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19.01.08 / Die Rosenrevolution zeigt ihre Dornen / Georgien nach der Wahl – Opposition erzielt Achtungserfolg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-08 vom 19. Januar 2008

Die Rosenrevolution zeigt ihre Dornen
Georgien nach der Wahl – Opposition erzielt Achtungserfolg
von Martin Schmidt

So manche außenpolitischen Vorgänge lassen sich kaum auf den Punkt bringen. Jedenfalls nicht im Sinne einer klaren Einteilung in „richtig“ und „falsch“ und schon gar nicht in den moralischen Kategorien von „gut“ und „böse“. Der Verlauf und das Ergebnis der georgischen Präsidentschaftswahl vom 5. Januar zeigen das nachdrücklich.

Während die Entwicklungen in diesem Herzland des Kaukasus der vielfach schlecht informierten deutschen Öffentlichkeit in plakativer und oberflächlicher Weise dargebracht werden, erfordert ein tieferes Verständnis Einblicke in die georgische Kultur und Mentalität und immer wieder die Bereitschaft zur Differenzierung. Nicht zuletzt gilt das für die Bewertung des wiedergewählten Staatsoberhauptes Michail Saakaschwili.

Nachdem dieser im Herbst 2003 durch den Sturz des ebenso korrupten wie despotischen Präsidenten Eduard Schewardnadse mit der „Rosenrevolution“ an die Macht gekommen war, veränderte sich manches zum Guten. Der erst 40jährige Saakaschwili ist gebildet, spricht vier Fremdsprachen und gilt als ausgesprochen fleißig. Er leitete eine überfällige Verwaltungsreform sowie Reformen im Bildungssektor, bei der Besteuerung, im öffentlichen Gesundheitswesen und bei der Polizei ein. Die allgegenwärtige Korruption konnte zunächst spürbar zurückgedrängt werden. Eine erhebliche Anzahl illegal errichteter Neubauten mußte auf Weisung des Präsidenten abgerissen werden, immer mehr ausländische Direktinvestitionen kamen ins Land, die Strom- und Wasserversorgung verbesserte sich grundlegend, und auch die Instandsetzung des maroden Straßennetzes wurde endlich begonnen. Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten Jahren stets zwischen acht und zwölf Prozent.

Der vielleicht größte Erfolg des betont EU- und amerikafreundlichen neuen Machthabers – Saakaschwili studierte und promovierte in den USA und heiratete eine Niederländerin – war es, daß es ihm schon nach kurzer Zeit gelang, die auf Abstand zum Mutterland gegangene autonome Südwestprovinz Adscharien wieder fest in den Staatsverband einzubinden. Mit Moskau konnte die von Saakaschwili eingesetzte Außenministerin Salome Surabischwili die vorzeitige Auflösung der letzten russischen Militärbasen aushandeln, die im November 2007 abschließend umgesetzt wurde. Hierfür sowie für seine unnachgiebige Haltung in der Frage der auf die Russische Föderation ausgerichteten sezessionistischen Provinzen Südossetien und Abchasien genießt der charismatische Präsident bis heute die Unterstützung fast aller Georgier. Auch der von ihm angestrebte Nato-Beitritt und das Ziel einer größtmöglichen Nähe zur Europäischen Union erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit.

Andererseits sind unübersehbare „Abnutzungserscheinungen“ der Rosenrevolutionäre erkennbar. Immer häufiger werden Korruptionsfälle bekannt; Saakaschwilis Politikstil gilt als autokratisch, und es gab eine ganze Reihe heftiger Auseinandersetzungen innerhalb seiner Regierungsmannschaft. Steigende Lebenshaltungskosten vergrößern im Gefolge einer streng neoliberalen Wirtschaftspolitik die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Arbeitslosenrate hat mit Quoten zwischen 20 und 40 Prozent nach wie vor ein sehr hohes Niveau. Der Unmut breiterer Bevölkerungsschichten wächst, zumal oppositionelle Regungen die ganze Macht der staatlich gelenkten Medien, aber auch des Polizeiapparates zu spüren bekommen. Im November 2007 mußte der Amtsinhaber angesichts wütender Proteste sogar den Ausnahmezustand verhängen. Sein Image als mutiger jugendlicher Erneuerer hat erheblichen Schaden genommen. Die Einstellung der Bevölkerung zu ihm und seiner regierenden „Vereinten Nationalen Bewegung“ ist tief gespalten.

Letzteres bestätigte sich in der vorgezogenen Präsidentschaftswahl vom 5. Januar, wenngleich man diese auch als geschickten Schachzug Saakaschwilis zur Beruhigung der Lage betrachten kann. Statt der 96 Prozent Zustimmung von vor vier Jahren fiel die absolute Mehrheit des Amtsinhabers mit offiziell 54 Prozent vergleichsweise dürftig aus. Die 26 Prozent für seinen wichtigsten Gegner Lewan Gatschetschiladse waren ein klarer Denkzettel und ein Achtungserfolg für die Opposition. Immerhin ist zu bedenken, daß die staatlichen Medien den Saakaschwili-Gegnern keinerlei Raum für ihre Wahlwerbung ließen, während die Plakate mit dem Konterfei des Präsidenten allgegenwärtig waren.

Einstweilen konzentrieren sich die heterogenen Saakaschwili-Gegner allerdings darauf, die Rechtmäßigkeit der von der OSZE als weitgehend sauber erklärten Wahl in Frage zu stellen und den „Druck der Straße“ aufrechtzuerhalten. Ob die meist noch nationaler als der schon sehr patriotische Saakaschwili argumentierende Opposition im Fall ihrer Machtübernahme vor Vetternwirtschaft, autoritärer Anmaßung und übertriebener Polarisierung gefeit wäre, erscheint indes mehr als zweifelhaft. Schließlich gehören die Clanwirtschaft ebenso wie ein gewisser Hang zur Despotie zum orientalisch-asiatischen Erbteil des kleinen, in vielem anderen zutiefst europäischen christlichen Landes. Vielleicht wäre ihr Sieg sogar eine ernste Gefahr für das noch immer im Aufschwung befindliche Georgien.

Michail Saakaschwili hat aus der Lektion vom 5. Januar bereits erste Lehren gezogen. Noch vor der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses erklärte er in einem Fernsehinterview: „Ein gutnachbarschaftliches Verhältnis zu Rußland liegt im Interesse Georgiens.“ Dabei hoffe man, so ließ er verlauten, auf den designierten Putin-Nachfolger Dmitri Medwedew. Aus dem Munde des im Dauerzwist mit dem Kreml im allgemeinen und Wladimir Putin im besonderen befindlichen ersten Mannes Georgiens läßt dieses demonstrative Bekenntnis aufhorchen. Wahrscheinlich will Saakaschwili in der Außenpolitik für ruhigere Zeiten sorgen, während es für ihn in der Heimat deutlich ungemütlicher geworden ist, zumal es spätestens Ende 2008 auch noch vorgezogene Parlamentswahlen geben soll. 


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