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12.01.08 / Backpulverkrieg / Löste das Mittel Gesundheitsprobleme aus?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

Backpulverkrieg
Löste das Mittel Gesundheitsprobleme aus?
von Anne Bahrs

Die Bäckermeister und auch die vielen Hausfrauen in Deutschland nahmen das Geschenk vorsichtig, aber freudig an, das ihnen der zu jener Zeit schon berühmte Professor Justus von Liebig (1803–1873) mit der Erfindung des Backpulvers machte. Viele neue Rezepte wurden ausprobiert. Das Kuchenbacken war viel einfacher und vielseitiger geworden, eine Lust!

Köstlich schmeckte auch den Amerikanern das Gebäck mit dem neuen Triebmittel, das sich anschickte, die Welt zu erobern. Der deutsche Chemiker, dem die Menschheit die Bodenanalyse als erste Grundlage der Agrikulturchemie, die Einführung des Kunstdüngers in der Landwirtschaft und damit eine wirksame Waffe zur Bekämpfung des Hungers in der Welt verdankt, war bereits seit einem Vierteljahrhundert tot, als eine der beiden großen, rivalisierenden Backmittelvertriebsfirmen in den USA die andere durch ihre Werbung angriff, in dem sie das Back-pulver der Konkurrenz als „Gift“ bezeichnete.

Wir kennen hierzulande den Streit der Wissenschaftler um Vor- und Nachteile für unsere Gesundheit durch den Verzehr von „guter“ Butter oder Margarine. Aber das ist ein zahmes Ränkespiel gegen den Backpulverkrieg, den Amerikas Bevölkerung um die Wende zum 20. Jahrhundert zu bestehen hatte. Auf den Straßen diskutierten die Leute und stritten sich, ob ein im Backpulver enthaltenes Aluminiumsulphat die tödliche Gefahr sei, die der Menschheit drohe.

Natürlich blieben Gegendarstellungen nicht aus. Die führenden Chemiker Amerikas aber mischten sich nicht ein. Parolen der Werbung trieben Liebhaber und Verächter der feinen Backwaren zur Euphorie und Hysterie. Es gab Volksaufläufe und Demonstrationen, die in Straßenschlachten endeten. Selbstmorde und Infarkttote waren zu beklagen.

Staatsanwälte mußten Prozeßakten wälzen. Längst war die Backpulverfrage ein Politikum geworden, das Senatoren stürzte. Aber es wurde kein Schuldiger gefunden.

Der Schriftsteller Abraham Morrison sammelte alle verfügbaren Akten um diese Turbulenzen, ausgelöst durch das umstrittene Backpulver. In zwei dicken Büchern hat er sie veröffentlicht. Die Lektüre dieser inzwischen nur noch antiquarisch zu erhaltenden Bände sei all jenen empfohlen, die Lust am Spektakel haben, zur Nachahmung denen, die verhindern wollen, daß die Juristen am Hungertuch nagen.


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