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05.01.08 / Spielbälle im Machtkampf / Kaiser Wilhelm II. heiratete seine spätere Gattin Auguste Viktoria vor allem, weil seine Eltern ihn dazu drängten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Spielbälle im Machtkampf
Kaiser Wilhelm II. heiratete seine spätere Gattin Auguste Viktoria vor allem, weil seine Eltern ihn dazu drängten
von Rebecca Bellano

Mein lieber, süßer Schatz … Ja, es war ein glücklicher Tag in Gotha, der erste Kuß, ich vergeß es nie.“ Diese Worte einer liebenden Frau, genauer der jungen Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, an den preußischen Prinzen Wilhelm klingen glücklich und voller Unschuld, doch die damals 22jährige kehrte schon in der zweiten Zeile ihres Briefes an ihren Verlobten auf den Boden der Tatsachen zurück: „Was Du mir über Deinen Vater schreibst, hat mich tief betrübt. Lieber Schatz, wenn es auch heftig ist, und ich kann mir denken, daß dies für Dich oft gar schwer zu ertragen ist, so gieb doch manchmal in Kleinigkeiten nach, bedenke, er hat ja augenblicklich wirklich viel zu thun und da ist es natürlich nicht unnatürlich, wenn er kritisch ist.“

Dabei hatte ihr Verlobter, der spätere Kaiser Wilhelm II., sich gerade erst dem Willen seines Vaters gebeugt: Er war den Heiratsplänen seiner Eltern, Kronprinz Friedrich Wilhelm und seiner Gattin Victoria, gefolgt. Denn eigentlich hatte der junge Mann ein Auge auf seine hübsche Cousine Elisabeth von Hessen-Darmstadt geworfen.

Diese Verbindung favorisierten auch sein Großvater, Kaiser Wilhelm I., und der Reichskanzler Otto von Bismarck, doch das Kronprinzenpaar hatte noch eine alte Rechnung mit seinem Vater beziehungsweise ihrem Schwiegervater offen und wollte sie dem alten konservativen Regenten auf dem deutschen Thron nun präsentieren. Ihr Sohn Wilhelm und Auguste Viktoria, genannt Dona, wurden so zu Spielbällen im Machtkampf zweier miteinander verfeindeter Systeme.

Doch was empfanden die jungen Menschen bei dem Manöver, bei dem sie nie ganz durchschaut haben, worum es ging, das sie aber mit Argwohn gegenüber den älteren Generationen erfüllte?

Wilhelm selbst war keineswegs von Anfang an von dem Heiratsprojekt seiner Eltern begeistert, doch der vor allem in den Augen seiner Mutter schwächliche Prinz wagte keinen offenen Widerstand, zumal die junge Auguste Viktoria ihn bewunderte, was ihm Auftrieb verlieh. So ließ er schnell von Elisabeth von Hessen-Darmstadt ab, die statt dessen ihre große Liebe, den russischen Großfürsten Sergei Alexandrowitsch Romanow, Bruder von Zar Alexander III., ehelichte. Nach dessen Ermordung 1905 ging sie ins Kloster und wurde 1918 ebenfalls von Bolschewisten umgebracht.

Wilhelms Schicksal sah trotz Entmachtung 1918 zumindest nicht seinen gewaltsamen Tod vor, auch heiratete er nur wenige Jahre nach Auguste Viktorias Ableben 1921 erneut. Trotzdem waren sich die Eheleute, obwohl aus politischem Kalkül miteinander vereint, durchaus zugetan. Dabei ging es seinen Eltern bei der Verheiratung der beiden keineswegs um Zuneigung, obwohl sie 1878 ähnliches in einem Brief an Kaiser Wilhelm I. behaupteten: „Das dynastische Interesse ist von dem des Vaterlandes nicht zu trennen, aber die Kraft der Dynastien beruht auf dem Glück und den gesunden Zuständen der Familie. Eine glückliche Ehe ist Hauptsache!“ Zuvor hatten sie in dem Brief ausgeführt, warum die anderen in Frage kommenden Prinzessinnen eben nicht in Frage kämen. So sei beispielsweise die Tochter des verstorbenen Herzogs Georg von Mecklenburg-Strelitz: „kränklich, nicht hübsch und vollständig russisch“.

Doch warum gab sich das Kronprinzenpaar so viel Mühe damit, gerade Auguste Viktoria zur Schwiegertochter zu bekommen? Zwar war sie durchaus nett anzuschauen, ohne dabei schön zu sein, dezent-zurückhaltend und zugleich aristokratisch im Auftreten, aber das boten auch andere Kandidatinnen. Bismarck und sein Kaiser machten sogar mehrere Makel an ihr aus, denn so war sie „sechs Wochen älter“ als der Bräutigam und wirkte reifer, außerdem war ihre eine Großmutter bürgerlich und die Augustenburger hatten nicht einmal ein eigenes Herzogtum, so daß sie aus keiner ebenbürtigen Familie stammte.

Und genau letzterer Punkt war es, der Friedrich Wilhelm und Victoria dazu veranlaßt hatte, das Heiratsprojekt anzugehen. Auguste Viktorias Vater, Herzog Friedrich VIII. zu Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, war nämlich vor allem wegen Wilhelm I. und Bismarck ohne Herzogtum. Schon die Dänen hatten den Herzog, dessen Herzogtum bis Mitte des 19. Jahrhunderts unter ihrer Krone stand, keinen Einfluß gegönnt, doch anstatt nach dem Sieg Preußens und Österreichs über die Dänen 1864 dem Schleswig-Holsteiner sein Herzogtum zu geben, gliederten die Preußen das Gebiet 1866 bei sich an. Der Herzog ging erneut als Privatmann nach Gotha ins Exil. 

Das Kronprinzenpaar, das mit dem Augustenburger befreundet war, wollte den Herzog für diese Schmach zumindest mit dieser Heirat entschädigen. Außerdem wollten sie dem Alten auf dem Thron – der der Eheschließung nur zustimmte, weil der Vater der Braut unter Druck Bismarcks alle Ansprüche auf seine Herzogtümer aufgab – eins auswischen. Frie-

drich Wilhelms Gattin Victoria, die Tochter der britischen Königin, war schon von Haus aus für eine parlamentarische Monarchie, die ihr ebenfalls liberal gesinnter Gatte bestimmt nach der Thronbesteigung durchgesetzt hätte, wäre er nicht nach nur 99 Tagen als Kaiser 1888 an Kehlkopfkrebs gestorben. Ihr danach auf den Kaiser-Thron folgender Sohn Wilhelm teilte zu ihrem Leidwesen eher die Vorstellungen des 1888 verstorbenen Großvaters. Bedauerlicherweise zeigte sich auch die Schwiegertochter Auguste Viktoria keineswegs dankbar dafür, daß ihre Schwiegermutter Victoria ihr diese „Karriere“ als Kaiserin mit ihrem Heiratsprojekt überhaupt ermöglicht hatte. Victoria, die ihrem Sohn 1878 die junge Auguste Viktoria mit den Worten „süßes Geschöpf“ und „Engel des Friedens“ ans Herz gelegt hatte, klagte 1890, inzwischen Witwe und um allem Einfluß beraubt, ihrer Mutter: „Dona freut sich ihrer Stellung auf das äußerste; ihr ganzes Gesicht drückt innigste Befriedigung aus. Sie ist davon überzeugt, das alles, was Wilhelm und sie tun, denken und sagen vollkommen ist … sie befiehlt und bestimmt in einer für die anderen verletztenden Weise, da es von einer so jungen Person ausgeht.“

Foto: „Dein dich heißliebendes Frauchen Dona“: Auguste Viktoria an Prinz Wilhelm


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