zu viel verbraucht und zu wenig arbeitet.“ Nach Berechnungen von Ljubo Jurcic, Chef des Verbands der Ökonomen und sozialdemokratischer Kandidat für das Amt des Regierungschefs, gibt es in Kroatien nur 900000 Beschäftige, die 3,5 Millionen Arbeitslose, Rentner, Kriegsinvaliden etc. durchschleppen müssen. Ein Fünftel der Bevölkerung lebe in Armut, 80 Prozent aller Haushalte verfügten über Monatseinkünfte, die unter dem Lebensnotwendigen lägen.

Die reale Arbeitslosigkeit beträgt mindestens eine halbe Million. Jedes Jahr importiert Kroatien doppelt soviel wie es exportiert, was 2006 ein Defizit von 2,7 Milliarden Euro ergab. Daran ist die seit Jahren überbewertete Währung Kuna schuld. Pro Jahr häuft das Land drei Milliarden Euro Auslandsschulden an, was sich laut Zeljko Rohatisnki, Gouverneur der Nationalbank, Mitte November 2007 auf 30,9 Milliarden Schulden summierte. Diese Schuldensumme entspricht etwa 90 Prozent der gesamten Wertschöpfung der kroatischen Volkswirtschaft, was allein den EU-Beitritt Kroatiens verhindern dürfte.

Das alles kümmert die Sanader-Regierung nicht, sie gaukelte vielmehr den Wählern vor, Kroatien könne unter HDZ-Führung „in der ersten Hälfte 2009“ EU-Mitglied sein. Die Wahrheit: Zwar konstatierte die EU-Kommission Anfang November einige Fortschritte Kroatiens, aber Stagnation der wichtigsten Bereiche Reform von Wirtschaft, Justiz und Verwaltung, Bekämpfung der Korruption, Rückkehr der Flüchtlinge, dazu eigenmächtige Pläne um die Seegrenze in der Adria zulasten des Nachbarn Slowenien, der längst EU-Mitglied ist, 2008 die EU-Präsidentschaft innehat und sie wohl kaum zu Kroatiens Vorteil ausüben wird.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren