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05.01.08 / Ärzte an der Front / Dokumentation über Mediziner in Stalingrad

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Ärzte an der Front
Dokumentation über Mediziner in Stalingrad

Über den Untergang der sechsten Armee im Kessel von Stalingrad und das Sterben der Gefangenen in den Lagern der Stadt gibt es eine Unmenge Literatur. Das Leiden und Sterben auf den Truppen- und Hauptverbandplätzen, in den Lazaretten und den Verwundeten-Sammelstellen ist bisher aber nur von sehr wenigen Ärzten in ihren Erlebnisberichten oder in einzelnen Artikeln beschrieben worden. Eine zusammenfassende Darstellung vom Untergang des Sanitätswesens in Stalingrad existiert bisher nicht.

Seit dem Frühjahr 2003 hat der Herausgeber von „Die Ärzte von Stalingrad“, Reinhold Busch, begonnen, alle erreichbare Literatur zusammenzutragen und das Vorhandene zu bearbeiten und neu herauszugeben. Dazu versuchte er, möglichst alle noch lebenden Angehörigen der Sanitätsdienste im Kessel von Stalingrad (Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Sanitätsdienstgrade und Pfarrer) zu finden und mit ihnen Interviews zu führen; von etwa 40 Kollegen, die er noch lebend antraf, waren aber aufgrund ihres hohen Alters (85 bis 101) nicht mehr alle in der Lage, brauchbare Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus fahndet er nach den Hinterbliebenen und Angehörigen.

Wie viele Ärzte zum Beispiel im Kessel eingesetzt waren, läßt sich niemals mit Sicherheit feststellen, da die Vermißten- und Rückkehrerkarteien unvollständig sind, ebenso die Meldungen über die Gefallenen; und diejenigen, die aus dem Urlaub nicht mehr in den Kessel ein- beziehungsweise krank oder verwundet aus dem Kessel ausgeflogen wurden, sind nirgendwo erfaßt. Die Schätzungen über eingesetzte Ärzte schwanken zwischen 600 und 1200, wohl mehr als 10000 Sanitäter befanden sich im Kessel. Immerhin konnte Reinhold Busch inzwischen die Namen von 460 Ärzten, 47 Zahnärzten und 19 Apothekern erfassen, von denen zirka 350 Biographien erstellt werden konnten. Die Ausbeute: Mehr als zehn Aktenordner Material, bisher 1050 Feldpostbriefe von Angehörigen der Sanitätsdienste, meist Ärzten, aus der Zeit vom 28. Juni 1942 (Angriffsbefehl) bis zum 23. Januar 1943 (Abheben der letzten Maschine).

Zunächst ist der Autor so vorgegangen, daß er die zwei bekannten Bücher neu bearbeitet und mit Fotos und Biographien versehen neu herausgegeben hat. Es handelt sich um den Klassiker von Hans Dibold „Arzt in Stalingrad“ und das Buch von Werner Gerlach „Das dunkle Tal“. Bei den Recherchen schickte ihm ein Kamerad aus der Gefangenschaft das Manuskript von Dr. Paul Wappler, das jetzt erstmals unter dem Titel „Überleben in Stalingrad“ publiziert wurde. Vorläufiges Ergebnis der Forschungen ist der Dreiteiler „Stalingrad – Zurück aus der Hölle“, in dem die 25 längeren Berichte von Ärzten, die meisten zum ersten Mal, veröffentlicht wurden, einschließlich der Biographien von zirka 170 Ärzten und eines Literaturverzeichnises, das auf den neuesten Stand gebracht wurde. Zwei weitere Ärzte nehmen im jeweiligen Vorwort zur psychischen Belastung der Stalingradkämpfer und zur Problematik des Fahneneides auf Hitler Stellung. Im dritten Teil hat das Schlußwort Professor Alexander Epifanow aus Wolgograd, der sich anhand russischer Dokumente mit der medizinischen Versorgung und dem Schicksal der Gefangenen während und nach der Schlacht von Stalingrad beschäftigt und aus dieser Sicht Stellung dazu nimmt, warum so wenige Überlebende zurückgekehrt sind.

Die Reihe wird fortgesetzt: Gerade wurde das Buch von Otto Rühle „Genesung in Jelabuga“, das seinerzeit in der DDR erschien, fertiggestellt (Rühle war Sanitäter und Zahlmeister bei der 2. Sanitätskompanie 305 und zuletzt beim Feldlazarett 194). Geplant ist ein Buch mit kürzeren Erlebnisberichten von Ärzten, Sanitätern, Pfarrern, Verwundeten und Piloten, die Kranke und Verwundete ausflogen. Des weiteren ist ein Doppelband mit den Briefen aus Stalingrad vorgesehen, in Form eines Tagebuchs vom 28. Juni bis zum 2. Februar. Abschließend soll noch ein Buch über „Gott in Stalingrad“ mit den Erlebnissen der Lazarett- und Divisionspfarrer herauskommen.              F. W.

Reinhold Busch (Hrsg.): „Die Ärzte von Stalingrad“, Frank Wünsche Verlag, Berlin 2007, 500 Seiten, 26 Euro, Best.-Nr. 6496


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