25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.01.08 / Ein unvermeidlicher Ehrentag / Warum der Muttertag abgelehnt und doch geliebt wird / Das bleibt in der Familie (Folge 10)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Ein unvermeidlicher Ehrentag
Warum der Muttertag abgelehnt und doch geliebt wird / Das bleibt in der Familie (Folge 10)
von Klaus J. Groth

Seltsam, bei Umfragen geben Frauen gerne an, den Muttertag dürfe man getrost vergessen, der vermittle ohnehin nur ein längst überholtes Bild der Mutter. Doch vergißt eine oder einer der Lieben tatsächlich einmal, den Tag zu würdigen, wird eine Flunsch gezogen. Irgendwie scheint der Muttertag nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein, aber ohne ihn geht es auch nicht. Vielleicht liegt es daran, daß das Bild der Mutter gerade wieder einmal einen Wandel durchmacht.

So naturgegeben, wie die Rollenverteilung zwischen Frau und Mann bei der Fortpflanzung, ist die Rolle der Mutter bei der Aufzucht des Nachwuchses keineswegs. Die aktuelle Debatte ist voll von gut gemeinten Ratschlägen und Aufforderungen zu gewagten Selbstversuchen.

Vorerst aber gibt es den Muttertag noch, und es sieht so aus, als würde er noch lange bleiben. Mit all seinen Fehldeutungen und Fehleinschätzungen. Die einen stellen den Muttertag unter den allgemeinen deutschen Generalverdacht und bezichtigen ihn, ein Produkt der Nazi-Propaganda zu sein, das aus Versehen der Entnazifizierung entgangen sei. Die anderen machen es nicht ganz so schlimm und bezichtigen den Muttertag, vom Blumenhandel inszeniert worden zu sein, um den Absatz in der flauen Zeit im Mai anzukurbeln. Beides ist nicht richtig, aber auch nicht ganz falsch. Denn sowohl die Nationalsozialisten als auch der Blumenhandel bedienten sich des Muttertages für ihre Zwecke. Aber immer der Reihe nach.

Wer ganz tief in die Historie abtaucht, der stellt fest, daß bereits in der Antike die Göttermütter Kybele beziehungsweise Rhea verehrt wurden, und konstruiert daraus einen Vorläufer des Muttertages. Etwas näher kommt dem schon der „Mothering Day“ im mittelalterlichen England. Zwar galt dieser Feiertag vornehmlich der Mutter Kirche, aber auch die leiblichen Mütter wurden an diesem Tag geehrt. Und immerhin war nun schon mal der Name da.

Dann nahm sich 1872 die amerikanische Frauenrechtlerin Julia Ward der Sache an und versuchte einen Feiertag für Mütter zu initiieren. Doch die Sache wollte nicht recht gedeihen.

So richtig los ging das mit dem Muttertag allerdings vor genau 100 Jahren. Dieses Datum läßt sich im Gegensatz zu den bisherigen belegen: 8. Mai 1907. Das war der zweite Todestag der Mutter von Anna Jarvis. Im Angedenken an ihre Mutter und zu Ehren aller Mütter gründete Jarvis eine Initiative, die sich mit raschem Erfolg durchsetzte. Vielleicht lag es daran, daß Männer stets ein wenig das schlechte Gewissen plagt, wenn sie an ihre Mütter denken, jedenfalls erklärte der US-Kongreß unter Woodrow Wilson  bereits sieben Jahre später, 1914, den zweiten Sonntag im Mai zum offiziellen nationalen Ehrentag für alle Mütter.

So offiziell anerkannt, kam der Muttertag bald über den Großen Teich, zuerst nach England, dann in die Schweiz und nach Skandinavien. 1923 erreichte er Deutschland. Und nun kamen in der Tat die Blumenhändler ins Spiel. Der Verband Deutscher Blumegeschäftsinhaber nahm sich der fabelhaften Geschäftsidee an. Ähnliches wiederholte sich später übrigens mit dem sogenannten Valentinstag.

Erst nach den Blumenhändlern griffen die Nazis die Idee auf. Der Muttertag paßte perfekt ins Programm. 1933 wurde der Muttertag zum offiziellen Feiertag erklärt. Die Mutter wurde zur Heldin stilisiert. Sie schenkte dem Führer den Nachwuchs, je mehr, desto besser. Und weil sich Leistung lohnen muß, stiftete das Reich das Mutterkreuz: Bronze für vier Kinder, Silber für sechs und Gold ab acht. Als der Krieg 1939 ausbrach, trugen drei Millionen Frauen das Mutterkreuz.

Als der Krieg 1945 endete, legten die Mütter das Mutterkreuz ab (wenn sie es nicht schon vorher getan hatten). Der Muttertag aber blieb, jedoch ab 1949 in der Bundesrepublik als rein privater Feiertag.

In der DDR allerdings wurde er aus dem Bewußtsein verbannt. Die SED stempelte den Muttertag zum Nazi-Tag, und damit war er erledigt. Stattdessen sollte ein Tag zu Ehren aller Frauen geschaffen werden, der werktätigen Frau zumal. Fortan hatten die Männer in der DDR am „Internationalen Frauentag“ am 8. März ein Problem: Woher sollte sie die Nelken bekommen, die an diesem Tag obligatorisch waren? Die gab es nämlich nicht, oder nur mit guten Verbindungen. Doch solche Probleme lernte man rasch im Land des Tauschhandels auf recht eigene Weise zu lösen.

Mittlerweile sind Nelken auch dort im März ohne Probleme erhältlich, aber wer will sie schon. Der „Internationale Frauentag“ blieb nur noch wenigen Veteranen des Sozialismus mit ihrem außerordentlichen Beharrungsvermögen vorbehalten.

Der Muttertag jedoch lebt munter fort. Und obgleich die Mütter versichern, eigentlich wollten sie diesen Tag gar nicht (siehe oben), geben bei anonymen Umfragen 80 Prozent an, der Tag bedeute ihnen etwas, für 60 Prozent ist das ein Tag, an dem man kleine Geschenke macht. Auch hier ist das Verhalten wieder ambivalent. Eigentlich, versichern die Mütter, erwarteten sie gar nichts. Auf dieses Gar Nichts haben sich Handel und Industrie erfolgreich eingestellt. Sie bedienen jene 25 Prozent der Mütter, die bei einer Umfrage angaben, sie hofften auf ein „tolles Geschenk“. Die anderen geben sich bescheidener. Für 54 Prozent darf es ein Ausflug mit der Familie sein, ein Essen mit der Familie (48 Prozent), ein Blumenstrauß (39 Prozent, der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber läßt grüßen), ein Familienfoto (37 Prozent), einen Tag ohne Hausarbeit (34 Prozent) oder ein Tag für die Schönheit (32 Prozent). Absoluter Spitzenreiter sind die selbst gebastelten Geschenke der Kinde, die zu 65 Prozent das Mutterherz erfreuen. Und selbst wenn die Bastelei noch so scheußlich ist, das im Kindergarten bemalte Herz aus Styropor noch so kitschig um den Spruch „Der größte Schatz der Welt ist mein, das bist Du, lieb Mütterlein“ wuchert, die ungläubig erstaunte Frage „Ist das für miiich?“ kommt allen Müttern gleichermaßen direkt von Herzen. Erst später stellt sich dann die Frage, wo man diese herzallerliebste Scheußlichkeit unterbringen soll. Aber ein Platz findet sich immer. Schließlich ist nur einmal im Jahr Muttertag.

Und dann gibt es noch jene Mütter, das sei hier nicht verschwiegen, für die „ein Tag ohne die Familie“ das schönste Geschenk ist. Immerhin 37 Prozent der Befragten bekannten sich dazu. Aber auch sie würden bei einem selbst gebastelten Geschenk ungläubig erstaunt fragen: „Ist das für miiich?“ und sich mächtig freuen. Dessen darf das Kind sicher sein. Denn ohne Muttertag würde was fehlen.

In der nächsten Folge lesen Sie: In der Planungsfalle / Warum der Kinderwunsch immer weiter aufgeschoben wird.

Foto: Mami ist die Beste: Am Muttertag gibt es auch noch Blumen und Küßchen vom Junior.

 

Familienmenschen (und andere)

Elly Heuss-Knapp (* 25. Januar 1881 in Straßburg, † 19. Juli 1952 in Bonn) wurde bekannt als Mitbegründerin des Deutschen Müttergenesungswerks. Später wurde diese Einrichtung nach ihr benannt. Heute lautet die korrekte Bezeichnung: Elly Heuss-Knapp-Stiftung Deutsches Müttergenesungswerk. Als das Müttergenesungswerk 1950 gegründet wurde, war Theodor Heuss Bundespräsident. Seither übernimmt die Gattin des jeweils amtierenden Bundespräsidenten diese Aufgabe. Zielsetzung des Müttergenesungswerks ist es, die Gesundheit der Mütter zu fördern. Rehabilitationsmaßnahmen werden für Mütter und Mütter mit Kindern angeboten. Fünf Trägergruppen arbeiten im Müttergenesungswerk zusammen: Arbeiterwohlfahrt (AWO), Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPWV), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung (EAG), Katholische Arbeitsgemeinschaft für Müttergenesung (KAG). Eleonore Anna Justine „Elly“ Knapp selbst wuchs ohne Mutter auf. Sie erkrankte kurz nach der Geburt der Tochter und mußte wegen eines seelischen Leidens in ein Sanatorium eingewiesen werden. So wurden „Elly“ und die ältere Schwester Marianne vom Vater alleine aufgezogen. Elly Knapp wurde Lehrerin. Sie heiratete 1908 den Journalisten und späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss. Albert Schweitzer traute das Paar in Straßburg. Bei der Geburt eines Sohnes zwei Jahre später kam es zu erheblichen Komplikationen. Als Folge konnte Elly keine Kinder mehr bekommen.

Romy Schneider (* 23. September 1938 in Wien; † 29. Mai 1982 in Paris) hat sich mit der Sissi-Trilogie in die Herzens des Publikums gespielt. Die Schauspielerin selbst – davon waren die Boulevardzeitungen bei ihrem Tod überzeugt – starb an gebrochenem Herzen. Die offizielle Diagnose war so weit nicht von dieser Interpretation entfernt: Herzversagen. Nur elf Monate zuvor hatte Romy Schneider ihren 1966 geborenen Sohn David Christopher verloren. Das Kind stammte aus der Verbindung mit dem Schauspieler und Theaterregisseur Harry Meyen. 1977 wurde Tochter Sarah geboren. Romy Schneider wollte mehr Kinder. Das Muttersein, erklärte sie, sei die wahre Erfüllung der Frau. Als sie Anfang der 80er Jahre mit ihrem neuen Lebensgefährten Laurent Petin auf ein Weingut zog, wünschte sie sich weitere Kinder. Doch dann verunglückte David im Alter von 14 Jahren 1981 tödlich. Er war beim Überklettern eines Eisenzaunes mit scharfen Spitzen abgerutscht und verblutet. Nur elf Monate später starb auf Romy Schneider. Sie wurde auf dem kleinen Friedhof Boissy Sans Avoir beigesetzt. Dort befindet sich auch die letzte Ruhestätte ihres Sohnes. „Jetzt seid ihr endlich wieder zusammen“, steht auf einem Schild neben dem Grabstein.

Marie-Luise Marjan (* 9. August 1940 in Essen als Marlies Lause) zeigt, wie sich inzwischen Wirklichkeit und Medien-Wirklichkeit die Grenzen verlieren. Kinder werden ihr ausschließlich als schauspielernde Partner zugeschrieben, dennoch hat sie es geschafft, Inge Meysel als „Mutter der Nation“ zu beerben. Im Dezember 1985 war die Schauspielerin Marie-Luise Marjan zum ersten Mal in der Rolle als Mutter Helga Beimer zu sehen – und diese Rolle sollte prägend für sie werden. Als Mutter Beimer hat sie drei Kinder, zwei Ehen und eine Rivalin. Damit wurde sie zur Fernsehmutter schlechthin. Und irgendwann war nicht mehr eindeutig Marie-Luise Marjan von Helga Beimer zu unterscheiden. Die eine nahm Charakterzüge der anderen an. Die reale Marjan sagt über die fiktive Beimer: „Zu Beginn war sie mir unähnlich. Ich sah Helga nicht als mein alter ego. Mit den Jahren näherten wir uns an. Das bleibt wohl nicht aus, wenn man über einen so langen Zeitraum eine Rolle spielt. Ich lebe gut mit Helga und habe mittlerweile sogar mehr Spaß daran, ihre schlechten Seiten zu verkörpern als ihre guten.“ Und weil Wirklichkeit und Medien-Wirklichkeit so perfekt verschmelzen, wurde die (Fernseh-)Mutter der Nation mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren