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15.12.07 / Preußische Gefängnisse um 1888 / Holtzendorffs und Jagemanns »Handbuch des Gefängniswesens« schildert die Situation um das Dreikaiserjahr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Preußische Gefängnisse um 1888
Holtzendorffs und Jagemanns »Handbuch des Gefängniswesens« schildert die Situation um das Dreikaiserjahr

Wie es um das Gefängniswesen in Preußen bestellt war, ist für die Zeit um das Dreikaiserjahr in dem 1888 in Hamburg von Franz von Holtzendorff und Eugen von Jagemann herausgegebenen „Handbuch des Gefängniswesens“ nachzulesen:

„Unter der Leitung des Ministeriums der Justiz stehen gegenwärtig gegen 1000 Gefängnisse, zumeist Gefängnisse der Amts- und Landgerichte, aber auch mehrere selbständige große Anstalten. Nur 121 Gefängnisse sind so groß, daß sie bestimmungsgemäß Belagraum für mehr als 50 Köpfe haben, nur 22 können mehr als 200 Personen aufnehmen.

Die Verwaltung der Gefängnisse ruht im wesentlichen in der Hand der Staatsanwaltschaft. Der Oberstaatsanwalt leitet unter Oberaufsicht des Ministeriums die Gefängnisse des Oberlandgerichtsbezirks.

Die Geschäfte des Gefängnisvorstehers versieht an denjenigen Orten, welche Sitz eines Landgerichts sind, der erste Staatsanwalt, an anderen Orten der Amtsrichter. Für einzelne Gefängnisse von großem Umfange werden vom Justizminister besondere Beamte als Vorsteher angestellt. Die Geschäfte des Gefängnisinspectors werden entweder durch einen besonderen Beamten oder durch einen Bureaubeamten der Staatsanwaltschaft oder des Amtsgerichts versehen. Als Aufseher fungiert regelmäßig der Gerichtsdiener.

Unter der Leitung des Ministeriums des Innern standen am 1. April 1885 51 Strafanstalten; darunter große Anstalten mit über 1000 Köpfen: Graudenz, Berliner Stadtvogtei, Breslau, Werden, Cöln. Die Zahl der Einzelzellen stieg von 3247 im Jahre 1869 auf 5112 im Jahre 1883/84 und 5184 im Jahre 1884/85, so daß gegenwärtig etwa 16 bis 17 Prozent aller Sträflinge in Einzelhaft angehalten werden können. Dazu kommen noch etwa 4000 Schlafzellen beziehungsweise Schlafkojen, größtenteils in Eisenkonstruktion. Über 100 Rinzel-Vollzellen besitzen die Strafanstalten Moabit (483), Wehlheiden (408), Herford (394), Ratibor (380), Münster (332), Breslau (244), Halle (228), Insterburg (160) und Cottbus (100).

Für den Vollzug der Untersuchungshaft, der Gefängnisstrafe und der Haft ist die in Paragraph 4 Anmerkung 5 erwähnte allgemeine Verfügung vom 19. Februar 1876 noch in Kraft; einheitliche Bestimmungen über den Vollzug der Zuchthausstrafe fehlen. Jede Anstalt hat ihren Beamtenkörper.

Eine in manchen Beziehungen eigentümliche Stellung nehmen noch die Cantongefängnisse der Rheinprovinz ein. Im Bezirke des vormaligen Appellationsgerichtshofes Cöln sind nämlich die Gemeinden von der Französischen Zeit her verpflichtet, die Gefängnisse, in welchen die wegen „contraventions de simple police“ erkannten Freiheitsstrafen verbüßt werden, zu unterhalten und die Kosten zu tragen, welche durch die Beschaffung dieser Gefängnisse sowie durch die Beaufsichtigung und Verpflegung der darin untergebrachten, zu einer Haftstrafe von höchstens fünf Tagen verurteilten sogenannten Municipalgefangenen erwachsen. Diese Einrichtung hat von jeher zu vielfachen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gemeinden und der Staatsgewalt Anlaß gegeben. Insbesondere legte der seit Einführung der Reichsstrafprozeßordnung immer fühlbarer gewordene Mangel an geeigneten Haftlocalen den Wunsch nahe, die Einrichtungen möglichst bald zu beseitigen. Die Bemühungen der Preußischen Regierung haben aber bisher zu einem Ergebnis nicht geführt.“


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