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15.12.07 / »Du ganz mein eigenes, liebes kleines Frauchen« / Zärtliche Liebesbriefe des nüchternen General Helmuth von Moltke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-07 vom 15. Dezember 2007

»Du ganz mein eigenes, liebes kleines Frauchen«
Zärtliche Liebesbriefe des nüchternen General Helmuth von Moltke
von Dirk Klose

Helmuth von Moltke und Otto von Bismarck galten nach 1871 als Begründer der deutschen Einheit. Die Bewunderung für beide nahm in der Folgezeit mitunter religiöse Züge an. Während Bismarck aber besonders nach 1945 mehr und mehr kontrovers beurteilt wurde, ist Moltkes Ansehen eigentlich bis heute unbeschädigt geblieben. Zu deutlich spürt man noch immer, daß er preußische Tugenden wie Nüchternheit, Rationalität, Fleiß und Vaterlandsliebe in bester Weise verkörperte, ohne dabei überheblich gegenüber anderen Völkern oder Kulturen zu sein.

Im Gegenteil, Moltke war schon zu Lebzeiten wegen dieser Tugenden berühmt, aber auch hoch angesehen wegen seiner musischen Neigungen und seiner Weltläufigkeit. Weniger bekannt ist, daß er auch ein großer Liebhaber war, daß er seine um 25 Jahre jüngere Frau Marie geradezu abgöttisch liebte und ihr, wenn sie nicht beieinander sein konnten, wahre Liebesbriefe schrieb, die zu den schönsten in der deutschen Briefliteratur gehören. Zur Tragik seines Lebens gehört, daß die geliebte Frau verstarb, als er auf dem Zenit öffentlicher Bewunderung stand.

Moltke wurde im Jahr 1800 in Parchim geboren; die Jugendjahre verbrachte er in Kiel, wo sein Vater dänischer (!) Stadtkommandant war. Da er für sich in Dänemark keine erfolgreiche militärische Karriere sah, bewarb er sich um eine Anstellung in Preußen, die er 1822 erhielt. Die preußische Offiziersschule in Berlin schloß er 1826 mit „vorzüglich gut“ ab, was zu einer Anstellung im Preußischen Generalsstab führte. Vier Jahre war er  – ungewöhnlich genug für einen damaligen preußischen Offizier – Militärberater der türkischen Armee; seine bald danach veröffentlichten Reiseberichte stehen ebenbürtig neben Reiseschilderungen eines Fürsten Pückler oder Theodor Fontane. Nach mehren Kommandos in Preußen, dabei auch als Adjutant preußischer Prinzen, wurde er, inzwischen Generalmajor, 1857 Chef des Generalstabs der preußischen Armee – bis dahin eine Karriere nur in Friedenszeiten. Seine großen strategischen Leistungen in den drei sogenannten Einigungskriegen gegen Dänemark, Österreich und Frankreich erbrachte er – nach heutigen Begriffen – als Rentner.

Moltke hatte sieben Geschwister. Seine jüngste Schwester Auguste hatte sich mit dem Engländer John Heyliger Burt verlobt. Dieser hatte Besitzungen in England und Westindien und brachte aus erster Ehe eine Tochter – Marie Burt – mit. Sie war nach einem zeitgenössischen Bericht „ein lebhaftes, schönes Kind mit dunkelblondem Haar und braunen Augen, das durch seine Einfälle alle Welt entzückte“. Offenbar auch den neuen Onkel, dem sie nach kurzer Bedenkzeit dann trotz eines Altersunterschieds von 25 Jahren 1841 ihr Ja-Wort gab. Der Vater, skeptisch angesichts des Altersunterschieds, verlangte allerdings eine einjährige Bedenkzeit.

Moltke war diszipliniert genug, um diese Zeit mit innigen Briefen zu überbrücken. Im Mai 1841 schrieb er ihr: „Mein teures, liebes Mariechen. Da sitze ich nun schon zwei Tage in Berlin ohne Dich ... Du lebst in meinen Gedanken, ich sehe Deine freundliche Erscheinung und glaube zuweilen, daß Deine Seele mir nahe ist. Du sollst mein guter Engel sein und ich nehme mir fest vor, mich zu bessern, damit ich Deiner würdig werde. Gute Nacht, teure Marie, schlafe süß und sanft, und wenn Du erwachst, so denke freundlich an Deinen Helmuth.“

Und wenige Wochen später:  „My own dear, dear sweet little Mary, wie hold ist Deine Freude über unser baldiges Wiedersehen. Ach liebe Marie, mich quält nur der Gedanke, daß Du mich überschätzest. Wenn es mir doch gelänge, Dich ein paar Jahre glücklich und zufrieden zu machen, wie gerne will ich dann abscheiden … Gute Nacht, Du liebes süßes Herz. Wie will ich Dich ans Herz drücken, wenn ich Dich erst wiederhabe. Adieu adieu, der Deinige für immer.“

Kurz vor der Hochzeit – die Braut wohnt in Itzehoe, er arbeitet in Berlin – stellt er eine Art Verhaltenskodex für die gemeinsame Zukunft auf. Darin gibt er auch ein Stück von sich selbst preis, wie es kaum noch einmal in seiner umfangreichen Korrespondenz zu finden ist:

„Mein Mariechen! Nun sind es nur noch zehn Wochen, dann bist Du ganz mein eigenes, liebes kleines Frauchen … laß uns nur immer recht aufrichtig zueinander sein und ja niemals schmollen. Du hast wohl gemerkt, daß ich manchmal launisch bin; dann laß mich nur laufen, ich komme Dir doch zurück. Ich will aber sehen, daß ich mich bessere. Gerne werde ich es sehen, wenn man Dir recht den Hof macht. Ich habe auch nichts gegen ein bißchen Kokettieren. Es kann gar nicht ausbleiben, daß ich im Vergleich mit anderen Männern sehr oft zurückstehen werde. Auf jedem Ball findest Du welche, die besser tanzen, die elegantere Toilette machen, die bessere Laune sind als ich. Aber daß Du das findest, hindert gar nicht, daß Du mich nicht doch lieber haben könntest als sie alle, sofern Du nur glaubst, daß ich es besser mit Dir meine als alle diese. Und nun gib mir einen Kuß, so will ich das Schulmeistern sein lassen.“

Am 20. April 1842 wurde das Paar in der St. Laurentiikirche in Itzehoe getraut; Marie lebte fortan an seiner Seite und an den verschiedenen Orten seines Dienstes, – in Rom, in Koblenz, in Magdeburg und dann in Berlin. Moltke mußte in seiner hohen Stellung mehrfach Mitglieder der königlichen Familie bei Auslandsbesuchen begleiten; dann schrieb er ihr ausführliche Briefe und schilderte zum Beispiel aus Großbritannien mit großer Wärme für Land und Leute seine Eindrücke. Man spürt, er ist gerne in England und hat Gefallen am britischen Hof. Auch Alltägliches berichtet er, so am 3. Juli 1857 aus London: „Merkwürdig gute Betten hat man hier in England, sehr breit, nichts von den fatalen Sprungfedern, die sich immer schief legen, aber drei bis vier Roßhaarmatratzen übereinander, darüber noch eine wollende Decke und dann erst die Leintücher. Adieu liebes gutes Herz, laß mich bald hören, ob es Euch gut geht. Herzlichst Dein Helmuth.“

Die Siege gegen Dänemark und Österreich 1864 beziehungsweise 1866 machen aus Moltke mit einem Schlag einen in ganz Europa geachteten, ja bewunderten Feldherrn. In Schlesien erhält er das Gut Kreisau als Dotation, – jenes Gut, daß nach 1940 den Widerstand gegen Hitler, den „Kreisauer Kreis“, beherbergte. Aber während sich die allgemeine Bewunderung Moltkes ständig steigert, wird es um ihn einsam. Anfang Dezember 1868 erkrankt Marie an akutem Gelenkrheumatismus, der von hohem Fieber und starken Schmerzen begleitet wird. Zwei Wochen währt die Krankheit, die Hoffnungen gehen auf und ab. Am Nachmittag des Heiligen Abend ist Marie von Moltke, 42 Jahre alt, gestorben. Erschüttert berichtet Moltke seinem Bruder: „Heute Nachmittag drei Uhr schied unsere teure Marie aus diesem Leben. Ihre schönen Züge drücken noch jetzt die edle, gerade und treue Seele aus, welche sie allen so lieb machte. Keine ärztliche Kunst vermochte sie zu retten.“

Nach Moltkes Zeichnung wurde ihr in Kreisau ein Mausoleum erbaut, das für ihn zum liebsten Ort auf dem Gut wurde. In Berlin bezog er nach 1871 im neuen Gebäude des Generalstabs ein kleines Zimmer, in dem er am 24. April 1891 auch gestorben ist.  Seine großen militärischen Erfolge hatten ihn nicht zum Haudegen, im Gegenteil eher noch nüchterner gemacht. Einem Bewunderer schrieb er 1879 auf die Frage, wie Abrüstung denn möglich sei, diese werde erst kommen, „wenn alle Völker zu der Einsicht gelangen, daß jeder Krieg, auch der siegreiche, ein nationales Unglück ist. Diese Überzeugung kann nur aus einer besseren religiösen und sittlichen Erziehung der Völker hervorgehen, eine Frucht von Jahrhunderten weltgeschichtlicher Entwicklung, die wir beide nicht erleben werden.“

Seine Marie war ihm immer gegenwärtig. Mitten im Triumph über Frankreich schrieb er aus Versailles Ende 1870 an seine Schwester Auguste: „In dieser Zeit, wo ich die Leidensperiode unserer geliebten Marie wieder durchlebe, habe ich so oft auch mit wahrhaft dankerfülltem Herzen Deiner und der aufopfernden Pflege gedacht, welche Du ihr gewidmet hast ... Der Herr hat Marie am Tage zu sich genommen, wo er das Heil der Welt verkündigt.“

Foto: Trauerte bis zu seinem Tod: Obwohl seine Frau 25 Jahre jünger war als er, starb sie 23 Jahre vor ihm.


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