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22.12.07 / Immer siegten die »polnischen Gurken« / Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Der Dichter E. T. A. Hoffmann und Mischa Trzynska

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Immer siegten die »polnischen Gurken«
Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Der Dichter E. T. A. Hoffmann und Mischa Trzynska
von E. Knorr-Anders

Sie war nicht schön, nicht gebildet. Aber sie strahlte Güte aus. In ihrer Nähe fühlte man sich wohl. Man ahnte, wer sich auf sie verläßt, konnte nicht verlassen werden. Außerdem war sie perfekte Haushälterin. Sie kannte den Marktstand mit dem günstigsten Butterpreis und konnte „polnische Gurken“ bereiten, eine Spezialität ihrer Heimat. Die Polin Mischa Trzynska war die Tochter des Stadtschreibers in Posen. Hier lernte der junge Gerichtsassessor Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann sie kennen. Sein karges Gehalt ließ nahrhafte Kost nicht zu. Er war erschreckend mager. Nicht nur aus diesem Grund lud Mischa ihn oft zum Frühstück ein. Als sie ihm den Teller zuschob, rief er: „Das ist ja ein Butterbrot! So teuer!“ Sie lachte. „Alle Händler sind nicht raffgierig. Dort kaufe ich.“ Daß Mischas Brot keinen Strich Butter aufwies, bemerkte er nicht.

Geboren wurde er am 24. Januar 1776 in Königsberg / Preußen. Von Beruf Jurist, aus Neigung Dichter, Komponist und Maler, änderte Hoffmann seinen dritten Vornamen aus Liebe zu Mozarts Musik in „Amadeus“. Als Virtuose wild-dämonischer Grauenerregung faszinierte er die zeitgenössische Leserschaft. Nicht selten soll er sich in tiefer Nachtstunde vor seinen von ihm geschaffenen Gestalten gefürchtet haben. Dann trat Mischa zu ihm, hielt seine Hand, bis die phobischen Attakken abklangen. Das war beim Verfassen des Romans „Die Elixiere des Teufels“ notwendig. Schon längst hatte Hoffmann erkannt, daß Mischa das „Elixier“ seines Lebens, eine Art Heiltrank war. Seine instabile Psyche bedurfte dieser Hilfe. Manchmal sah er ihr beim Stricken zu, wie Masche um Masche sich zum Ganzen verknüpfte. „Meiner eigenen Arbeit gar nicht unähnlich“, sann er. Nach kurzem Zusammenleben in weithin bespöttelter „wilder Ehe“ heirateten sie anno 1802. Ihrer beider unstetes Leben begann.

Als preußischer Staatsbeamter fielen seine Spottlust, seine „Bürokraten-Karikaturen“ mißliebig auf. Zwar feixte man gern, aber nicht über sich selbst. Hoffmann wurde strafversetzt ins kleinstädtische Plock, wo er Hühnerdiebe aburteilte. Doch anno 1804 wurde der als unbestechlich geschätzte Jurist zum Regierungsrat in Warschau ernannt, das damals, durch die Spaltung Polens, preußisch verwaltet wurde. Die Beamtenkarriere hätte ihm und Mischa die notwendige finanzielle Sicherheit geboten, die Hoffmann für die literarische Arbeit genötigte. Doch der Siegeszug französischer Truppen unter Napoleon bereitete dieser Hoffnung ein Ende. Da Hoffmann den Franzosen keinen „Ergebenheitsschwur“ leistete, wurde er brotlos. Es war der Beginn des Aufstiegs als Schriftsteller und Komponist. Aber es dauerte noch eine Weile. Zuvor war eine Elendsperiode zu überwinden.

Hoffmann überredete Mischa, zu ihren Eltern nach Posen zu reisen, wo sie wenigstens zu essen bekam. Seinerseits machte er sich zu seinem jüdischen Freund Julius Hitzig, Buchhändler in Berlin, auf den Weg. Hitzig kannte sich in den Intellektuellen-Salons aus. Doch es gelang nicht, einen Verleger oder Redaktionsposten zu finden. Die Rettung kam von Julius von Soden aus Bamberg. Soden bot Hoffmann die Stellung des Kapellmeisters am 1802 erbauten Prachttheater an und beauftragte ihn mit der Komposition und Textverfassung von zwei Opern. Plötzlich meldeten sich Verleger.

Überglücklich holte Hoffmann Mischa aus Posen und traf mit ihr im September 1808 in Bamberg ein. „Ein Gespensterhaus“, rief er beim Anblick des hohen, engbrüstigen, 1762 zwischen andere Bauten gepreßten Hauses. „Wo ich wohne, gibt es keine Gespenster“, beruhigte ihn Mischa. Das Haus ist seit 1923 „E. T. A. Hoffmann-Museum“, „gespenstische“ Atmosphäre vermittelt es tatsächlich. Das „Poetenstübchen“ im Dachgeschoß bezeichnete Hoffmann als sein „musikalisch-poetisches Laboratorium“. Hier entstanden seine schleichendes Grauen verursachenden Novellen.

Den winzigen Raum teilte Hoffmann mit seinem Kater Murr. Dieser durfte am Schreibtisch residieren und auf Manuskripten dösen, sich auf Hoffmanns Schulter zum Schlaf einrollen. Kein Wunder, daß dieser gebildetste Kater, den die lesende Menschheit kennt, zur Feder griff, seine „Lebenserinnerungen“ verfaßte und sie unter dem Namen seines Herrn der staunenden Nachwelt präsentierte. Für Mischa waren Katzen ein Greuel. Aber weil Hoffmanns Herz an dem „Untier“ hing, respektierte sie Murr als Familienmitglied.

Hoffman war nun Theaterleiter. Direkt gegenüber seiner Wohnung, am heutigen „Schillerplatz“, war der Bau errichtet worden. Er verfügte über eine bis dato beliebte Klause, „Rose“ benannt. Dort fand sich Hoffmann mit Kollegen zum nächtlichen Punsch zusammen. Von den Wohnungsfenstern aus konnte Mischa das Treiben in der Klause beobachten. Sie wartete auf Hoffmann. So viel er trank, er war nie betrunken. Sah sie ihn endlich über den Platz kommen, stellte sie das unvermeidliche Butterbrot auf den Tisch „Iß“, mahnte sie: „Du wirst immer dünner.“ Es machte ihr Sorgen.

Keine Sorge bereitete ihr Hoffmanns Gesangsschülerin Julia Marc. Sie wußte, daß Hoffmann die 15jährige mit impulsiver Intensität liebte. Julia war die Inspiration zu vielen seiner Frauengestalten und die einzige Frau, von der er seinen intimen Notizen anvertraute, daß ihn „Das Engelsbild nicht verlassen kann, beim letzten Hauch des Lebens.“ Mischa lebte in der sicheren Überzeugung, daß Charme, Schönheit und Bildung nicht ausreichten, um „polnischen Gurken“ und einem bewährten „Zuhause“ Konkurrenz zu bieten.

In jedem Theater gibt es Querelen und Intrigen. So auch in Bamberg. Sehr bald mußte Hoffmann feststellen, daß neidische Ensemblemitglieder sich in „Mobbing“ übten. Trotz beruflicher Mißhelligkeiten entstand die Idee zu einer Oper, die am 3. August 1816 mit rauschendem Erfolg uraufgeführt wurde: „Undine“. Allerdings fand die Premiere nicht in Bamberg, sondern in Berlin statt. Hoffmann und Mischa hatten sich aus Bamberg verabschiedet. Die Titelpartie sang die junge, bereits berühmte Johanna Eunicke, Hoffmanns letzte schwärmerische Liebe. Und wieder siegten die „polnischen Gurken“.

In Berlin wurde Hoffmann berufliches Doppelglück zuteil. Sein literarisches Werk war in aller Munde, ebenso sein Ruf als Jurist. Die politischen Zeitläufe hatten ermöglicht, daß er zum Kammergerichtsrat und Mitglied des Oberappellations-Senats berufen wurde. In dieser Position verführte ihn seine beißende Ironie, den Polizeichef Karl von Kamptz in „Meister Floh“ zu persiflieren. Ein Disziplinarverfahren war die Folge.

Den Ausgang erlebte Hoffmann nicht mehr. Er starb am 25. Juni 1822 unter unsäglichen Schmerzen an seinem Rückenmarksleiden, bis in die letzte Sekunde versorgt von Mischa. „Ich habe Angst“, stöhnte er. „Ich auch“, erwiderte sie. Stille. Sie feuchtete ihren Finger an, hielt ihn an seine Lippen. Kein Atemhauch spürbar. Hoffmann war tot.

Die Katholikin Mischa senkte den Kopf zum Gebet: „Maria, Muttergottes, Himmelskönigin, beschütz’ ihn bei dir! Und hilf auch mir!“


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