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05.01.08 / Er prägte Trakehnen und die Pferdezucht / Vor 120 Jahren trat Burchard v. Oettingen in die Preußische Gestütsverwaltung ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-08 vom 05. Januar 2008

Er prägte Trakehnen und die Pferdezucht
Vor 120 Jahren trat Burchard v. Oettingen in die Preußische Gestütsverwaltung ein
von Manfred W. Graf

Herr von Oettingen war nicht nur eine starke Persönlichkeit, der Originalität sehr naher Prägung, sondern auch bei vielseitigen geistigen Interessen von ungewöhnlich lebendiger schöpferischer Tatkraft in Wort und Werk“, urteilte Martin Heling, Landstallmeister in Trakehnen, über den Preußen.

Burchard v. Oettingen wurde 1850 in Riga als Sohn des Rittergutsbesitzers August v. Oettingen geboren. In Dorpart besuchte er die Schule und studierte am selben Ort später Mathematik. Danach meldete er sich beim 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, wo er 1889 als Hauptmann verabschiedet wurde. Während seiner Soldatenzeit war er ein erfolgreicher Rennreiter und schon seit seiner frühen Jugend eng mit der Reiterei verbunden. Deshalb quittierte er seinen Militärdienst, um in die Preußische Gestütsverwaltung einzutreten. In Gudwallen begann er 1888, also vor 120 Jahren, seine Tätigkeit als Landstallmeister und übernahm 1892 die Leitung des Hauptgestüts Beberbeck in Hessen. Mit dem Beberbecker Deckhengst „Optimus“ stellte er einen wichtigen Vererber für das Hauptgestüt Trakehnen.

Gekrönt wurde seine Laufbahn als Gestütsleiter mit der Berufung in das Mekka der Preußischen Pferdezucht: nach Trakehnen. Burchard v. Oettingen war neben seinem großen züchterischen Einsatz besonders mit der umfassenden Neugestaltung der Gestütsgebäude beschäftigt. Eine besonders große Aufgabe war der Wiederaufbau von Trakehnen, das schon während des Ersten Weltkrieges von den Russen zerstört und geplündert wurde. Er verfügte über sehr gute Verbindungen zum Oberpräsidium nach Königsberg und zur Regierung nach Berlin, so daß die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau nach der Befreiung durch Generalfeldmarschall Paul v. Hindenburg schnell zur Verfügung gestellt wurden. In seiner Amtszeit wurde das herrliche Hauptgestüt Trakehnen auf das Niveau einer in jeder Hinsicht vorbildlichen Gestütsanlage erhoben und erwarb internationale Bekanntheit und Ansehen.

In Ostpreußen hat er die Trainings- und Prüfungsarbeit für die Beschäler der Landgestüte eingeführt. Das Jagdreiten mit der Meute hat er in Trakehnen aufleben lassen, ebenso führte er das Stutbuch mit viel Einsatz und Energie. Besonders zugetan war er jedoch der Zucht der edelsten Pferde, der Vollblüter. Dabei hat er aber nie die Notwendigkeit der Erhalterhengste, wie Optimus, Morgenstrahl oder Polarsturm, übersehen und diese in der Zucht eingesetzt.

Der große Wurf ist Burchard v. Oettingen mit dem Ankauf des Vollblüters Dark Ronald gelungen. Für diesen Ausnahme-Hengst hatte die Preußische Gestütsverwaltung 1913 sage und schreibe 500000 Goldmark berappen müssen. Die bis heute erfolgreichste Hengstlinie von Surumu xx geht unmittelbar auf Dark Ronald xx zurück und verdeutlicht den Einfluß von Dark Ronald xx damals wie heute.

Sein Haupt- und Lebenswerk war jedoch die Schaffung einer umfassenden Gestütsanlage, die den Anforderungen einer erstklassigen Vollblutzucht im Hinblick auf Bodenbeschaffenheit, Klima und Gebäuden gerecht wird.

Burchard v. Oettingen setzte seine ganze Kraft in die Idee, einen würdigen Nachfolger für das Hauptgestüt Graditz zu schaffen.

Um dieses neue Gestüt optimal zu planen, unternahm er mit seinem Gestütsarchitekten Friedrich Kuebart Reisen zu den Gestüten Kisber, Savar und Babolna. Aber besonders eigene Erfahrungen aus Trakehnen und Beberbeck wurden bei der Planung des neuen Hauptgestüts Altefeld berücksichtigt.

Altefeld wurde in einer offen aufgelockerten Form geplant und gebaut. Auch das Ausbreiten von Seuchen sollte durch diese aufgelockerte Bauweise verhindert werden. Der Leitgedanke bei der Planung von Altefeld war jedoch eine möglichst natürliche Aufzucht der Pferde, eine natürliche Bewirtschaftung der Weiden- und Feldflächen sowie eine angemessene Unterkunft für die Beschäftigten des Gestüts. Die Wohnhäuser werden auch den Ansprüchen unserer Zeit gerecht, und die Stallungen mit ihren geräumigen Boxen, den hohen Wänden und den großen Fenstern können auch heute nicht besser geplant werden. Alle Stallanlagen verfügen über befestigte Paddocks, so daß bei jeder Witterung Bewegung im Freien möglich ist. Die Koppeln sind mit einem Wegenetz verbunden, so daß die Herden ohne viel Aufwand auf- und umgetrieben werden können. Und so bildet das Hauptgestüt Altefeld den krönenden Abschluß in der Geschichte der großen preußischen Gestüte.

Im Jahre 1911 wurde Burchard v. Oettingen in das Preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten berufen und 1912 zum Preußischen Oberlandstallmeister ernannt. Er ist mit Sicherheit eine der herausragendsten Persönlichkeiten, denen die Führung der Preußischen Gestütsverwaltung anvertraut war.

Burchard v. Oettingen war intelligent, vielseitig begabt und sehr gebildet. Seine literarischen Werke „Die Pferdezucht“, „Grundzüge der Pferdezucht“ und „Das Vollblutpferd“ fanden große Beachtung und zählen noch heute zu den Standardwerken. Hier ein Zitat aus „Die Pferdezucht“: „In der Halbblutzucht ist ein Vollbluthengst, der wenig Adel hat und auf der Rennbahn eine deutliche Niete war, ebensowenig zu empfehlen wie ein Halbbluthengst, der in den Kochen zu leicht ist und im Gebäude nicht genügend korrekt. Ersterer soll ja hauptsächlich Leistungsfähigkeit und Adel, letzterer Stärke und Korrektheit in der Nachzucht liefern. Ich nehme lieber einen ungeprüften Vollbluthengst als eine ausprobierte Niete.“

Der unglückliche Ausgang des Ersten Weltkrieges bescherte ihm viele schwierige Aufgaben. In kurzer Zeit wurde dem deutschen Pferdezüchter durch die wirtschaftliche Entwicklung klar, daß die Zucht möglichst schnell vom Militärpferd auf ein Wirtschaftspferd umgestellt werden mußte. Schon drei Jahre nachdem Burchard v. Oettingen 1920 in den wohlverdienten Ruhestand getreten war, starb er 1923 in Berlin, wo er auch begraben ist.

Seine Errungenschaften für die deutsche Pferdezucht waren so wegweisend, daß wir von seinem Schaffen auch heute noch zehren.


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