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12.01.08 / Geldwäsche / Ein peinlicher Irrtum bringt zwei Menschen zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

Geldwäsche
Ein peinlicher Irrtum bringt zwei Menschen zusammen
von Gabriele Lins

Maria Bogner nahm sich heute Zeit für ihre Einkäufe. Auch wenn das Fest vorüber war, stand doch der riesige Tannenbaum mit seinem Lichter- und Kugelschmuck noch verträumt auf dem Marktplatz. Ein Straßenmusikant spielte sentimentale Weisen auf seinem Keyboard und sang dazu zum Steinerweichen.

Maria blieb stehen, hörte kurz zu und warf ihm dann einen Euro in den aufgestellten Hut. Ich sollte mich auch mal zum Betteln hinstellen, dachte sie sarkastisch, ich könnte ein paar Euro ganz gut gebrauchen.

Vor einem Café stand ein Bettler und hielt den Vorübergehenden auffordernd einen großen Becher hin. Nein, eigentlich hatte er ihn fast liebevoll an seine Brust gedrückt und auch noch beide Hände darumgelegt, als habe er Angst, daß ihm jemand seine paar Cents stehlen könnte.

Sein Gesicht, vom Leben zerknittert und im Moment blau gefroren, kam ihr sympathisch vor. Eine dicke Wollmütze verdeckte Stirn und Haare, nur eine graue Locke und seine großen freundlichen Augen waren zu sehen. Maria fühlte sich sofort für ihn eingenommen. Wer weiß, was er für ein böses Schicksal hinter sich hatte: Frau verloren, danach Arbeit und Wohnung, schließlich abgerutscht. Wer weiß! Jedenfalls ließ er sich nicht hängen. Er lächelte sie sogar an.

Na gut, du Armer, sollst auch ein Scherflein von mir haben, dachte sie, kramte in ihrer Geldbörse und runzelte die Stirn. Ach, du lieber Gott, da war ja nur noch ein Fünfer drin! Fünf Euro, nein, das war zu viel Geld für den Bettler, auch wenn er ihr sympathisch war. Dafür konnte sie sich noch ihre geliebte Flasche Rotwein genehmigen, für die sie manches Andere eben sein lassen mußte.

Der Bettler versprühte Fröhlichkeit. Wie konnte man in solch einer Situation noch lachen! Diese Haltung war jedenfalls bewundernswert.

„Ach was!“ Maria sagte es laut, nahm ihre letzten fünf Euro aus dem Portemonnaie, faltete den Schein zu einer Rolle, ging ein paar Schritte zum Bettler hin und ließ ihn mit einem fröhlichen „Bitteschön, junger Mann!“ in seinen Becher fallen.

Der Mann stutzte einen Augenblick, fing dann an laut zu lachen, nahm die Geldscheinrolle mit spitzen Fingern aus dem Becher und sagte: „Sehr freundlich, aber mußten Sie das Geld erst waschen?“

Maria starrte auf den nassen Schein, der bräunliches Naß in den Becher tropfte, und stotterte: „Wie – wieso …?“, und dann dämmerte es ihr allmählich.

„So, ich trinke jetzt einen neuen Kaffee, schön süß und heiß“, der Bettler lachte immer noch, „und Sie sind eingeladen, meine Liebe!“

Maria winkte ab. „Wie peinlich“, stieß sie kichernd heraus, „ich dachte doch, der Becher sei einfach nur für Münzen da.“

Der Mann nahm sie um die Schulter. „Kommen Sie, wir gehen jetzt ins Café und verjubeln Ihre fünf Euro zusammen. Ich bin Ulli Weber, angenehm!“

Zögernd nahm Maria seine Hand. „Dann sind Sie gar kein Bettler?“

Das Gesicht der alten Dame war schamrot angelaufen. „Iwo! Sehe ich vielleicht so aus?“

Bei näherem Hinsehen mußte sie zugeben, daß er ordentlich gekleidet war und nur durch die in die Stirn gezogene Mütze etwas komisch wirkte.

Verlegen bat sie um Verzeihung für ihren Irrtum.

Zwei Stunden saßen sie bei Kaffee und Kuchen, in lebhaftes Gespräch vertieft, und lachten immer wieder über die seltsame Geldwäsche, die sie beide zusammengeführt hatte.


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