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22.12.07 / Eine deutsch-russische Liebesgeschichte / Cranz’ Stadtvertreter Klaus A. Lunau und seine Frau Valentina pendeln zwischen Bundesrepublik und Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

Eine deutsch-russische Liebesgeschichte
Cranz’ Stadtvertreter Klaus A. Lunau und seine Frau Valentina pendeln zwischen Bundesrepublik und Ostpreußen
von Jurij Tschernyschew

Im Jahre 1966 erschien in der Sowjetunion Leonid Zorins Stück „Warschauer Melodie“. Ihm wurde die Liebesgeschichte des jungen polnischen Mädchens Helena und des russischen Jungen Viktor zugrunde gelegt. Helena und Viktor trafen sich in den Nachkriegsjahren zufällig in Moskau und gewannen einander lieb. Wegen des Stalin-Erlasses, der Eheschließungen mit Ausländern untersagte, durften sie nicht zusammen sein. Nach vielen Jahren trafen sie sich wieder. Sie war Sängerin geworden und er ein Gelehrter. Als sich ihre Lebenswege nun erneut kreuzten, erinnerten sie sich ihrer einstigen Liebe, die ihnen das Schicksal geschenkt und die sie nicht hatten bewahren können. Obwohl Stalin 1953 verstorben war, wirkte sein Erlaß weiter.

Mit Klaus A. Lunau, Ortsvertreter von Cranz und stellvertretender Vorsitzender der Kreisgemeinschaft Fischhausen, und seiner Valentina Kalinnikova ist es ganz anders gekommen. Ihre gemeinsame Geschichte begann im Jahr 1995 in Cranz. Damals kam Klaus A. Lunau zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in seine Heimatstadt an der Ostseeküste. Ehemalige Klassenkameraden hatten ihn um die Organisation eines Treffens in dem Ostseebad gebeten. Seine Schulklasse von 1936 bis zum Jahr 1945 war mittlerweile weltweit verstreut. Zunächst wollte er die Reise nicht antreten, weil er die Heimat so in Erinnerung behalten wollte, wie er sie verlassen hatte. Aber seine Freunde überredeten ihn. Das Klassentreffen sollte dann im August jenes Jahres tatsächlich stattfinden, doch das ist für diese Liebesgeschichte nur Nebensache.

An jenem Tag, an dem er erstmals seit dem Kriege seine Heimatstadt wieder sah, war es heiß, und die Reiseleiterin des Reisebüros, das die Reise organisiert hatte, wartete bereits vier Stunden in der prallen Sonne, als der Bus mit Lunau endlich eintraf. Bei der Reiseleiterin handelte es sich um niemand anders als Valentina Kalinnikova.

Die Absolventin des Pädagogischen Herzen-Instituts in Leningrad hatte es 1966 in Lunaus Heimatstadt verschlagen. Lange Zeit arbeitete sie hier in der Schule, erst als Fremdsprachenlehrerin, dann als stellvertretende Schuldirektorin für Lern- und Erziehungsangelegenheiten sowie drei Jahre als Direktorin. Anfang der 90er Jahre war sie infolge der Umwälzungen der Jelzin-Ära, die zu einer Verringerung des Arbeitslohns an staatlichen Schulen führte, gezwungen, sich einen Nebenberuf zu suchen. Aufgrund ihrer im Studium in Leningrad erworbenen Deutschkenntnisse begann sie als Reiseführerin für ein Reisebüro zu arbeiten, das für deutsche Besucher Ausflüge im Königsberger Gebiet organisierte.

An jenem Augusttag hatte sie die Aufgabe, Lunaus Gruppe abzuholen. Noch heute erinnert sie sich daran, daß als erster der Gruppenleiter Klaus A. Lunau aus dem Bus ausstieg. Sein Gesicht strahlte vor Freude, daß er endlich nach Hause kam, wo er genau ein halbes Jahrhundert nicht mehr gewesen war. Die beiden haben sich gleich miteinander unterhalten, und wie sich herausstellte, verband sie viel Gemeinsames, und sie gefielen einander sehr.

Klaus A. Lunau erzählte lebhaft von seinen Erinnerungen an die Kindheit in dieser Stadt. In Cranz verbrachte er seine Kindheit. Seine Familie wohnte in der Stadtmitte, in der Königsberger Straße, dem heutigen Kurort Prospekt.

Das ostpreußische der beiden Domizile des deutsch-russischen Paares ist heute ein Haus in der ehemaligen Seestraße (Ul. Gorki).

Die Familie Lunau hatte sechs Kinder, von denen heute außer Klaus noch zwei Schwestern und ein Bruder leben. Als der Krieg begann, ging Klaus noch zur Schule. Seine Familie flüchtete am 28. Januar 1945. Zu diesem Zeitpunkt waren in Cranz noch 3000 Einwohner verblieben. Nur wenige Tage später, am 4. Februar, marschierten bereits sowjetische Truppen in die nicht verteidigte Stadt ein.

Er und seine Schwester fuhren zusammen mit der Mutter mit dem letzten Zug bis Neukuhren und von da mit einem kleinem Schiff nach Gdingen. Von dort kamen sie über Rügen nach Dänemark, wo Lunau bis 1947 interniert blieb. Im Flüchtlingslager organisierte er Sportveranstaltungen, arbeitete er in der Theater- und Musikgruppe mit und baute eine Jugend- und Kindergruppe auf. Das Lagerschicksal in der Fremde teilte er mit Mutter und Schwester. Ende 1947 konnten sie zu seiner älteren Schwester nach Deutschland ausreisen. Hier hatte er aufgrund seiner guten Englischkenntnisse beruflich viel mit Engländern zu tun. So wirkte er am Bau eines englischen Flughafens mit. Nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung auf der Polizeischule arbeitete er in verschiedenen Kriminalpolizeidienststellen, unter anderem auch in Hamburg, wo er die Verbindung zur britischen Kriminalpolizei hielt.

Nach seiner Pensionierung studierte er Politik und betätigte sich vermehrt ehrenamtlich. Er leitete politische Seminare, hielt Vorlesungen und engagierte sich in Bürgerinitiativen. Daneben kam er gerne seinen Verpflichtungen als Großvater nach. Lunau hat drei Kinder und sechs Enkelkinder.

Dieses eine Treffen im Jahre 1995 veränderte Valentinas und Klaus’ Leben von Grund auf. Sie waren sich einig, daß sie ohne einander nicht leben konnten und daß das Schicksal sie zusammengeführt hatte. 1998 heirateten Klaus und Valentina. Jetzt haben sie ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland nahe der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover. Die Liebe zur Heimatstadt hat sie aber nicht verlassen. Deshalb kommen sie jedes Jahr mindestens sechsmal in ihr zweites Zuhause nach Cranz an der Ostsee. Sie haben alles renoviert und behaglich eingerichtet. Ein gemütlicher, gern besuchter Treffpunkt für Freunde, sowohl aus Rußland, als auch aus Deutschland.

Seit 1995 veranstalten Valentina und Klaus für ihre Freunde ein reiches Kulturprogramm. Nach Cranz kommen Klaus Lunaus frühere Klassenkameraden und andere Cranzer aus allen Regionen der Welt, sogar aus Kanada, den USA und Australien. Klaus gab sein gesellschaftliches Engagement nicht auf und vertritt jetzt im früheren Kreis Fischhausen die ehemaligen Bewohner. Mit seiner Unterstützung werden in der Ostseestadt sowie im Kreis viele Initiativen umgesetzt, und seine Ehefrau Valentina hilft ihm immer dabei. Sie ist seine treue Unterstützerin bei allen seinen Unternehmen.

Heute kann man sich das Sujet des Stücks „Warschauer Melodie“ kaum noch vorstellen, aber damals, vor einem halben Jahrhundert, war dieses Problem sehr aktuell. Erst die Reformen und die demokratischen Umgestaltungen Gorbatschows und Jelzins, die Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre umgesetzt wurden, ließen dieses Problem Vergangenheit werden. Dank dieser hat die Geschichte des Deutschen Klaus und der Russin Valentina im Gegensatz zu jener der Hauptpersonen der „Warschauer Melodie“ ein Happyend gefunden.


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