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05.01.08 / Schwere Jahre / Frauen in Königsberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Schwere Jahre
Frauen in Königsberg

Mit der Publikation „Frauen in Königsberg 1945–1948“ ist der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen eine Erfolgsgeschichte gelungen. Nun ist das 1999 erschienene Buch in der achten Auflage erschienen, die vermutlich ebenfalls ihre Abnehmer finden wird.

In der etwas distanziert wissenschaftlich verfaßten Einführung geht Hans Rothe auf die verschiedenen Biographien der drei Frauen Erna Ewert, Marga Pollmann und Hannelore Müller ein. Während Erna Ewert ihre Aufzeichnungen schon während der Ereignisse 1945 schrieb und ihre Tochter diese erst nach dem Tod ihrer Mutter für die Öffentlichkeit freigab und Marga Pollmann alles kurz nach dem Krieg auf Papier bannte, hat Hannelore Müller erst 1995 damit begonnen, die Biographie ihrer Mutter zu verfassen.

Da Erna Ewert direkt während der Ereignisse schrieb, sind ihre Erinnerungen ungeschminkter und brutaler – auch bezüglich ihrer eigenen Person.

„Mama wird immer dünner. Sie kann sich in ihrem Rock nun schon dreimal einwickeln. Sie ist nur Haut und Knochen. Heute habe ich ihre Augen gesehen. Augen, in denen der Tod steht. Mein Gott, mein Gott, laß mich nicht allein. Mein Herz, mein Augenlicht, meine Kinder nimm, nur nicht meine Mutter!“ Diese Aussage, die aus heutiger Sicht absolut unglaublich wirkt, ist angesichts der Tatsache, daß die selbst kranke Erika Ewert mit ihrer Mutter die einzige Person verliert, die ihr Halt gibt, verständlich. Doch ihre Mutter stirbt, genauso wie der Säugling, der das Ergebnis von Vergewaltigungen durch Russen ist. „Das Kleine ist so verhungert, daß es wohl in ein paar Tagen sterben wird. Ich habe zu diesem Kind keine Liebe, nicht einmal Mitleid … Es war so ausgezehrt, daß es aussah wie eine verhungerte Katze.“ Auch Erikas Sohn Peter verhungert. „Bin ich Mutter, habe ich noch Gefühl? Warum wirft es mich nicht um, daß ich meinen Jungen nicht mehr fand? … Es schrie in mir nach Rache, vor meinen Augen wurde es rot und glaubte irr zu sein oder zu träumen. Mein Kind war von Ratten oder den wildernden Hunden fortgeschleppt worden.“

Auch um Marga Pollmann wird gestorben, und sie selbst verliert einen Arm, doch ihre drei Kinder zwingen sie, weiter zu leben. Hannelore Müller hingegen ist selber das Kind und verliert in den Wirren ihre Mutter aus den Augen.

Die Aufzeichnungen der drei Frauen sind sehr bewegend und verdienen es, nicht in Vergessenheit zu geraten. „… wenn ich erst tot bin, dann sollen alle sie lesen“, bat Erna Ewert ihre Tochter. „Alle“ werden es zwar nicht werden, doch dank der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen auf jeden Fall ziemlich viele.             EB

Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen (Hrsg.): „Frauen in Königsberg 1945–1948“, Bonn 2006, broschiert, 190 Seiten, 10,80 Euro, Best.-Nr.: 2812


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