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08.12.07 / Keine militärischen Ehren zur Beisetzung / Eitel Friedrich Prinz von Preußen wurde nach anfänglichem Interesse schließlich zum Gegner der Nationalsozialisten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-07 vom 08. Dezember 2007

Keine militärischen Ehren zur Beisetzung
Eitel Friedrich Prinz von Preußen wurde nach anfänglichem Interesse schließlich zum Gegner der Nationalsozialisten
von Claus Heinrich Bill

Ein wenig erinnert das Leben des zweiten Sohnes Kaiser Wilhelm II., der heute vor 65 Jahren, am 8. Dezember 1942, zur Großen Armee abberufen wurde, an das des Prinzen Charles in Großbritannien: Erzogen im Bewußtsein, eventuell nach dem Tode des Vaters und des älteren Bruders den preußischen Königsthron übernehmen zu müssen, ständig in Bereitschaft sein müssend für die Übernahme der Regierungsgewalt und dennoch zeitlebens in diesem Wartestand verharrend, mußte Eitel Friedrich Prinz von Preußen sein Interimsleben zu einem Dauerleben werden lassen und dennoch seinen eigenen Lebensweg finden.

Diesen suchte er zwischen Neigung und Pflicht. Er verstand es, sich in ihm gemäßen Nischen einzurichten, dabei aber immer loyal zu seinem Vater, seinen Geschwistern, seinen Getreuen stehend. Loyalität und Treue waren daher zwei seiner hervorstechendsten Eigenschaften. Sie waren nicht nur anerzogen, sondern sicherlich auch Wesensinhalt seines aufrichtigen Charakters.

Geboren am 7. Juli 1883 im Marmorpalais Potsdam, wurde er zusammen mit dem bald nach dem Dreikaiserjahr 1888 zum Kronprinzen avancierten Bruder Wilhelm (1881–1951) erzogen. In der preußischen Armee erlernte er das Handwerk des Offiziers von der Pike auf. Bereits mit zehn Jahren wurde er als Leutnant in die Armee eingestellt, in der er es bis zum hochdekorierten Generalmajor bringen sollte.

Es hat Eitel Friedrich nicht an allerlei Möglichkeiten und Chancen im Leben gefehlt, weiter zu reüssieren. Das Schicksal hat es nicht gewollt, daß er an einen herausragenden Platz der Geschichte gestellt werden sollte. Um die Jahrhundertwende wurde seine Kandidatur als möglicher König von Norwegen nicht durchgesetzt.

Aber in anderer Hinsicht übernahm er die Traditionen seines Hauses. Er war sich der Verantwortung seiner Stellung im Gesamtkonzept des preußischen Königshauses sehr wohl bewußt. 1906 ehelichte er standesgemäß die oldenburgische Prinzessin Sophie Charlotte (1879–1964). Ab 1907 war er Herrenmeister der Balley Brandenburg des Ritterlichen Ordens Sankt Johannis vom Spital zu Jerusalem.

Bis in seine Erwachsenenjahre war er vorwiegend militärisch, karitativ, organisierend und in der Repräsentation tätig, zu sehen als Deputierter und Beauftragter des kaiserlichen Vaters im ganzen Deutschen Reich, bei familiären und gesellschaftlichen, politischen und historischen Feiern und Veranstaltungen.

Im Ersten Weltkrieg zog er als Kommandeur des sogenannten Ersten Regiments der Christenheit, des in Potsdam garnisonierten Ersten Garde-Regiments zu Fuß, an die Front und machte diesen Krieg vom Anfang bis zum Ende an der Ost- und Westfront mit. Wegen persönlicher Tapferkeit verlieh ihm sein Vater, ohne Rücksicht auf seine enge Verwandtschaft, den Orden Pour le mérite mit Eichenlaub; bekannt war sein Einsatz 1914 in der Schlacht bei Colonfay, wo er, ungeachtet der Sicherheit seines eigenen Lebens, dem gefallenen Tambour die Trommel entriß und selbst zum Sturme schlug, jederzeit bereit, sein junges Leben als geradezu friderizianisches Vorbild eines preußischen Offiziers zu opfern.

Das Ende des Ersten Weltkriegs war für Prinz Eitel Friedrich eine strenge Zäsur in seinem Leben, wenn nicht die strengste, die er je erlebte. Es war nach der Verarbeitung des Schocks infolge der Umwälzung aller Werte und der Staatsform der Zeitpunkt des Rückzuges ins Privatleben, des Fortfalls des Anspruches der Repräsentation und überhaupt eine Zeit der läuternden Krise für ihn. Infolge der Beschränkung der Alliierten auf das Hunderttausendmannheer war er, zuletzt Divisionskommandeur, arbeitslos geworden, zog aber auch diese Arbeitslosigkeit mit 35 Jahren einer weiteren Laufbahn im Reichsheer der Republik vor. Durch seine bereits in jungen Jahren erreichte hohe militärische Stellung war ihm der Lebensunterhalt noch weitere 24 Jahre bis zu seinem Tode gesichert. Er konnte sogar sein Domizil in der Villa Ingenheim in Potsdam behalten.

Nach dem Ende des Weltkrieges verschrieb er sich persönlichen Zielen: der Wiedereinführung der Monarchie sowie dem Schutz des Vaters, denn er stellte sich an seiner Statt den möglichen Kriegsverbrecherprozessen der Alliierten. Als Vertreter des preußischen Königshauses beteiligte er sich an den Verhandlungen der Vermögensauseinandersetzung der ehemaligen Krone mit dem Deutschen Reich in den Jahren 1921 bis 1926. Vorderrangig aber widmete er sich der militärischen Traditionspflege im Semper-Tails-Bund als dem Verband des alten Ersten Garde-Regiments zu Fuß und betätigte sich als Funktionär des Nationalverbandes Deutscher Offiziere sowie als Gaufüher Berlin des Nationalen Deutschen Automobil-Clubs. Als einfacher Sturmmann trat er dem „Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten“ bei und trat hier häufig öffentlich mit vielen anderen Kameraden sehr bewußt als Kamerad ohne Funktionärsrang auf. Vom Stahlhelm erhoffte er eine militärische Durchdringung des Staates. Ihn sah er als „Deutschlands Retter“ an.

In dieser Weimarer Zeit erlaubte sich Prinz Eitel Friedrich Brüche in seinem Leben: 1926 erfolgte die Scheidung von seiner Gattin. Die Ehe war zerrüttet und kinderlos geblieben. Als Folge der Trennung legte er kurz darauf die Herrenmeisterwürde nieder. In nicht hausgesetzmäßiger Verbindung und ohne Heirat, aber vor der Öffentlichkeit verheimlicht, lebte er nun mit einer Gräfin Mellin zusammen, für deren Sohn aus erster Ehe er die Rolle eines liebenden und zahlenden Ziehvaters übernahm.

Schon früh in seiner Jugend besaß Prinz Eitel Friedrich einen Hang zur Körperfülle, die mit fortschreitendem Alter sukzessive übermäßig zunahm und ihm einen körperlichen Schutzpanzer gegen psychische Außeneinflüsse bot. Die letzten bekannten Ablichtungen zeigen ihn kahlköpfig in Sonderanfertigungen seiner alten Generalsuniform.

Es war das alte Leben im Kaiserreich, dem der Prinz aufrichtig nachtrauerte. So blieb er bis zuletzt aufrechter Monarchist und Verfechter der Kronloyalität, bekämpfte die Weimarer Staatsform der Demokratie als „Novemberrepublik“ und forderte für Frontsoldaten mehr Einflußmöglichkeiten in der Politik.

Für das Engagement seines Bruders August Wilhelm im Nationalsozialismus zeigte er kein Verständnis, lehnte für sich selbst auch jede Betätigung seinerseits in, wenn auch nicht an Hitlers Bewegung ab. Zeitweise, vor der Machtübernahme, ließ er sich auf eine Liaison mit den braunen Scharen ein, unter anderem als Teilnehmer der „Harzburger Front“ im Oktober 1931 und des „Tages von Potsdam“ in der Potsdamer Garnisonkirche im März 1933, wo er sich als Aushängeschild Hitlers zu dessen angeblicher Preußennachfolge in Unkenntnis der wahren Ziele des Agitators  mißbrauchen ließ.

Seit nunmehr 55 Jahren liegt er in einem überirdischen Sarg im Antikentempel zu Potsdam im Park nahe dem Neuen Palais bestattet. Die Nationalsozialisten versagten ihm die Beisetzung mit militärischen Ehren, die einem Mann seines Ranges und einem wegen höchster Tapferkeit an der Front ausgezeichneten Ritter zugestanden hätte.

In gewisser Weise ist das Leben Prinz Eitel Friedrichs von Tragik überschattet, denn seine Welt war unweigerlich 1918 untergegangen und seine Anpassungsfähigkeit an eine neue Zeit mit neuen Werten war marginal; einen Wandel wollte und konnte er nicht vollziehen, und so lebte er nach 1918 noch über zwei Jahrzehnte lang als Rudiment einer verflossenen Epoche weitgehend im Privatleben ohne öffentliche Funktion, die sehr plötzlich weggebrochen war.

Foto: Eitel Friedrich von Preußen: Der hundeliebende Prinz 1920 in Stahlhelm-Uniform


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