© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-07 vom 22. Dezember 2007

An einem Tag wie diesem

Es war kalt an diesem Tag, der für die meisten Menschen ein ganz besonderer Tag war. Der Wind fegte durch die Straßen der großen Stadt, und wer konnte, hatte sich ein gemütliches Plätzchen im Warmen gesucht. Die junge Frau wikkelte ihren Mantel fester um sich und zog die Schultern hoch, um sich gegen den eisigen Hauch zu schützen. Die Kälte aber kam nicht nur von außen, auch in ihrem Inneren hatte sie sich breitgemacht. Hoffnungslosigkeit war in den Augen der jungen Frau zu lesen. Weihnachten, phh ...

Gedankenverloren war sie vor einem der festlich geschmückten Schaufenster stehen geblieben. Alles nur Tand, und dazu noch sündhaft teuer, dachte sie. Wer brauchte schon silbern glänzende Sektkühler, wenn das Haushaltsgeld nicht einmal für einen heißen Kaffee extra reichte. Sie spielte mit den paar Münzen in der Manteltasche, die ihr für diese Woche noch geblieben waren. Damit war wirklich kein Staat zu machen. Und doch ... Entschlossen ging sie weiter. Am Ende der Straße war ein kleines Lädchen, dort gab es die herrlichsten Lebkuchen der Stadt. Einen würde sie sich gönnen, an einem Tag wie diesem.

Fast hätte sie den alten Mann nicht gesehen, der da im Hauseingang Zuflucht vor der Kälte gesucht hatte. Welch eine Armut! Betroffen zählte sie ihre Barschaft. Die Hälfte würde auch reichen für einen Lebkuchen, die restlichen Münzen steckte sie kurzentschlossen dem alten Mann zu. Der wußte gar nicht wie ihm geschah und nickte nur verwirrt, als sie ihm „Frohe Weihnachten“ wünschte. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrat sie den Laden. SiS

Gemütlich: Lutter & Wegner am Berliner Gendarmenmarkt, wo auch schon E. T. A. Hoffmann seinen Wein trank Foto: be.bra Verlag