24.04.2024

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05.01.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,              

liebe Familienfreunde,

„Das Leben gleicht einer Reise, Silvester einem Meilenstein“ – mit diesem Wort Theodor Fontanes möchte ich meine erste Familien-Kolumne im Neuen Jahr beginnen, obgleich der Altjahrsabend schon vorbei ist, wenn Ihr diese Zeilen lest. Ich halte nicht viel von lauthals verkündeten guten Vorsätzen – die dann doch nicht eingehalten werden –, aber so wie man auf einer langen Wegstrecke an einem Meilenstein stehen bleibt, so wollen wir es auch tun. Ein kurzes Atemschöpfen, dann geht es weiter auf der vorgezeichneten Route, ein nahtloser Übergang, denn wir nehmen unsern Pungel mit Fragen, Wünschen und Dankesbriefen mit. Da möchte ich aber zuerst einmal Dank sagen für die vielen guten Wünsche zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel, manche von Leserinnen und Lesern, die ich nicht kenne und die mir noch nie geschrieben haben, die ganz einfach nur sagen möchten, wie gut ihnen unsere Ostpreußische Familie gefällt, und daß sie sich ihr verbunden fühlen. Andere schickten Gedichte und kleine Geschichten, zumeist Erinnerungen an die Heimat, manche mit der Bitte, diese doch zu veröffentlichen, und das so kurz vor dem Fest, daß dies zeitlich unmöglich war. Und jetzt im Neuen Jahr wollen wir ja nichts mehr von Weihnachtsmusik und Christkind in der Krippe lesen – oder doch? Da meldet sich nämlich eine Leserin mit der besorgten Frage: „Und was macht unser Christkind?“ und meint damit den kleinen Mantas Stankevic aus Litauen, von dem wir in jedem Jahr in der Weihnachtsausgabe berichten – aber diesmal war nichts von ihm zu lesen. Was war geschehen? Vergessen – oder ging es ihm wieder schlecht? Hatte er einen Rückfall erlitten? Oder hatten wir ganz einfach kein Interesse mehr an seinem Schicksal, an dem unsere Ostpreußische Familie so regen Anteil genommen und geholfen hatte, es zu meistern?

Keine Sorge – nichts von alledem! Allerdings hatten wir – und damit meine ich vor allem Herrn Dr. Detlef Arntzen und mich – die doch gehabt, denn weder Mantas noch seine Mutter hatten sich in den letzten Monaten gemeldet. Detlef Arntzen rief vergeblich an, bekam nie einen Anschluß. Was war passiert? Die Ungewißheit blieb bis kurz vor dem Fest, auch dann, als unsere Weihnachtsausgabe schon fertig war. Also keine Mantas-Geschichte! Und dann kam der Anruf, der die Lösung brachte: Mutter Raßa hatte lange in der Klinik gelegen, weil eine schwere Geburt bevorstand, die dann kurz vor dem Fest glücklich verlief. Da inzwischen in ihrer Wohnung das Telefon gestohlen wurde, konnte sie nicht anrufen, als sie wieder zu Hause war. Auch Mantas hatte einen Klinikaufenthalt hinter sich – kleiner Schock, hatte es einen Rückschlag gegeben? Dann Aufatmen: Es war nur eine Routineuntersuchung gewesen, denn die litauischen Ärzte sind sehr an dem Fall interessiert, der wirklich ungewöhnlich ist und der dank deutscher Hilfe eine kaum glaubhafte, glückliche Wendung genommen hat.

Wir wollen noch einmal die Geschichte kurz aufrollen, weil sie für unsere neuen Leserinnen und Leser sonst nicht verständlich ist. Sie beginnt auf eines Ostpreußenreise des in Königsberg beheimateten, jetzt in Hamburg lebenden Dr. Detlef Arntzen, der im Sommer 1998 in Ruß von einer älteren Frau angesprochen wurde, einer Deutschen, die dort geblieben war. Sie bat für ihren vierjährigen Urenkel um ein paar alte „Koddern“, weil „dem Jungchen immer alles aus dem Bauch läuft“: Es fehlten dem Kind verschiedene Organe im Unterleib, oder sie waren mißgebildet, so daß seine Lebenserwartung nur noch kurz schien. Detlef Arntzen schickte nicht nur jede Menge Windeln nach Ruß, sondern rief eine allein auf Privatinitiative beruhende Hilfsaktion ins Leben. Durch die Veröffentlichung dieses tragischen Kinderschicksals in verschiedenen Medien – und besonders in unserer Zeitung – kamen genügend Spenden zusammen, so daß Mantas mit Mutter Raßa und Urgroßmutter Ursula Jakumeit in die Bundesrepublik Deutschland kommen konnte, wo in Kiel eine Erstuntersuchung erfolgte, der sich dann im Laufe der Jahres mehrere Operationen und Nachuntersuchungen in norddeutschen Kliniken anschlossen. Die deutschen Ärzte bewirkten, daß der nun 13jährige Mantas ein völlig normales Leben führen kann. Er hat sich nicht nur zu einem hübschen, aufgeweckten Jungen entwickelt, sondern treibt Sport und glänzt auch durch gute Leistungen auf dem Gymnasium. Jetzt freut er sich über das kleine Brüderchen. Es ist vorgesehen, daß Mantas in diesem Sommer zur vielleicht letzten Nachuntersuchung nach Hamburg kommt. Unser Landsmann Detlef Arntzen, der Mutter und Sohn auf ihren Aufenthalten in der Bundesrepublik umsorgt, ist nun beruhigt, daß es seinem Schützling gut geht. Und wir auch.

Greifen wir weiter in unsern Pungel. Da übersandte mir unser Leser Erich Kibbat die Kopie eines Briefes, den er an Frau Waltraud Krawielitzki geschrieben hatte, die nach dem im Kreis Insterburg gelegenen ehemaligen Rittergut Krusinn suchte, weil ihr Großvater dort Verwalter gewesen war. Sie hatte es aber auch auf keiner Karte gefunden, es war wie vom Erdboden verschwunden. Einige Hinweise konnte ich ihr auf Grund meiner Nachforschungen geben, aber einen sehr konkreten übermittelte ihr nun Herr Kibbat. So akribisch, daß Frau Krawielitzki – die unsere Ostpreußische Familie bis dato noch gar nicht kannte – nun bei ihrem nächsten Ostpreußenbesuch die richtige Stelle finden wird, wo einmal Krusinn stand – vielleicht entdeckt sie noch einige von Unkraut überwucherte Fundamentreste. Herr Kibbat weist ihr den Weg: „Auf der ehemaligen Reichsstraße 1 Richtung Gumbinnen, etwa fünf Kilometer hinter Insterburg bei Walkenau rechts abbiegen, Richtung Angerapp. Nach 3,5 Kilometer erreichen Sie Krusinn. Auf halber Wegstrecke überqueren Sie die Bahnstrecke nach Gumbinnen.“ Herr Kibbat hat zu jedem der genannten Orte auch die alten deutschen Namen (vor 1938) und die jetzigen russischen aufgeführt und einen Kartenauszug beigefügt. Also wenn das keine Auskunft ist! Vielen Dank, lieber Landsmann, für Ihre Mühe. Ja, liebe Frau Krawielitzki, das ist unsere Ostpreußische Familie!

Was die bewirkt, konnte auch Frau Irene Marie Marchewa feststellen, deren Buch „Der alte Stopfpilz – Von Ostpreußen nach Mecklenburg“ ich erwähnt hatte. Sie schreibt: „Viele Landsleute haben sich daraufhin bei mir gemeldet. Ich brauchte schon bald jemand, der meine Post beantwortet. Zu allem Unglück streikte auch noch mein PC, und in den letzten Wochen war ich viel unterwegs. Zweimal in Straßburg beim Europäischen Parlament und in Berlin, dort Reichstagsauftritte mit dem Vertriebenen-Verband.“ Schön, wenn man so aktiv ist, bleiben Sie weiter so.

Die Suche von Frau Hannelore Bremser, die sie auch erst spät zu unserer Ostpreußischen Familie führte, nach der ersten Frau ihres Vaters Willy Ullendorf und dessen blinder Tochter aus Tilsit hat nun zu einem brauchbaren Ergebnis geführt: Die Mutter Gertrud Ullendorf geborene Litzenberg gilt als vermißt, die Tochter Elly Lawrenz ist 1985 in einem Blindenwohnheim verstorben. Diese Auskünfte konnte der Kirchliche Suchdienst erteilen. Aus Tilsit hatte sich leider niemand gemeldet, der die Familie Ullendorf aus der Dragonerstraße kannte. Das Ehepaar, das 1924 geheiratet hatte, soll auch noch einen Sohn gehabt haben, über diesen gibt es aber keine Angaben, vielleicht ist er schon im Kindesalter verstorben. Frau Ullendorf dürfte bis zuletzt in Tilsit gewohnt haben. Da sie als vermißt gilt, könnte sie beim Russeneinfall oder auf der Flucht umgekommen sein. Vielleicht erinnern sich jetzt ehemalige Bekannte an die Familie. Für Frau Bremser sind die vorhandenen Angaben schon sehr wichtig, denn sie hatte von der Existenz dieser Familienangehörigen erst nach dem Tod ihres Vaters erfahren.

Und nun noch einige Auszüge aus unserer Familien- Festtags-Post, über die ich mich besonders gefreut habe und die ich gerne an unsere große Leserschar weitergeben möchte.

„Ja, ja, es ist Weihnachten, und das weitet das Herz. Aber es ist eher so, daß ich jetzt mehr Zeit habe als sonst und Ihnen endlich einmal schreiben kann, was ich ihnen schon lange sagen wollte. Ich bin kein Ostpreuße und auch kein sonstiger Vertriebener, und doch lese ich die Ostpreußische Familie immer wieder gern, weil mich die Schicksale anrühren, die dort von Ihnen immer ebenso kundig wie menschenfreundlich verhandelt werden. Vielen herzlichen Dank für diesen unermüdlichen Liebesdienst an diesen Opfern!“ (Aus einer E-Mail von Herrn Dr. Dirk Bavendamm, Reinbek)

„Ihre Art, mein Anliegen der Ostpreußischen Familie nahegebracht zu haben, hat mich sehr berührt. Ich danke Ihnen für Ihre einfühlsamen Worte und hoffe auf die gewünschte Reaktion. Im Januar werde ich mit meiner jüngsten Tochter auf Spurensuche gehen. Vielleicht kann ich in ,Snopki‘ oder gar in Johannisburg etwas über das besagte Lager erfahren.“ (Aus einem Fax von Herrn Wernfried Lange, Eutin, dessen Anliegen wir in Folge 50/07 brachten.)

„Sie hatten sich auf Veranlassung von Frau Karin zu Knyphausen die große Mühe gemacht, einen Artikel zu veröffentlichen, der eine Suchmeldung zu der Königsberger Familie Wolff enthält, von der meine Mutter abstammt. Ich möchte ihnen meinen tiefsten Dank aussprechen, denn Sie haben mir damit einen sehr wertvollen Dienst bei der Suche nach meinen Vorfahren erwiesen. Ich bin voll guter Hoffnung, daß Ihre präzisen Angaben mit den vielen Einzelheiten zum Erfolg führen, und daß sich vielleicht jemand meldet, der mit mir verwandt ist oder der mir zusätzliche Informationen geben kann. Ich habe meine näheren Verwandten Wolff, die in England leben, von Ihren Bemühungen erzählt und Ihnen eine Kopie Ihres Artikels zukommen lassen. Sie sind ebenso gespannt wie ich, ob jemand reagieren wird. (Aus einem Brief von Frau Marie Louise von Schack, Lausanne.)

Und wir sind auch gespannt, welche Erfolge uns dieses Jahr bringen wird. Für die alten aber auch für die neuen Suchwünsche, die schon in meinem Pungel warten. Lassen wir den Meilenstein hinter uns und wandern zusammen weiter …

Eure Ruth Geede


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