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12.01.08 / »Nun danket alle Gott …« / Erster deutscher Gottesdienst in der Kirche von Heiligenwalde seit 1994 – Viel hat sich seitdem getan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-08 vom 12. Januar 2008

»Nun danket alle Gott …«
Erster deutscher Gottesdienst in der Kirche von Heiligenwalde seit 1994 – Viel hat sich seitdem getan

Strahlender Sonnenschein begrüßte die Heiligenwalder, als sie zum zweiten deutschen Nachkriegsgottesdienst in „ihrer Kirche“ im 20 Kilometer östlich von Königsberg liegenden Heiligenwalde eintrafen.

Die Arbeiten an der Kirche hatten wieder große Fortschritte gemacht. Um die vollständig renovierte Kirche hatte bereits im Oktober 2006 ein bequem gepflasterter Gehweg herumgeführt. Inzwischen war ein breiter Zufahrtsweg geschaffen worden, damit Gehbehinderte vor den Haupteingang gebracht werden können, und in der Rasenfläche vor der Kirche – der Rasen ist prächtig aufgegangen – ist ein Parkplatz für mehrere Personenkraftwagen abgeteilt worden. Ein Wasseranschluß in der Kirche erleichtert nicht nur die Reinigung, sondern ermöglicht es auch den Gästen, sich frisch zu machen.

Mit berechtigtem Stolz führten der Baumeister Viktor Michailowitsch Staruschkin und Galina Engelewna, die für die Innenausstattung verantwortlich ist, die Ergebnisse harter Arbeit vor. Die drei von ihr ausgewählten Kronleuchter, ebenfalls eine neue Errungenschaft, erhöhten die festliche Atmosphäre.

„Danke für unser Hiersein heute, danke für diese Möglichkeit.“ Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem diese Worte aus dem Lied „Danke“ von Martin Gotthard Schneider aus dem Jahre 1963 eine tiefere Bedeutung bekommen können. Prädikant Fritz Schwarz, ein echter Heiligenwalder, hielt den Gottesdienst und hatte die Lieder, dem Erntedankfest entsprechend, zum Dank und Lob ausgewählt. Erntedank wurde auf dem Lande besonders feierlich begangen. Die Verbundenheit mit der Natur und die Einbindung in den Jahresrhythmus führten den Menschen stets vor Augen, wo die Grenzen ihrer Möglichkeiten lagen und wann sie für höhere Hilfe danken mußten. Die Heiligenwalder konnten nur danken „für unser Hiersein heute“. Es ist für diejenigen, welche die 60 Jahre Nachkriegsgeschichte bewußt miterlebt haben, immer noch ein Wunder, daß sie das Königsberger Gebiet problemlos besuchen können.

Die Heiligenwalder waren nicht nur „hier“ in ihrem Heimatdorf und in der Kirche, in der sie getauft und konfirmiert worden waren, sondern in einem Gebäude, das sich aus einer Scheune wieder in eine Kirche und in einen Festsaal verwandelt hat. Vor sechs oder sieben Jahren glaubten nur noch die Unerschütterlichen an „diese Möglichkeit“, und auch sie nur noch zaghaft. Ein zehnjähriger Kampf mit den Behörden hatte gezehrt.

Das von Fritz Schwarz feinfühlig ausgewählte Dankeslied zum Beginn des Gottesdienstes schließt ein „Danke für alle guten Freunde“ ein. Die Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Kirche von Heiligenwalde, Dr. Bärbel Beutner, begrüßte die deutschen und russischen Besucher des Gottesdienstes und dankte besonders den russischen Freunden für die gemeinsame Arbeit an der Kirche und für die herzliche Aufnahme, welche die deutschen Heiligenwalder seit 1991 in ihrem Dorf erleben durften. Die renovierte Kirche sei die Ernte, die Frucht einer besonders glücklichen deutsch-russischen Zusammenarbeit.

Galina Engelewna dankte den deutschen Gästen dafür, daß sie die weite Reise auf sich genommen hatten, und begrüßte sie im Namen ihres verstorbenen Mannes Georg Gawrilowitsch Artemjew. Er kann als der eigentliche „Wiedererbauer“ der Kirche gelten. Als Schulleiter von Heiligenwalde führte er die entscheidenden Verhandlungen, als Germanist bildete er die Verbindung zwischen den russischen und den deutschen Einsatzkräften, als Publizist erweckte er das öffentliche Interesse an dem Baudenkmal. Die Trauer aller Anwesenden darüber, daß er, 2006 verstorben, diesen Gottesdienst nicht mehr miterleben konnte, wandelte Fritz Schwarz in seiner Predigt in einen Dank dafür um, „daß wir viele Jahre lang unseren lieben Freund … unter uns hatten.“ Die Kirche sei sein Lebenswerk gewesen. „Verantwortungsvoll hat er vor seinem Heimgang die Arbeit in die Hände seiner Frau Galina Engelewna übergeben.“

Es war der erste deutsche Gottesdienst in der Kirche von Heiligenwalde seit 1994. Damals hatten Deutsche und Russen das 650. Gründungsjahr der Kirche und des Dorfes gefeiert, damals vor einem Haufen Getreide, was alle als gutes Omen ansahen, bei mit Brettern vernagelten Fenstern und zugemauerten Eingängen. Nun schien die Sonne durch die bunten Fenster mit dem Kreuz in den hellen Kirchenraum.

Fritz Schwarz traf genau diesen Erntesegen mit seinen Worten: „Am Erntedankfest gedenken wir nicht nur der Früchte des Feldes, sondern auch der Werke, die durch die Arbeit vieler Hände geschaffen wurden, die Gott gesegnet hat uns Menschen zu Gute.“

Der Predigttext aus der Bergpredigt enthielt die Worte: „Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen“, eine schwierige Aufgabe für den Prediger zum Erntedank. „Ich denke jetzt konkret an die Begegnungen mit den Menschen, die jetzt hier wohnen und uns, den ehemaligen Bewohnern freundschaftlich begegnen, auch wenn wir zwei verschiedene Sprachen sprechen“, sagte Fritz Schwarz. „Wenn wir auch dies als ein Geschenk Gottes verstehen, das uns aus seiner Liebe heraus zugefallen ist, so können wir aus voller Dankbarkeit heraus Erntedankfest feiern.“

Diese „Schätze im Himmel“ wurden auch ganz irdisch bei einem reich gedeckten Tisch in der Heiligenwalder Schule gefeiert. „Für die Gäste das Beste“ – dieser ostpreußische Leitspruch hat bis heute seine Gültigkeit behalten. Die russischen Gastgeberinnen hatten ihre Spezialitäten zubereitet: die berühmte Fischsuppe, die „ucha“ aus Karpfen, schmackhafte Salate und raffiniert bestrichene „butterbrodi“. Wodka und Konfekt durften nicht fehlen.

Auch diese fröhliche Tischgemeinschaft war ein „Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret“, wie man in der Kirche gesungen hatte. (B. B.)

Fotos: Nahmen am Gottesdienst teil: die Dolmetscherin Tamara Michailowa, Prädikant Fritz Schwarz, Galina Engelewna und die Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Kirche von Heiligenwalde e.V. Bärbel Beutner (von links nach rechts); „Für die Gäste das Beste“: Festessen in der Schule von Heiligenwalde im Anschluß an den Gottesdienst


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