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19.01.08 / Er hat gut Lachen / Polens neuer Regierungschef Donald Tusk auf Erfolgskurs

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Er hat gut Lachen
Polens neuer Regierungschef Donald Tusk auf Erfolgskurs
von Wolf Oschlies

Miesiac miodowy“, der „Honigmond“ von Donald Tusk dauert schon fast ein Vierteljahr – gerechnet ab den Parlamentswahlen vom 21. Oktober 2007, bei denen seine „Bürgerplattform“ (PO) die nationalistische „Recht und Gerechtigkeit“-Partei (PiS) der exzentrischen Zwillinge Kaczynski vernichtend schlug. Und Fortsetzung folgt: 2008 wird für Polen ein wichtiges, aber ruhiges Jahr, in dem keine Referenden oder Wahlen anstehen – ausgenommen die mögliche Amtsenthebung von Präsident Lech Kaczynski, die er sich selber zuzuschreiben hätte: Laut Verfassung ist die Regierung das Zentrum politischer Entscheidungen, und wenn der Präsident seinen Konfrontationskurs zu dieser fortsetzt, dann demontiert er sich am Ende selber – warnte Tusk Anfang Januar in einem Interview. 

„Zaufanie“ (Vertrauen) – unter dieses Losungswort stellt Tusk sein gesamtes Wirken: Vertrauen erwiesen ihm die Wähler, Vertrauen in das eigene Land und seine europäische Zukunft will er bei allen Polen verankern, und Vertrauen bei internationalen Partnern zurückzugewinnen ist nach der Konfliktstrategie seines Vorgängers Jaroslaw Kaczynski Gebot außenpolitischer Vernunft. Ein wieder vertrauenswürdiges Polen wurde am 21. Dezember 2007 Mitglied des Schengen-Abkommens und damit „vollgültiges Mitglied des europäischen Raums der Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit“, wie Marek Prawda, polnischer Botschafter in Berlin, befriedigt konstatierte.

Alles fließt in die Scheuer des Donald Tusk, der es natürlich (noch) leicht hat: Seine politischen Gegner, die Kaczynskis, gelten als „psychopathische Persönlichkeiten“, „unreif“ und „unerwachsen“, urteilte mit fachlicher Härte die Psychologin Elzbieta Soltys. Beide hätten auch keine Zukunft: Ex-Premier und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski verliert nach seiner Abwahl jede politische Bedeutung – Noch-Präsident Lech Kaczynski darf auf „keine Wiederwahl“ hoffen. Polen wird wieder ein „normales Land“, regiert von der berechenbaren PO und ihrem Koalitionspartner, der „friedfertigen“ und loyalen Bauernpartei (PSL) unter dem „erwachsenen“ Präsident Waldemar Pawlak.

Unfreiwillig bestätigte die PiS auf ihrem Parteitag Ende 2007 das harsche Urteil von Polens führender Entwicklungspsychologin: Prominente Mitglieder sind der PiS in Scharen davongelaufen, der Rest kuscht unter dem Chef Jaroslaw Kaczynski. Seine „Führer-Klientel-Partei“ (höhnten Warschauer Wochenblätter) kann er nicht zusammenhalten, da es fern von den Fleischtöpfen der Macht wenig zu verteilen gibt. Seine berüchtigten Ausfälle gegen Deutsche, Russen und die EU wirken albern, seine Hoffnung auf Fehler der Regierung Tusk ist vergeblich.

Am 16. November 2007 trat die neue 18köpfige Regierung ihr Amt an: Premier Tusk, Vizepremier (und Wirtschaftsminister) Pawlak. Am 23. November gab Tusk seine Regierungserklärung ab, mit über drei Stunden Dauer die längste seit Menschengedenken. Und die inhaltsärmste, wie Kommentatoren nörgelten: zu viel Optimismus, kein Wort über „energetische Sicherheit“ Polens, über sein militärisches Engagement in Afghanistan und im Irak. Die erwarteten Kraftproben – mit den Ärzten, der Kirche, den Bergleuten, mit dem Schul- und Sozialversicherungswesen – waren ja nicht ausgeblieben. Neue EU-Vorschriften zwingen beispielsweise, die Arbeitszeit von Ärzten zu regeln.

Wen kümmern allerdings innenpolitische Teilprobleme, wenn laut Umfragen über 70 Prozent aller Polen angstfrei und zufrieden leben? Viel wichtiger ist, den von den Kaczynskis hinterlassenen außenpolitischen Augiasstall aufzuräumen. Was leichter als erwartet ausfällt, denn Ost und West sind bemüht, dem neuen Mann in Warschau entgegenzukommen. Seit November 2005 liegt Polen mit Rußland im Clinch, weil Polen den USA eigenes Territorium für Anwehrraketen einräumte. Noch Mitte Dezember 2007 drohte der russische Generalstabschef Juri Balujewski mit einem „russischen Gegenangriff“. Tusk antwortete, daß die Russen wohl mehr Aufklärung benötigten und von Polen auch bekommen sollten. Das beeindruckte Moskau so, daß es das 2005 verhängte Embargo für polnisches Fleisch, was Polen zehn Prozent seines Fleischexports kostete, Ende 2007 aufhob. Tusk zeigte Polenmut vor Kremlthronen und wurde belohnt! Das Problem der russisch-deutschen Ölleitung durch die Ostsee, zu Kaczynski-Zeiten als Neuauflage des Hitler-Stalin-Pakts gegen Polen interpretiert, ist auch keins mehr: Deutschland wird Polen in einer „Energiepartnerschaft“ beteiligen – Details klären Techniker und Ökonomen.

Wie es heißt, hat Bundeskanzlerin Merkel Tusk geraten, die Russen nicht zu reizen, sondern sie „einzubinden“. Die Polen schließen Merkel nun in ihr Herz: Sie habe „polnische Vorfahren“, strahle „slawische Melancholie“ aus und werde im Mai von der Technischen Hochschule Breslau mit einem Ehrendoktor dekoriert.

Foto: Die Polen setzen auf ihn: Donald Tusk mit Frau und Tochter


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