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05.01.08 / Ost-Deutsch (47): schieben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Ost-Deutsch (47):
schieben
von Wolf Oschlies

Majstore, sibaj“, sagte unser mazedonischer Reiseführer, als er alles zur Abreise bereit fand. Und dann „schob“ der „Meister“ (Chauffeur) ab. Das war vor Jahren meine erste Begegnung mit dem Wortfeld „schieben“ bei Slawen, das ich bis heute ob seiner Vielseitigkeit bestaune.

„Schieben“ geht auf indogermanische (skeubh) und gotische (skiuban) Wurzeln zurück und bedeutete immer, etwas zu bewegen, möglichst rasch. So

klingt’s auch bei unseren östlichen Nachbarn, am deutlichsten bei Polen. „Szybko“ heißt auf polnisch „schnell“, während ein „szyber“ im Kamin die Luftzufuhr regelt, ebenso im Russischen. In russischen Dialekten gibt es „sibkij“ als „schnell“ auch, daneben das hochsprachliche „sibitj (sibnutj)“ in der Bedeutung von „werfen“, dito im Ukrainischen mit „sibati (sibnuti)“. Uns vertrauter klingt der tschechische Gebrauch: „Lokálka v kazdé stanici síbovala vagóny“ (Die Lokalbahn schob an jeder Station Waggons herum). Warum tschechisch „posunovat“ nehmen, wenn deutsch „schieben“ deutlicher ist: „S terminem dovoleny se nedá sibovat“ (der Urlaubstermin läßt sich nicht verschieben). Oder: Bei schönem Wetter „nemusite tak casto sibovat s lehátky“ (müssen Sie nicht so oft die Liegestühle verschieben).

Bei Südslawen wird mehr Bewegung geschoben, etwa slowenisch „malo vode pa smo sibale naprej“ (etwas Wasser, und wir schoben weiter). Serbokroatisch klingt’s mal martialisch „sibati po neprijatelju zelezom i ognjem“ (sich mit Eisen und Feuer auf den Feind werfen),  mal zivil: „Tako imamo sibnit samo priku Slovenije“ (So sollen wir nur über Slowenien reisen). „U mozgu su sibale kombinacije“ (im Kopf schoben sich Kombinationen), gut für den Belgrader „siber za merenje patriotizma“ – (Rechen-)Schieber zum Messen von Patriotismus.

Am häufigsten wird in Autos geschoben. Da werden der polnische „szyber“ oder serbokroatische „siber“ zum Synonym für „Schiebefenster“, oft als „automatyczny szyber“ oder „elektricni siber“ präzisiert. Dabei ergeben sich ganz unslawische Worthäufungen, etwa mazedonisch „siber krov“ (Schiebedach), „siber vrata“ (Schiebetür) etc. Ganz deutsch klingen das polnische „szyber dach“ oder das bulgarische „sibidach“ (mein Liebling). 


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