Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007
Minderheit im eigenen Land Seit der Reformation sind die Kernlande Brandenburg-Preußens lutherisch geprägt. 1613 trat dessen Herrscher Kurfürst Johann Sigismund jedoch zum Calvinismus über. Er tat dieses mit dem gesamten Herrscherhaus, überließ jedoch seinen Landeskindern die Entscheidung, ob sie seinen Konfessionswechsel nachvollziehen wollten. Dieses war ein erster Ausdruck brandenburgisch-preußischer Toleranzpolitik, galt doch eigentlich seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 die Formel „Cuius regio eius religio“ (wem das Gebiet [gehört], dem [gehört] die Religion), sprich, wer herrscht, bestimmt die Religion. Möglicherweise spielte bei diesem Akt religiöser Toleranz eine Rolle, daß Johann Sigismund den Konfessionswechsel weniger aus religiöser Überzeugung als vielmehr nur aus politischen Opportunitätserwägungen heraus vollzogen hat. Wie dem auch sei. In Preußen herrschte seitdem bis zum Zusammenschluß von Lutheranern und Calvinisten in einer unierten Kirche durch König Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1817 über Jahrhunderte der ungewöhnliche Zustand, daß das Herrscherhaus einer religiösen Minderheit angehörte. Vor diesem Hintergrund wird die sprichwörtliche religiöse Toleranz der brandenburgisch-preußischen Herrscher ein Stück weit verständlicher. Die erste religiöse Minderheit, die in den Genuß der brandenburgisch-preußischen
religiösen Toleranz gelangte, waren die französischen Glaubensbrüder des Großen
Kurfürsten. Am 29. Oktober 1685 erließ Friedrich Wilhelm das Edikt von Potsdam.
Es bot den in ihrer Heimat verfolgten Hugenotten freie und sichere Niederlassung
im Hohenzollernstaat an. Den Flüchtlingen wurden großzügige Privilegien gewährt
wie die Befreiung von Steuern und Zöllen, die Subventionierung von
Wirtschaftsunternehmen oder die Bezahlung der Pfarrer durch den Fiskus. Auf den Punkt brachte die brandenburgisch-preußische Toleranzpolitik Friedrich der Große mit seinem Wort: „In meinem Staate kann jeder nach seiner Façon selig werden.“ Auch die nichtprotestantischen Christen profitierten von dieser Toleranz. Der sogenannte Kulturkampf ist nicht unbedingt ein Gegenargument. Er wurde von Bismarck – im Gegensatz zu den Liberalen – weniger aus weltanschaulicher Überzeugung denn aus politischen Opportunitätserwägungen heraus geführt, war zeitlich beschränkt und ist im Zusammenhang mit den damaligen Säkularisierungstendenzen in diversen europäischen Nationalstaaten zu sehen. Selbst das katholische Italien hatte in jener Zeit sehr gespannte Beziehungen zur Kurie. |
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