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22.12.07 / Islamische Bedrohung nimmt zu / Die Bombenanschläge in Algier sind nur der Anfang – Dem Maghreb droht ein Machtvakuum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Islamische Bedrohung nimmt zu
Die Bombenanschläge in Algier sind nur der Anfang – Dem Maghreb droht ein Machtvakuum
von R. G. Kerschhofer

Die Selbstmordanschläge in Algier veranschaulichen, daß auch Algerien und der ganze Maghreb keine Zonen des Friedens sind. Und sie gemahnen daran, daß islamistische Drohungen ernst zu nehmen sind, selbst wenn sie manchmal von Trittbrettfahrern kommen, die am „Ruhm“ von El Kaida teilhaben wollen.

Der Maghreb – der „Ort, wo die Sonne untergeht“, also der arabische Westen – ist kein präzise definierter Raum, denn ob neben Marokko, Algerien und Tunesien auch Libyen dazugehört, bleibt Ansichtssache. Der dichter besiedelte Norden dieser Staaten – eine seit der Antike als Kulturland bekannte Region – unterscheidet sich zudem grundsätzlich von den kaum bewohnten Wüstengebieten, wo auch Staatsgrenzen nur theoretischen Charakter haben.

Man sollte auch daran denken, daß „el-gharb“ – „der Westen“ – in dem Namen der portugiesischen Südprovinz Algarve steckt. Es sind nicht zuletzt die vielen arabischen Ortsbezeichnungen, die daran erinnern, daß weite Teile der iberischen Halbinsel jahrhundertelang von Arabern, genauer gesagt von arabisierten Berbern, beherrscht waren. „El-Andalus“ existierte lange nur als eine Art verlorenes Paradies in arabischen Phantasien. Die westlichen „Kreuzzüge“ in Afghanistan, im Irak, in Somalia und in Palästina haben den verlorenen „heiligen“ Boden aber wieder in die Realität zurückgeholt.

Jene Gruppe, die sich „El Kaida des islamischen Maghreb“ nennt und eine unbestimmbare Zahl von Sympathisanten hat, rechnet daher auch die iberische Halbinsel zum Maghreb und stellt Eroberungsansprüche. Man betrachtet nicht nur die westlich orientierten Regierungen der Maghreb-Staaten als Feinde des Islam, sondern auch alle in diesen Ländern lebenden Spanier und Franzosen – und alle, die westlichen Interessen dienen wie etwa UN-Mitarbeiter. Die Bombenanschläge stehen in Zusammenhang mit dem Besuch des französischen Präsidenten Sarkozy in Algerien, mit den unterzeichneten Verträgen, die weitere „Ungläubige“ ins Land bringen werden, und mit der von Sarkozy propagierten Mittelmeer-Gemeinschaft, die als „neokolonialistisch“ interpretiert wird.

Alle vier Maghreb-Staaten sind heute durch Verfassungen verbrämte Diktaturen. Wer das kritisiert, möge praktikable Alternativen vorschlagen – es gibt sie nicht. Die Frage ist also eher, wie fest die Regierungen im Sattel sitzen. Am besten dran ist zweifellos Marokko, wo die Dynastie religiös abgesichert ist und wo es eine Nachfolgeregelung gibt. Es gibt allerdings auch ein von der Welt unter den Teppich gekehrtes Problem, nämlich die ehemals spanische Westsahara: Marokko hat dieses Gebiet annektiert und ist dort seit Jahrzehnten in einen Guerilla-Krieg gegen die „Polisario“ verwickelt. Etwa 150000 Flüchtlinge aus diesem Gebiet leben in Algerien – ein Konfliktpotential, das jederzeit instrumentalisiert werden könnte.

Eine „dynastische“ Nachfolge bahnt sich auch in Libyen an. Der libysche Machthaber Muammar El-Gaddafi konnte sich bisher als „guter Muslim“ die Extremisten vom Leibe halten. Es könnte sich aber erweisen, daß die jüngsten Umarmungen durch Frankreich ihre Nebenwirkungen haben und daß auch Gaddafi eines Tages ins Visier der Islamisten gerät.

Der tunesische Präsident Ben Ali, seit 20 Jahren an der Macht, sitzt fest im Sattel, und sein Reich hat den Vorteil, daß es relativ klein ist. Ben Ali ist allerdings 71 Jahre alt, und jedes Schwächezeichen könnte islamische Fundamentalisten, die er während seiner ganzen Amtszeit bekämpft hat, wieder aus der Deckung holen. Die Nachfolgefrage ist offen.

In Algerien ist die Gefahr zweifellos am größten. Der gewaltsame Abbruch der Wahlen 1991/92 hatte einen Sieg der „Islamischen Heilsfront“ verhindert, aber einen Bürgerkrieg ausgelöst – mit 120000 Todesopfern. Der heute 70jährige Abd al-Asis Bouteflika, der 1999 mit Rückendeckung des Militärs Präsident wurde, erließ mehrere Amnestien, was die Lage aber nur oberflächlich entschärfte. Die Spannungen zwischen rückständigen ländlichen Gebieten und einer westlich orientierten städtischen Szene, dazu noch eine extrem hohe Arbeitslosigkeit – das ergibt einen idealen Nährboden für Islamisten. Und auch Bouteflikas Nachfolge ist offen.


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