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15.12.07 / Ost-Deutsch (45): Zug

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Ost-Deutsch (45):
Zug
von Wolf Oschlies

Der Schaffner genießt den Feiertag in vollen Zügen“ – kein Deutschlehrer, der diesen Witz nicht schon gehört oder gebracht hätte. Wie soll er seinen Schülern auch die Vieldeutigkeit des deutschen „Zug“ erklären: Schienen- oder Lastzug, Vogel- oder Luftzug, Zug aus dem Bierkrug, Zug Soldaten, Zug der Posaune oder des Flintenlaufs, Zug als Wesensmerkmal oder auf dem Schachbrett und unendlich mehr, was (fast) alles im Osten nachgemacht wird.

„Bezi Janko, cug ti bu pobegel“, warnt ein altes kroatisches Volkslied (im dicksten Gebirgsdialekt des Zagreber Hinterlands): Lauf, Janko, der Zug haut dir ab! Alle Südslaven haben panische Angst vor „promaja“, dem Luftzug, aber Sprachenwitze machen sie darüber ganz deutsch „Sedio sam u aijzlibanu kraj otvorenog prozora, pa me apsagao cug“ – Ich saß in der Eisenbahn am offenen Fenster und da hat mich der Zug herausgesaugt. Oder ein Beispiel aus balkanischem Trinkerjargon: „Nemoj da pijes sa Branom, kratak ti cug“ – Sauf’ nicht mit Brano, dein Zug ist zu kurz! „Cug“ (maskulinum) als Synonym für Gruppe, Gemeinschaft ist klar, und „cuga“ (femininum) ist traurig: „I tako smo Franju pokopali. Bilo je tuzno, kad je krenula cuga“ – So haben wir Franjo begraben, Traurig war es, als der Trauerzug sich bewegte. Im Russischen benennt „cug“ ein Gespann Pferde oder Ochsen und „cugom“ ein Hintereinanderfahren.

So weit, so übereinstimmend mit obigen deutschen Bezügen von Zug. Fehlt noch der Zug im Schach, den Russen und Bulgaren kultivieren. Die russische Armeezeitung „Krasnaja Zvezda“ (Roter Stern) bringt laufend Schachberichte, wer wann in „cugcvang“ geriet. Dito Bulgaren: „shertva, sled kojato cernite sa v cugcvang“ (Opfer, nach dem die Schwarzen in Zugzwang sind). Oder in übertragener Weise, denn (sagen Russen) „cugcvangom nazyvaetsja neprijatnaja situacija, ljuboj chod vedet k uchudseniju“ – Zugzwang heißt die unangenehme Lage, wo jeder Zug eine Verschlechterung einbringt. So leuchtet es ein, wenn russische Blätter von „kosovskij“, „irakskij“ oder „baltijski cugcvang“ sprechen und damit aussichtslose Verwicklungen im Kosovo, Irak oder Baltikum meinen. Bringen wir einander nicht in „cugcvang“, das wäre ein feiner Zug!


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