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19.01.08 / Respekt vor dem Amt / Gerhard Schröder mischt auch als Bundeskanzler a. D. gern mit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Respekt vor dem Amt
Gerhard Schröder mischt auch als Bundeskanzler a. D. gern mit
von Hans Heckel

Für seine flotte Angriffslust nannten sie ihn „Schmidt-Schnauze“. Helmut Schmidt konnte hart austeilen, auf Wahlkampfreden ebenso wie in aufgeheizten Debatten des Bundestags. Doch Journalisten, die aus dem Hanseaten nach dessen Abschied von der Regierung Äußerungen über seine Nachfolger herausquetschten wollten, prallten auf Granit: Gern stehe er jedem neuen Kanzler – egal welcher Partei – mit seinem Rat persönlich zur Seite. Aber öffentliche Kritik an einem Amtsnachfolger? Das gehöre sich nicht für einen Bundeskanzler a. D., basta.

Als seinem schon todkranken Vorgänger Willy Brandt der Besuch des damaligen Regierungschefs Helmut Kohl angekündigt wurde, quälte sich der alte Mann noch einmal aus dem Krankenbett und zwängte sich in einen dunklen Anzug: Er könne doch seinen eigenen Kanzler nicht im Schlafanzug begrüßen, so Brandts Begründung für den Kraftakt. Dabei wußte Brandt fein zu unterscheiden: Als noch bis 1987 amtierender SPD-Vorsitzender ging er die Politik der CDU/CSU/FDP-Koalition so scharf an, wie es dem Chef der größten Oppositionspartei eben zukommt. Bei der Person des neuen Kanzlers als solchem angekommen aber erinnerte er sich stets genau daran, was ihm als früherem Amtsinhaber ansteht und was ausdrücklich nicht.

Angela Merkel wiederum war es, die sich mit einem spektakulären Zeitungsbeitrag Anfang 2000 als erste aus der Führungsriege der CDU vom Spendenaffären-geschüttelten Helmut Kohl absetzte. Gar kein Zweifel – den unter Beschuß Geratenen muß diese Abwendung hart getroffen haben, war er es doch gewesen, der der jungen Frau einst den Weg nach oben geebnet hatte. Dennoch war und ist auch Kohl, als Merkel ihm später ins Kanzleramt nachgefolgt war, nie ein kritisches Wort über ihre Amtsführung zu entlocken.

In der Erinnerung an diese drei Vorgänger wird der Traditionsbruch des Gerhard Schröder in seiner ganzen Bedeutung sichtbar. Der begann nicht erst mit den Attacken gegen Merkel im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte um Jugendkriminalität und den überdurchschnittlichen Anteil von jungen Migranten an der Gewalt auf unseren Straßen. Respekt vor dem Amt war dem Mann, der sieben Jahre lang die deutsche Regierung führte, allem Anschein nach schon vorher ziemlich fremd.

Daß Regierungschefs im Ruhestand Bücher schreiben, Vorträge halten oder auch als Journalisten arbeiten wie der langjährige „Zeit“-Herausgeber Schmidt, schadet ihrem Amt und seiner Würde nicht – auch nicht, daß sie damit Geld verdienen. Daß jedoch irgendein Premierminister oder Präsident eines hochentwickelten demokratischen Landes nach seinem Ausscheiden als Lobbyist eines ausländischen Staatskonzerns in den Ring steigt, das hat Schröder bislang noch niemand vor- oder nachgemacht. Dabei kann er noch so oft beteuern und seine wahlkämpfenden Genossen noch so angestrengt glauben, daß es hier zu keinen Gewissenskonflikten kommen wird – es bleibt ein äußerst fader Nachgeschmack.

Übertroffen wurde Schröders Nonchalance bei der Wahl seines neuen Arbeitgebers nur noch durch die Art und Weise, wie er sogar auf internationaler Bühne Front machte gegen die amtierende Kanzlerin. Ausgerechnet auf einer China-Reise rügte er die Einladung der deutschen Regierungschefin an den Dalai Lama. Mitten in einer schweren diplomatischen Krise zwischen Peking und Berlin rückte er lauthals von der offiziellen Position seiner Kanzlerin und damit seines Landes ab.

Schröder rechtfertigt seine Ausfälle damit, daß er ja nun ein „freier Mensch“ sei, bloß ein „interessierter Beobachter“. In der Tat – einem Privatmann ist derlei Verhalten jederzeit erlaubt, auch wenn er seinem Land damit kaum je einen guten Dienst erweist. Doch wie seine Vorgänger (und offenkundig auch seine ausländischen Kollegen als Regierungschefs im Ruhestand) wissen, ist ein Kanzler, ein Premier oder ein Staatspräsident vom Antritt des Amtes an bis zu seinem Tode nie mehr ein „einfacher Bürger“ wie jeder andere. Medien kürzen gern, das trifft auch Amtsbezeichnungen. Das Etikett „Ex-Kanzler“ aber täuscht: Schröder ist „Kanzler außer Dienst“, er genießt nach wie vor die Anrede „Herr Bundeskanzler“.

Die Würde des Amtes gerade auch im Umgang mit seinen Nachfolgern und ihrer Politik zu bewahren ist daher die lebenslange Pflicht eines „Kanzlers a. D.“. Das war bis 2005 eine Selbstverständlichkeit. Schröders schlechtes Beispiel bricht nicht allein mit einer guten Tradition, einer Art republikanischer Hof-Etikette. Es beschädigt das Ansehen einer der wichtigsten Instanzen unserer Demokratie an sich. Die Zeit wird zeigen, ob künftige Kanzler a. D. in der Lage sein werden, diese Tradition zu restaurieren.

Foto: Spart nicht mit Kritik an Merkel: Schröders Vorgänger waren zurückhaltend.

 

Zeitzeugen

Heinrich Brüning – Nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt 1932 wurde er nicht müde, seinem Nachfolger vorzuwerfen, dieser habe seinen klaren, weitsichtigen Plan zur Verhinderung der NS-„Machtergreifung“ nicht verstanden und mit dessen Intrigen alles verdorben.

Willy Brandt – 1974 trat er zwar als Bundeskanzler, nicht aber als Parteivorsitzender zurück. Als Vorsitzender der SPD versuchte er mit zwei Gegenkandidaten seinen Nachnachfolger zu stürzen. Im Gegensatz zu Adenauer war ihm nicht vergönnt, das Amtsende seines gegnerischen Nachfolgers mitzuerleben. 1992 erlag er seinem Krebsleiden. Von 1976 bis zu seinem Todesjahr war er Präsident der Sozialistischen Internationale, von 1979 bis 1983 Mitglied des Europäischen Parlamentes.

Konrad Adenauer – Nachdem der erste Kanzler der Bundesrepublik 1963 gegen seinen Willen hatte Ludwig Erhard weichen müssen, tat er alles ihm Mögliche, um am Stuhl seines ungeliebten Nachfolgers zu sägen. Rainer Barzel sah sich als CDU/CSU-Fraktionschef gar genötigt, den Altkanzler in seinem Abgeordnetenbüro aufzusuchen, um ihn zur Fraktionsdisziplin zu gemahnen. Der Altkanzler umging die Rüge, indem er einen Blumenstrauß aus einer Vase nahm, den noch triefenden Strauß seinem Gast in die Hände drückte und sagte, er solle ihn seiner Frau geben und ihr sagen, daß sie beide ihre Sache gut gemacht hätten.

Joseph Wirth – Nach dem Ende seiner Kanzlerschaft 1922 hat der Badenser noch über drei Jahrzehnte gelebt. Während der NS-Zeit ging er ins Exil, aus dem er 1949 zurückkehrte. In der Bundesrepublik tat der Christdemokrat sich als scharfer Gegner Adenauers und der Westbindung hervor.

Kurt Georg Kiesinger – Wie Brandt blieb auch Kiesinger nach dem Ende seiner Kanzlerschaft im Jahre 1969 vorerst Vorsitzender seiner Partei, allerdings nur zwei Jahre. 1972 begründete er im Bundestag den konstruktiven Mißtrauensantrag seiner Fraktion gegen seinen Nachfolger im Kanzleramt. Der Mißtrauensantrag scheiterte, aber das Ende von Brandts Kanzlerschaft und auch der SPD/FDP-Koalition erlebte er noch mit. Er starb 1988.


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