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15.12.07 / Gaumenschmaus und Tafelfreuden / Norddeutsche Kunsthandwerker zeigten Accessoires für einen festlich gedeckten Tisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

Gaumenschmaus und Tafelfreuden
Norddeutsche Kunsthandwerker zeigten Accessoires für einen festlich gedeckten Tisch
von Silke Osman

Ungeachtet der anhaltenden Beliebtheit von Fernseh-Kochshows bleibt der Fast-Food-Boom in Deutschland ungebrochen: 90 Prozent der Bundesbürger besuchen zumindest gelegentlich ein Fast-Food-Restaurant, über 60 Prozent mindestens einmal im Monat und rund ein Viertel der 14- bis 30jährigen sogar mindestens einmal die Woche. Soweit eine Studie des Marktforschungs- und Beratungsinstituts psychonomics AG. Jeden vierten Konsumenten plagt nach dem Fast-Food-Genuß allerdings häufig ein schlechtes Gewissen – insbesondere viele der 14- bis 30jährigen (42 Prozent), die am meisten Fast Food konsumieren.

Als Kontrapunkt zu Burger, Pommes und Co. wurde 1986 von Carlo Petrini aus dem piemontesischen Bra anläßlich der Eröffnung einer McDonald’s-Filiale an der Spanischen Treppe in Rom der gemeinnützige Verein „Slow Food“, also langsames Essen, gegründet. Italienische Köche kochten zur Versinnbildlichung der regionalen Küchentradition Spaghetti, um auf diese Weise gegen die Verbreitung des Fast Food zu protestieren. Mittlerweile ist Slow Food eine internationale Vereinigung mit über 80000 Mitgliedern in über 100 Ländern auf allen Kontinenten geworden. In Deutschland wurde 1992 eine Sektion gegründet, die inzwischen rund 6000 Mitglieder hat. Das Logo von Slow Food ist übrigens die Schnecke – ein Symbol der Langsamkeit, das aber auch genießbar ist.

Bei den Anhängern des langsamen Essens steht der Genuß im Mittelpunkt. Eine weitere Maxime ist: Qualität braucht Zeit. Sie sagen: „Geschmack ist keine Geschmackssache, sondern eine historische, kulturelle, individuelle, soziale und ökonomische Dimension, über die durchaus gestritten werden soll.“

Die bewußten Genießer und mündigen Konsumenten haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu halten. Sie fordern eine verantwortliche Landwirtschaft und Fischerei, eine artgerechte Viehzucht, das traditionelle Lebensmittelhandwerk und die Bewahrung der regionalen Geschmacksvielfalt.

Prominente Slow-Food-Anhänger sind unter anderem die Starköche Eckart Witzigmann und Kolja Kleeberg, Kochbuchautor Alfred Biolek und Jan-Göran Barth, Küchenchef des Bundespräsidenten. Er hat das Ehepaar Köhler von den Vorzügen der regionalen Küche überzeugen können. Zu einem guten Essen gehört aber auch eine geschmackvoll gedeckte Tafel. Wie so etwas aussehen kann, welche Accessoires den Tisch schmücken und ihm ein besonderes Flair verleihen, das konnte man auf der diesjährigen Messe für das norddeutsche Kunsthandwerk bewundern. Seit über 125 Jahren gibt es diese Messe im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, die sich durch ihre gelungene Mischung aus Bewährtem und Experimentellem, aus Preiswürdigem und Talentiertem auszeichnet. „In den 60er und 70er Jahren überwog der Aspekt der Wohnkultur. Heute ist man eingerichtet, jetzt zieht die Messe eher am Sammeln Interessierte an“, faßt Messeorganisator Rüdiger Joppien seine Erfahrung der letzten eineinhalb Jahrzehnte zusammen. Tafelfreuden und Gaumenschmaus war das diesjährige Motto der Jahresmesse für das norddeutsche Kunsthandwerk. Damit wollten die Veranstalter auf die enge Beziehung von Tisch und Kunst hinweisen und unterstreichen, daß die Kunst im Leben steht. In den Vordergrund rückten sie die Accessoires der Tafel, Tisch- und Haushaltsgerät im weitesten Sinne, darunter kunstvolle Tafel-aufsätze, Leuchter und Vasen. Ziel war es, die Menschen wieder mit Lust an die Tafel gehen zu lassen und angesichts schöner Gläser, Silberwaren, Bestecke und Porzellane mit Genuß zu essen.

Im Mittelpunkt stand die Sonderschau „Die gedeckte Tafel“, die von aktuellen und ehemaligen Ausstellern bestückt wurde. Dazu wurden in einer kleinen Extraschau Beispiele heutiger Tafelkultur von zeitgenössischen Kunsthandwerkern gezeigt, die nicht mit einem eigenen Stand auf der Messe vertreten waren. Die Sonderstücke standen exemplarisch für neue Entwicklungen im Gerät und wiesen hinsichtlich ihrer formalen Gestaltung neue Wege.

Wunderschön die Beispiele, die Silberschmiede aus ihren Werkstätten und Ateliers mitgebracht hatten. Glänzende Kannen, Teller und Bestecke in klaren, klassischen Formen. Gleich daneben heiter-bunte Keramik, entweder nur als Schmuck der Tafel gedacht oder als Gebrauchsgegenstände wie Teller und Tassen präsentiert. Faszinierend die Schöpfungen aus Glas. Langstielige Gläser, die jede Hausfrau beim Gedanken an das Spülen ins Schwitzen geraten lassen, wechselten mit farbigen Kreationen von größtem Reiz.

Freia Schulze, die mit dem diesjährigen Justus-Brinckmann-Preis ausgezeichnet wurde, hatte Trinkgläser, Becher, Karaffen, Schälchen und Flakons mitgebracht. Die von ihr entworfen Kreationen werden farbig emailliert und sandgestrahlt. So entstehen auf der Oberfläche zarte Reliefs und bunt verstreute Ornamente, die sich beim genauen Hinsehen als Früchte oder Blumen entpuppen. Entstanden sind wahre Kleinodien, denen eine heiter-verspielte, poetische Wirkung innewohnt.

Justus Brinckmann, erster Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe von 1877 bis 1915, lag es vor allem daran, mit den Exponaten des Museums, aber auch mit der Kunsthandwerkermesse den Geschmack des Volkes zu bilden. Und da gibt es auch noch heute viel zu tun ...


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