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15.12.07 / Giordano spricht Vertriebenen ihr Recht ab!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

»Moment mal!«
Giordano spricht Vertriebenen ihr Recht ab!
von Klaus Rainer Röhl

Der Kölner Schriftsteller Ralph Giordano ist aus der Unterstützergruppe für das „Zentrum gegen Vertreibungen“ ausgeschieden. Das ist eine Meldung wert. Im Jahre 2001 war er dem Kreis der Unterstützer beigetreten. Das war auch eine Meldung wert. Vor wenigen Tagen richtete er einen offenen Brief an den Außenminister und Vizekanzler Frank Walter Steinmeier, in dem er verlangte, einen Rap-Sänger (Migrations-Hintergrund) vor Gericht zu stellen, weil er in einem Gespräch mit Journalisten den Mord an dem holländischen Filmregisseur Theo van Gogh ausdrücklich gebilligt hat. Mit diesem reizenden Kerlchen, Muhabbet, hatte der Außenminister einen Auftritt in Berlin, mit einem glücklicherweise kaum verständlichen Rap-Song, bei dem der Außenminister zu dem hingerappten deutschfeindlichen Unsinn nur ab und zu „Deutschland!“ ins Mikrofon rappen mußte. Kein Scherz, leider. Die Fernsehjournalistin Esther Schapira hatte die Folterphantasien von Steinmeiers Gesangspartner der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Peinlich, peinlich. Ralph Giordanos offener Brief an den Außenminister hatte keine Nachwirkungen, war aber auch eine Meldung wert.

Ich finde, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ tut ihm Unrecht, wenn sie meint, daß „es ihm offensichtlich nur um einen Gag ging, als er öffentlich erklärte, zu den Unterstützern des Zentrums gegen Vertreibungen zu gehören“, und offensichtlich – das wäre die Schlußfolgerung – aus dem gleichen Grund sich wieder aus der Liste streichen ließ. Zahlreiche andere Handlungen, Strafanzeigen, Aufrufe, offene Briefe, Deklarationen und andere Handlungen, die sich am Telefon oder Internet leicht bewerkstelligen lassen, würden in diese Richtung weisen. Daß der Schriftsteller, dessen Bucherfolg von 1982 mit seinem autobiografisch gefärbten Roman „Die Bertinis“ reichlich lange her ist, jede Gelegenheit nutzt, sich ins Gespräch zu bringen, ist bekannt. Doch das wäre nur die halbe Wahrheit. Gewiß, sein Kampf gegen den Bau einer Riesenmoschee in einem der belebtesten Wohnviertel Kölns ist einsame Klasse. Eigenartig nur seine Begründung: Auf dem Weg zum Funkhaus, wo eine Diskussion stattfand, fühlte er sich durch den Anblick einer (vermuteten, sehen konnte er ja nichts) Mitbürgerin mit „Migrationshintergrund“, die von Kopf bis Fuß in einer dieser in Afghanistan und anderswo gebräuchlichen Ganzkörper-Vermummungen steckte, erschreckt, ja geradezu verletzt. Seine Sache. Deren Sache, so herumzulaufen. Gegen den aufdringlich bombastischen Moscheebau aber sind viele Kölner. Die Partei „Pro Köln“, immerhin mit fünf Sitzen im Kölner Stadtparlament, ist auch gegen den Moscheebau, aber ihre Unterstützung verbittet Giordano sich, weil sie „rechts“ sei. So kämpft er lieber allein gegen die Moschee und ihre provozierend 55 Meter hohen Betontürme und den militanten Islamismus, wie jener bekannte Kinoheld. Allein gegen die Mafia. Er kämpft eigentlich immer gegen etwas.

Ralph Giordano wohnt in Köln Tür an Tür mit mir, zwei Straßenecken weiter, mit dem selben Supermarkt, in einer der besten Wohngegenden Kölns, der kein Moscheebau droht. In dem selben Viertel wohnt übrigens auch Harald Schmidt, auch ein Unterstützer des „Zentrums gegen Vertreibungen“. Doch Giordano sehe ich fast nie, die letzte Einladung zu meiner Lesung lehnte er ab, was ich bedauerte. Vielleicht war es keine Meldung wert. Obwohl wir viele Gemeinsamkeiten haben, über die wir hätten plaudern können. So die Mitgliedschaft in der KPD seligen Angedenkens. Jugendsünden. Beide wurden wir, Ehre genug, von der KP ausgeschlossen – einen Austritt aus dieser Partei gibt es ja nicht, nur Ausschluß oder – Tod.  Wir haben jeder ein Buch über unsere Irrtümer geschrieben. Schwamm drüber. Aber keinen Schwamm über die blutigen Diktaturen. Sind die Russen nun ein Tätervolk mit Schuld an Stalins Völkermorden? Die Deutschen an Hitlers Verbrechen? Für Giordano keine Frage. Und weil die Initiatoren des „Zentrums gegen Vertreibungen“ in seinen Augen noch nicht „den vollständigen Bruch mit den traditionellen Berührungsängsten gegenüber der Nazi-Zeit“ bewiesen haben und „das deutschverursachte Morduniversum des Zweiten Weltkriegs und seiner Besatzungspolitik in den offiziellen Bekundungen immer noch notorisch zu kurz“ komme, habe er sich von den Listen der Unterstützer streichen lassen, schreibt Giordano dem „Spiegel“.

Ralph Giordano wird im März 85 Jahre alt sein. Kein Alter, könnte man sagen. Aber doch ein Grund, seinen eigenen Irrtümern und Lebenslügen langsam auf den Grund zu gehen. Lebenslügen sind Vorstellungen über die Vergangenheit und eigene Erinnerungen, die zu fixen Ideen geworden sind. Sehr schwer, sich Zeit seines Lebens von ihnen zu trennen. Versuchen wir, dabei zu helfen.

Als Grund für die jeden Tag aufs neue erhobene Behauptung, die Deutschen seien ein „Volk der Täter“ und sollten sich zu ihrer Mitverantwortung bekennen, wird genannt, daß die Deutschen am 6. November 1932 mit 33,56 Prozent aller Stimmen NSDAP gewählt und damit Hitler an die Macht gebracht hätten. Wenn wir richtig verstehen, soll damit eine Art gesamtschuldnerische Haftung begründet und festgeschrieben werden, nicht nur aller Deutschen, sondern auch ihrer Kinder und der in unserem Jahrhundert aufwachsenden Enkel und Urenkel. Eine Forderung, die von Generation zu Generation verlängert wird. Wer ist Deutscher? Alle Bewohner Deutschlands? Auch die mit dem „Migrationshintergrund“!? Nur über eine biologische  Blutsverwandtschaft wäre ein heute 18jähriger Deutscher für die Kriegsverbrechen und Massentötungen des NS-Regimes haftbar zu machen, dessen Großvater – oder Urgroßvater vielleicht zu den 33,56 Prozent der Wähler gehört hatte, die bei der letzten freien Reichstagswahl am 6. November 1932 Hitler gewählt und so die NSDAP zur stärksten Partei gemacht hatten. Da auch die KPD knapp 20 Prozent der Stimmen erhalten hatte, war also eine „negative Mehrheit“ der totalitären Parteien entstanden. So sah Reichspräsident Hindenburg nach langen Sondierungen keinen anderen Ausweg, als Hitler mit der Bildung einer Regierung zu beauftragen, zusammen mit den Konservativen. Bei der darauffolgenden Reichstagswahl im März – die KPD war nach dem Reichstagsbrand verboten, ihre Stimmen kassiert – wählten 43 Prozent  Hitler und ermächtigten ihn damit, mit Unterstützung der übrigen Parteien im Reichstag die parlamentarische Demokratie Stück für Stück abzuschaffen. Ab Juli 1933 war Deutschland eine Diktatur. Mit KZ, Gestapo und Sondergesetzen. Hier endet unbezweifelbar die Schuld jener 13 Millionen wahlberechtigten Urgroßväter- und -mütter, die Hitler gewählt hatten. Nicht, weil er versprochen hatte, die Juden zu ermorden, sondern die Arbeitslosigkeit zu beseitigen – über die Hälfte der Neuwähler hatten vorher KPD gewählt. Diesen Hitlerwählern und den übrigen Deutschen wäre höchstens der Vorwurf zu machen, daß sie nicht spätestens 1934 den Krieg und die späteren Deportationen und Kriegsverbrechen hellsichtig vorausahnend, den Kampf gegen die Diktatur aufnahmen und versuchten, Hitler zu stürzen. Gegen Gestapo, Polizei, Justizwillkür und den Terror auf den Straßen – die SA errichtete bereits die ersten, „wilden“, also halb-legalen KZ-Lager.

Die Lebenslüge von dem „Tätervolk“, das für die Verbrechen Hitlers haften müsse und das also nur sehr vorbehaltlich um die 2,2 Millionen bei Flucht und Vertreibung umgekommenen Deutschen trauern dürfe, wird nicht allein vom Einzelkämpfer Giordano vertreten. Die neueste Ausgabe der „Zeit“ bringt ein Interview mit dem ehemaligen polnischen Außenminister Bartoszewski, der mit der gleichen Begründung Angriffe gegen das geplante „Zentrum“ und seine Initiatorin vorträgt. In einer so in Deutschland noch nie zu lesenden Boshaftigkeit spricht er von der CDU-Politikerin als einer angejahrten Frau, als schöne Blonde und „blonde Bestie“.

Über Ralph Giordanos Begründung für seine Absage an Erika Steinbach, daß das „deutschverursachte Morduniversum in den Verlautbarungen des Zentrums notorisch zu kurz komme“, schrieb die „FAZ“: „Gegen diesen Vorwurf ist kein Kraut gewachsen. Wer ihn erhebt, will im Grunde gar kein Gedenken an deutsche Opfer wachhalten, weil eben dadurch die vorangegangenen deutschen Verbrechen immer in den Schatten gestellt würden. Die deutschen Untaten werden von niemanden, der Verstand hat, verschwiegen oder kleingeredet. Aber es ist auch das gute Recht der Vertriebenen, ja, des deutschen Volkes, der eigenen Opfer sichtbar zu gedenken. Giordanos Satz ‚Ohne die Verbrechen von Deutschen hätte es keine Verbrechen an Deutschen gegeben‘ zeigt ein eher schlichtes Geschichtsverständnis. Damit ist er wohl tatsächlich für eine Mitarbeit an diesem sensiblen Projekt nicht geeignet.“


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